27.10.2014 | Unser
Politikblog
Der souveräne
Staatsbankrott
Ein Staatsbankrott liegt
vor, wenn ein Staat offiziell einräumt, nicht mehr alle Gläubiger
pünktlich bezahlen zu können. In der Menschheitsgeschichte hat es
Hunderte Staatsbankrotte gegeben. Normal ist, dass der betroffene
Schuldnerstaat dann selbst über seine teilweise Schuldenreduzierung
im Sinne eines fairen Ausgleichs zwischen Einwohnern und Gläubigern
entscheidet.
So hat das
Waldenfels-Urteil vom 23.05.1962 (1 BvR 987/58, BVerfGE 15,126) über
den westdeutschen Staatsbankrott nach dem Zweiten Weltkrieg
entschieden, dass Staaten konkursunfähig sind (Rn. 62). Der Grund
für die Konkursunfähigkeit von Staaten liegt darin, dass im
Vordergrund „die Schaffung einer Grundlage für die Zukunft“
steht und nicht „die Abrechnung über die Vergangenheit“; dieses
„Prinzip der Sanierung findet sich allenthalben in der Geschichte
des Staatsbankrotts und ist unvermeidlich, weil gesunde staatliche
Finanzen die erste Voraussetzung für die Entwicklung des sozialen
und politischen Lebens sind“.
Auch Argentinien und
Russland haben ihre jüngsten Staatsbankrotte souverän bewältigt.
Sie haben es gut
gemeint.
Sogenannte „Geier-Fonds“
haben argentinische Staatsanleihen deutlich unter Nennwert erworben
und erfolgreich (aus Sicht des US-Zivilrechts) vor US-Gerichten
geltend gemacht, nicht an die Vereinbarungen zur Schuldenreduzierung,
welche Argentinien mit der Mehrzahl seiner privaten Gläubiger
getroffen hatte, gebunden zu sein. Die Vereinbarung mit der Mehrzahl
der privaten Gläubiger enthält allerdings die sogenannte
„Rufo-Klausel“, nach welcher Argentinien seine damaligen privaten
Gläubiger alle gleich behandeln muss, und welche noch bis Ende 2014
gilt. Wenn sie nun, den Urteilen auf Grundlage des US-Zivilrechts
folgend, den „Geier-Fonds“ eine höhere Quote geben würden, dann
würden die alten Schulden in voller Höhe gegenüber den privaten
Gläubigern wieder aufleben, und Argentinien wäre schon wieder
bankrott.
Daher der verständliche
Wunsch von zahlreichen Staaten, darunter von Argentinien, Bolivien und
Jamaika, die Gleichbehandlung aller privaten Gläubiger festzulegen,
damit „Geier-Fonds“ für sich keine Sonderkonditionen mehr
erstreiten können. Dafür verlegt man nun auf Grundlage eines neuen
argentinischen Gesetzes das Girokonto, über welches die Zahlungen an
die privaten Gläubiger laufen, von den USA nach Argentinien. Der
nächste sinnvolle Schritt wäre gewesen, dem US-Zivilrecht nun die
in Argentinien geltenden Grund- und Menschenrechte entgegenzuhalten,
die alle höherrangig sind als das Zivilrecht und diesem daher
Grenzen setzen.
Stattdessen hat man am
09.09.2014 beschlossen, ein Staateninsolvenzverfahren zu schaffen.
Das globale
Staateninsolvenzverfahren
Am 09.09.2014 hat
die Uno-Vollversammlung eine von Bolivien am 28.08.2014 eingebrachte
Resolution (Az. A/68/L.57/Rev.1) beschlossen mit 124 Ja-Stimmen, 11
Nein-Stimmen und 41 Enthaltungen, welche noch innerhalb der
gegenwärtigen UN-Sitzungsperiode die Schaffung eines
völkerrechtlichen Vertrags für ein Staateninsolvenzverfahren für
die Entwicklungsländer fordert (Nr. 5 der Resolution).
Nr. 4 der Resolution
ermutigt die Uno, sich weiterhin für nachhaltige Entwicklung
(„sustainable development“) einzusetzen, und ermutigt IWF und
Weltbank („the international financial institutions“), sich
weiterhin für eine dauerhafte Lösung der Schulden der
Entwicklungsländer einzusetzen, und zwar jeder im Rahmen seines
Mandats.
Das heißt, um die
„nachhaltige Entwicklung“ (Gleichgewicht zwischen
Wirtschaftswachstum, sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz) soll
sich danach die Uno kümmern und um die Schulden IWF und Weltbank. Wo
käme man denn da hin als IWF oder Weltbank, wenn die Uno das
Schuldenproblem dauerhaft am Maßstab der universellen Menschenrechte
lösen würde?
Nr. 3 der Resolution
lädt IWF und Weltbank („the Bretton Woods institutions“) und den
Privatsektor ein, mit angemessene Maßnahmen und Aktionen zu
unternehmen für die Umsetzung der Verpflichtungen, Vereinbarungen
und Entscheidungen der größeren UN-Gipfel, vor allem solcher, die
sich beziehen auf die Schuldentragfähigkeit („debt
sustainability“) der Entwicklungsländer. Die Resolution spielt mit
dem Wort „sustainable“. Die Herzen der Regierungsvertreter der
ärmeren Länder gewinnt man mit dem Bekenntnis zur nachhaltigen
Entwicklung („sustainable development“), und IWF, Weltbank und
Privatsektor lässt man sich Maßnahmen und Aktionen zur
Schuldentragfähigkeit („debt sustainability“) kümmern.
Was der IWF unter
„debt sustainability“ versteht, hat der ehemalige Unabhängige
Experte der Uno zu Finanzkrise und Menschenrechten, Prof. Dr. Cephas
Lumina, in Nr. 39 seines Berichts vom 07.03.2014 zu Griechenland
(A/HRC/25/50/Add.1)
verdeutlicht:
„From
a human rights viewpoint, the IMF debt sustainability assessment has
limitations. It is too narrowly focused on debt repayment capacity.
As the Independent Expert has stressed on previous occasions, debt
sustainability analyses should include an evaluation of the level of
debt that a country can carry without undermining its capacity to
fulfill its human rights obligations.“
(„Von
einem menschenrechtlichen Standpunkt, ist die
Schuldentragfähigkeitsanalyse des IWF eingeschränkt. Sie ist zu eng
fokussiert auf die Schuldenrückzahlungsfähigkeit. Wie der
Unabhängige Experte bei früheren Gelegenheiten betont hat, sollten
Schuldentragfähigkeitsanalysen eine Einschätzung des Schuldenstands
beinhalten, welchen ein Land tragen kann, ohne seine Fähigkeit zur
Erfüllung seiner menschenrechtlichen Verpflichtungen zu
unterminieren.“)
Die
Einladung durch Nr. 3 der Resolution vom 09.09.2014 auch an den
Privatsektor zu den „Maßnahmen“ und „Aktionen“ erinnert an
die rechtsgrundlagenlose (willkürliche) Praxis des IWF, private
Banken zu den vom IWF entworfenen Auflagen noch weitere hinzufügen
zu lassen („Wiener Initiative“) und an das Gerede in Europa vor
Einführung des ESM, in dessen Staateninsolvenzverfahren die
Versammlung der privaten Gläubiger dann offiziell den
Schuldnerstaaten Auflagen machen darf.
Die
Menschenrechte werden in der ganzen Resolution nicht ein einziges Mal
explizit erwähnt, nur einmal implizit im letzten Erwägungsgrund als
Teil der Ziele („purposes“, siehe Art. 1 Nr. 3 Uno-Charta) der
Vereinten Nationen.
Das
ist bemerkenswert für eine von Bolivien eingebrachte Resolution.
Bolivien hat sich erst im Jahr 2008 eine neue Verfassung mit mehr
sozialen Grundrechten gegeben, auch um seinen sozialen Aufschwung auf
eine Grundlage mit Verfassungsrang zu stellen. Und dann geht von
Bolivien eine Resolution aus, die ein Staateninsolvenzverfahren mit
einer starken Stellung von IWF, Weltbank und privaten Gläubigern
will, und bei der die Menschenrechte unter ferner liefen sind. Das
widerspricht bereits offensichtlich Art. 28 der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte (AEMR), welche alle Staaten unterzeichnen, wenn
sie Uno- Mitglied werden, und wonach alle Menschen ein Recht haben
auf eine soziale und internationale Ordnung, in welcher die
universellen Menschenrechte voll verwirklicht werden können.
Und dabei hat der
Präsident Boliviens, welches die Resolution am 28.08.2014
eingebracht hat, laut dem Amerika21 – Arikel „Evo Morales: IWF
soll Völker entschädigen“ vom 16.02.2014 noch gefordert gehabt,
über Schadensersatz des IWF gegenüber den Schuldnerländern
nachzudenken. Dem läuft die von Bolivien eingebrachte und am
09.09.2014
beschlossene
Resolution aber vollkommen entgegen. Es wirkt so, als hätte
Boliviens Präsident, vielleicht aus einem Gefühl von Zeitmangel,
den Resolutionsentwurf nicht hinreichend kontrolliert, bevor er
eingebracht worden ist.
Der fünftletzte
Erwägungsgrund ganz unten auf de dritten Seite der Resolution stellt
besorgt fest, dass das internationale Finanzsystem („the
international financial system“) kein solides Rahmenwerk habe für
die ordnungsgemäße und vorhersagbare Umstrukturierung von
Staatsschulden. Das muss sich auf der Zunge zergehen lassen. Hier
möchte man also etwas haben, was es noch nicht gibt, und zwar für
das internationale Finanzsystem, also etwas, was vor allem den
international tätigen Banken nutzen soll, nicht den verschuldeten
Staaten und schon gar nicht deren Einwohnern. Zugunsten der
international tätigen Banken soll Vorhersagbarkeit und
Ordnungsmäßigkeit geschaffen werden. „Vorhersagbarkeit“ könnte
dabei auch in dem Sinne interpretiert werden, die Regeln des
internationalen Staateninsolvenzverfahrens auch insoweit
uneingeschränkt anzuwenden, wie diesem gegenüber Grundrechte und
Menschenrechte, weil sie rechtlich höherrangig sind, Grenzen setzen
setzen, also im Staateninsolvenzverfahren ohne Rücksicht auf
Grundrechte und Menschenrechte zu agieren, weil mit deren Anwendung
die Verpflichtung zur Festlegung eines fairen Kompromisses zwischen
Gläubigern und Einwohnern an ihrem Maßstab vorhersagbar wäre, die
Vorhersagbarkeit für einzelne Gläubigergruppen, was für sie dabei
herauskommt, aber dadurch umso geringer.
Das Rahmenwerk
bezieht sich offensichtlich auf den völkerrechtlichen Vertrag für
ein Staateninsolvenzverfahren, den zu schaffen die Resolution vom
09.09.2014 ja gerade den Auftrag gegeben hat. Und das Rahmenwerk (der
völkerrechtliche Vertrag) für das internationale
Staateninsolvenzverfahren soll dann also so beschaffen sein, dass die
Kosten der „non-compliance“ weiter erhöht werden („further
increases“). Das dürfte sich vor allem beziehen auf die sozialen
und menschlichen Kosten der Einwohner der Schuldnerländer, soweit
jeweils nicht alle Auflagen aus dem Staateninsolvenzverfahren erfüllt
werden. Die „weitere Erhöhung“ dürfte gemeint sein im Vergleich
zu den Folgen, die es heutzutage hat, wenn ein Staat seine Auflagen
beim IWF nicht vollständig erfüllt. Es könnte sich außerdem
beziehen auf die Privatisierung von Daseinsvorsorge und hoheitlichen
Einrichtungen bei Nicht-Erfüllung von Auflagen aus dem
Staateninsolvenzverfahren. Die „weitere“ Erhöhung zeigt, dass es
solche Kosten der „non-compliance“ heute schon gibt, und dass
diese auch vor der Resolution vom 09.09.2014 schon einmal erhöht
worden sind. Auf die „Geierfonds“ kann sich dieser Erwägungsgrund
kaum beziehen, denn im Vergleich zur Situation der Einwohner der
Schuldnerländer ernst zu nehmende Kosten einer „non-compliance“
gibt es für diese heute nicht.
Hinsichtlich der
„Geierfonds“, die man nun zum Anlass des Vorstoßes für ein
internationales Staateninsolvenzverfahren genommen hat, will man
natürlich, dass diese für sich keine Bevorzugung im Vergleich zu
anderen privaten Gläubigern der Staaten mehr einklagen können
(Erwägungsgrund in der Mitte der dritten Seite der Resolution). Dazu
haben Weltbank und IWF offenbar bereits einiges ausgearbeitet, wie
der gleiche Erwägungsgrund der Resolution vom 09.09.2014 erkennen
lässt.
Ein Erwägungsgrund
weiter unten erinnert an die vom IWF mit Unterstützung des
internationalen Währungs- und Finanzausschusses (welcher
Organisation ?) in 2003 ausgeführten Arbeiten zur Erstellung eines
Vorschlags für ein internationales Staateninsolvenzverfahren.
Die Resolution vom
09.09.2014 ist nicht nur eines der wichtigsten Dokumente für die
Einschätzung, was für einen Entwurf eines
Staateninsolvenzverfahrens man noch in dieser UN-Sitzungsperiode
präsentieren wird. Sie hat darüber hinaus auch eine entscheidende
rechtliche Bedeutung. Bei völkerrechtlichen Verträgen gilt, wie man
das von einfachen Gesetzen her auch kennt, grundsätzlich, dass
Vorschriften im Zweifel wörtlich auszulegen sind. Daneben gibt es
gem. Art. 31 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK) u. a. auch die
„historische“ Auslegung, also dass man sich anschaut, was in den
wichtigsten Dokumenten auf dem Weg zur Entstehung des jeweiligen
völkerrechtlichen Vertrags steht. Die Resolution vom 09.09.2014
würde erhebliche Auswirkung auf die Auslegung des Vertrags über das
internationale Staateninsolvenzverfahren haben, da genau diese
Resolution den Auftrag dazu gegeben hat.
Das Papier „A
New Approach to Sovereign Debt Restructuring“ der damaligen ersten
stellvertretenden geschäftsführen-den IWF-Direktorin Anne Krueger
aus April 2002 wollte ein Staateninsolvenzverfahren zur
Gleichbehandlung der Gläubiger untereinander mit vom IWF zu
ernennenden Insolvenzrichtern. Die Menschenrechte der Bevölkerung
der Schuldnerländer sind dabei nicht im Blick.
Der Verband
Erlassjahr will in seinem FTAP-Modell für ein weltweites
Staateninsolvenzverfahren mit drei Schlichtern pro Staat – ohne
verbindliche Verpflichtung der Schlichter auf die im jeweiligen
Schuldnerland geltenden Grund- und Menschenrechte. Wie will
Erlassjahr ohne eine solche Bindung an die Menschenrechte die nach
eigener Aussage angestrebte Sicherung der Existenzmittel von Staaten
und die Erfüllung der Uno-Milleniumsziele erreichen?
Erfahrungen
Argentiniens und Boliviens mit dem IWF
Der
Film „Raubzug des IWF in Argentinien“ von Kanal B aus dem Jahr
2002 zeigt plastisch das Verhalten des IWF in Argentinien. Bis hinein
in die 1970er vor Beginn der Militärdiktatur war Argentinien eines
der Länder Lateinamerikas mit dem höchsten Wohlstand und einer
breiten Mittelschicht. Seinen ersten IWF-Kredit nahm Argentinien
bereits eine Woche nach dem Amtsantritt der Militärdiktatur in 1976
auf. Zum Ende der Diktatur hatte das Land 30,- Milliarden $ Schulden,
davon die Hälfte vom Staat übernommene Privatschulden. 1983 bis
1989 wurden auf Druck des IWF immer mehr laufende Ausgaben gekürzt,
1989 bis 1992 alle Staatsbetriebe privatisiert. Seit der Regierung
Menem wurde auch im sozialen Bereich so stark gekürzt, dass der
Hunger begann, Jahre nach dem Ende der Diktatur. Laut dem
Journalisten Sebastian Hacher (Indymedia) verhungerten in 2002 in
Argentinien täglich etwa 100 Kinder; das entspricht 36.500,- damals
im Jahr verhungerten Kindern in Argentinien, eine hohe Zahl
insbesondere im Vergleich zu den 30.000,- von der argentinischen
Militärdiktatur insgesamt ermordeten Menschen. Und die erwachsenen
Argentinier, die der IWF verhungern ließ, sind dabei noch gar nicht
mit gezählt. Eine Demonstrantin auf dem Marsch der Arbeitslosen am
11.03.2002 schätzte die Zahl der Hungernden damals allein für den
Raum Buenos Aires auf etwa 4,- Millionen Menschen.
Die
Privatisierung hat der IWF gegenüber
Argentinien damals durchgesetzt selbst hinsichtlich der gesetzlichen
Rentenversicherung und des Zolls (Studie “Argentinien: Tangotanz
auf dem Vulkan” des Südwind-Instituts)
Der
ehemalige Weltbank-Chefökonom Joseph Stiglitz zeigt auf S. 279
seines Buchs „Chancen der Globalisierung“ (Pantheon-Verlag) am
Beispiel Argentiniens auf, dass dieses in seiner akuten Schuldenkrise
vor der Wahl stand, ob es neue IWF-Kredite aufnimmt, nur um damit
alte IWF-Kredite zu tilgen. Das Geld wäre also nur von einem
IWF-Konto auf ein anderes geflossen. Argentinien hätte aber dafür
wieder zusätzliche Auflagen vom IWF erhalten, welche die Rezession
noch verschärft hätte. Argentinien gelang es damals tatsächlich,
vom IWF einen teilweisen Schuldenerlass zu erhalten, die neuen
Auflagen des IWF abzulehnen, im Gegenzug zur Rückzahlung seiner
restlichen Schulden an den IWF. Der IWF hatte Argentinien zuvor schon
zur Privatisierung seiner gesetzlichen Rentenversicherung und zur
Erhöhung der Preise für Wasser und Strom gezwungen (S. 278).
Argentinien
hatte die Erfahrung gemacht, dass der IWF den Staatsbankrott des
Landes absichtlich in die Länge zog, um vorher noch möglichst viele
Auflagen durchsetzen zu können (S. 281):
„Sobald
sich Argentinien auf eine bestimmte Forderung einließ, stellte der
IWF neue Forderungen, um Argentiniens Agonie in die Länge zu ziehen
und die Einstellung des Schuldendienstes so kostspielig wie möglich
zu machen.“
In
Bolivien gab es 1985 Unruhen auf Grund von Kürzungen von Nahrungs-
und Treibstoffsubventionen nach entsprechenden IWF-Auflagen
(Abschnitt
“50 Jahre Bretton Woods” in Uwe Hoerings Werk “Zum Beispiel IWF
& Weltbank”, Süd-Nord Lamuv-Verlag). Außredem sorgte in
Bolivien die vom IWF durchgesetzte Handelsliberalisierung zusammen
mit Hilfslieferungen für einen Rückgang der
Nahrungsmittelerzeugerpreise von 1985 bis 1988 um 25,9 % (S. 232,
„The Globalization of Poverty and the New World Order“, Prof. Dr.
Michel Chossudovsky), was vor allem die bäuerliche Landwirtschaft
getroffen haben dürfte. Laut Prof. Dr. Chossudovsky gab es 1985 in
Bolivien auch einen Ausnahmezustand zur Durchsetzung der
IWF-Auflagen.
Warum
in aller Welt fordern dann Bolivien, Argentinien und 122 weitere
Staaten ein Staateninsolvenzverfahren mit Einbindung von IWF,
Weltbank und privaten Gläubigern ?
Weitere Erfahrungen
mit IWF und Weltbank
Der
ehemalige IWF-Mitarbeiter Davison Budhoo, der 12 Jahre lang für den
IWF tätig gewesen war, darunter als „Resident Representative des
IWF gegenüber Guayana, hat im Jahr 1991 angegeben, dass UNICEF
herausgefunden habe, dass seit 1982 die Auflagen von IWF und Weltbank
den Tod von bis zu 7 Millionen Kinder im Alter von unter 5 Jahren
verursacht haben, was UNICEF als „gewaltigen Frevel gegen einen
großen Teil der Menschheit“ bezeichnet habe (Vorwort von Davison
Budhoo auf S. 12 der deutschen Fassung seines Werks „Genug ist
Genug“, 1991, in deutscher Sprache veröffentlicht über
Heinrich-Böll-Stiftung).
Das
sind gewaltige Zahlen, vor allem, wenn man obendrein bedenkt, dass
die meisten Menschen älter als 5 Jahre sind. Wieviele mögen es wohl
insgessamt gewesen sein in der Zeit? Leider ist Budhoo 2001
verstorben, sodass man ihn nicht mehr zur Fundstelle dieser Zahl oder
deren Berechnung befragen kann.
Wie
durch IWF und Weltbank Hunger und fehlende medizinische Versorgung
geschaffen wurde, findet sich u. a. in Prof. Dr. Michel Chossudovskys
Werk „The Globalization of Poverty and the New World
Order“(veröffentlicht unter Global Research) und in der
UNICEF-Veröffentlichung „Adjustment with a Human Face“.
Darunter
sind z. B. die Schaffung von Hunger durch Auflagen zur Schädigung
der bäuerlichen Landwirtschaft oder künstlicher Währungsabwertung
zur Erhöhung der Lebensmittelpreise in Äthiopien, Bangla Desh,
Indien, Peru, Ruanda, Russland, Somalia und Vietnam.
Große
Schäden des Gesundheitssystems durch Sparauflagen von IWF bzw.
Weltbank berichtet Prof. Dr. Chossudovsky aus Albanien, Bangla Desh,
Brasilien, Peru, Ruanda, Somalia und Vietnam.
Der
damalige Uno-Sonderberichterstatter für das universelle
Menschenrecht auf Nahrung (Art. 11 Uno-Sozialpakt), Prof. Dr. Jean
Ziegler, hat in Nr. 69c seines Berichts vom 07.02.2001
(E/CN.4/2001/53) festgestellt, dass die Kreditauflagen von IWF und
Weltbank weltweit der zweitgrößte Grund für den Hunger in der Welt
sind, noch mehr als Biotechnologie und Kriege.
Wenn
Budhoos Schätzung zutrifft, dann haben IWF und Weltbank zusammen
noch mehr Menschen auf dem Gewissen, als die Nationalsozialisten
Juden ermordet haben, oder als unter belgischer Kolonialherrschaft
Kongolesen getötet worden sind – wenngleich auch die subjektiven
Inhalte bei rassistisch motivierten Massenverbrechen noch
vorsätzlicher sind und so die Tatbestandsmerkmale sogar des
Völkermords (Art. 6 Römisches Statut) erfüllen, die Auferlegung
von maßlosen Sparmaßnahmen, bei denen die Massenvernichtung NICHT
das eigentliche Ziel ist, sondern z. B. die Absicherung oder
Ermächtigung des Finanzsektors, kann immer noch ein Verbrechen gegen
die Menschlichkeit (Art. 7 Römisches Statut) sein. Heute haben
Deutsche und Belgier ihre historische Verantwortung gegenüber den
Juden bzw. den Kongolesen einigermaßen aufgearbeitet. Dann sollte
das doch auch bzgl. IWF und Weltbank möglich sein.
Und
solchen Institutionen und zusätzlich noch privaten Gläubigern will
man eine wichtige Rolle bei einem internationalen
Staateninsolvenzverfahren geben, anstatt erst einmal zuvor deren
bisherige Geschichte rechtlich aufzuarbeiten? Wer von den Politikern,
die das beschlossen haben, hat die Resolution vom 09.09.2014 vorher
gelesen?
Das
Staateninsolvenzverfahren des ESM
Für die Staaten, deren
Währung der Euro ist, gibt es bereits ein
Staateninsolvenzverfahren. Auch das ist von erheblicher Bedeutung für
die Prognose, wie der Entwurf für ein internationales aussehen
könnte. Der ESM-Vertrag hat den ESM als eine neue völkerrechtliche
Organisation gegründet. Anders als bei seinen Vorgängern
„Griechenland-Hilfe“, EFSM und EFSF sind beim ESM Finanzhilfen
nicht nur mit strengen Auflagen verbunden, sondern es gibt sie nur
nach einer rigorosen Schuldentragfähigkeitsanalyse (Art. 13
ESM-Vertrag). Schuldentragfähigkeit misst man im EU-Recht an den
Haushalten von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung
(Protokoll Nr. 12 zu EUV und AEUV) und beim IWF (wie auch in den
Schlussfolgerungen zum EU-Gipfel vom 24./25.03.2011 erläutert)
daran, ob der jeweilige Staat mit dem vorhandenen Schuldenstand dem
Schuldendienst nachkommen kann ohne unrealistisch große Änderungen
an seinen Einnahmen und Ausgaben. Staaten, welche diese rigorose
Schuldentragfähigkeitsanalyse nicht bestehen, bekommen nicht etwa
direkt einen teilweisen Schuldenerlass, wie dies noch 2012 gegenüber
Griechenland (über die EFSF) gewährt wurde, sondern werden ins
Staateninsolvenzverfahren des ESM gezwungen. Art. 12 Abs. 3
ESM-Vertrag verpflichtet hierfür alle EU-Mitgliedsstaaten,
sämtlichen ab dem 01.01.2013 begebenen Staatsanleihen kollektive
Aktionsklauseln, also Zusatzbedingungen für den Fall eines
Staatsbankrotts, beizufügen. Die Vorschriften für den Ablauf des
Staateninsolvenzverfahrens hat man jeweils auf nationaler Ebene in
Begleitgesetze zum ESM-Vertrag eingefügt, so hat man in Zypern dafür
in das dortige Bundesschuldenwesengesetz eine entsprechende
Verordnungsermächtigung eingefügt. In Deutschland hat das Gesetz
zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes (Drucksache 17/9049)
§§4a bis 4k in das BSchuWG eingefügt. Darunter sind die
Vorschriften zu Staateninsolvenzantrag, Staateninsolvenzeröffnung
und zur Einberufung der Versammlung der privaten Gläubiger in §4e
geregelt, die zur Staateninsolvenztabelle in §4c. Nach §4b kann die
Versammlung der privaten Gläubiger die Änderung der Bedingungen der
deutschen Staatsanleihen beschließen. Damit kann dann die
Versammlung der privaten Gläubiger bei einer deutschen
Staatsinsolvenz (statt der Troika) Auflagen für Deutschland machen im
Gegenzug zu Schuldenerleichterungen. Es geht beim
Staateninsolvenzverfahren des ESM darum, den Staaten der Eurozone aus
Sicht des ESM-Rechts jeglichen souverän bewältigten Staatsbankrott
zu untersagen, und sie stattdessen Auflagen der Versammlung der
privaten Gläubiger zu unterwerfen.
uninformierte
Zustimmung der deutschen Bundestagsabgeordneten.zum
Staateninsolvenzverfahren des ESM
Die
deutschen Bundestagsabgeordneten wurden bei ihrer Zustimmung zum ESM
und zu dessen Staateninsolvenzverfahren offensichtlich mehrheitlich
irre geführt. Die Veröffentlichung des Bundestags
zur Debatte vom 18.06.2012 (Drucksache 17/10031) beweist, dass die
Mehrheit der Bundestagsabgeordneten damals gegen einen Antrag der
Grünen (unterstützt von einem Teil von SPD und Linken) vom
13.06.2012 gewesen sind, „die
Bundesregierung aufzufordern, sich national, auf Ebene der
Europäischen Union, der G20, außerhalb der G20, der Vereinten
Nationen und der United Nations Conference on Trade and Development
(UNCTAD) für die Einführung eines transparenten und unabhängigen
Staateninsolvenzverfahrens einzusetzen.“
Die
Fraktionen von CDU, CSU und FDP haben sich eher skeptisch geäußert,
und der Rechtsausschuss, der Haushaltsausschuss, der Wirtschafts-
und Technologieausschuss, der Entwicklungausschuss sowie der
Europaausschuss haben jeweils mehrheitlich empfohlen gehabt, den
grünen Antrag für ein Staateninsolvenzverfahren abzulehnen. Die
SPD-Fraktion hat damals geäußert, eine Neuverhandlung des ESM sei
unnötig, denn es „solle ein Insolvenzmechanismus
implementiert werden, sobald er verhandelt sei.“ Die
Bundesregierung wird u. a. zitiert, die Aufnahme eines
Insolvenzmechanismus für die Eurozone in den gerade unterzeichneten
ESM-Vertrag werde abgelehnt. Sie setze sich ferner für kollektive
Aktionsklauseln „zur Lösung von Verschuldungssituationen unter
Einbeziehung der Gläubiger nicht nur in einem europäischen, sondern
in einem internationalen Rahmen“ ein. Die Mehrheit der
Bundestagsabgeordneten ist also ausweislich Drucksache 17/10031
nicht darüber informiert worden, dass Art. 12 Abs. 3 ESM, kollektive
Aktions-klauseln und die Änderung des BSchuWG die Vorschriften zum
Staateninsolvenzverfahren der Eurozone enthalten. Dabei hat die
Bundesregierung an der Entwicklung des Staateninsolvenzverfahrens des
ESM mitgearbeitet (Spiegel-Artikel
„Bundesregierung entwickelt Verfahren für geordnete
Staateninsolvenz“ vom 10.07.2010, Süddeutsche-Artikel „Spiegel:
Regierung plant Insolvenzplan für Staaten“ vom 10.07.2010,
Reuters-Artikel „Magazin: Insolvenz-verfahren für Pleite-Staaten
erarbeitet“ vom 10.07.2010), und die Bedeutung der kollektiven
Aktionsklauseln ebenso wie die vorgesehene Mitentscheidung der
privaten Gläubiger über die Schuldenumstrukturierung müssen ihr
bereits aus der Stellungnahme der Eurogruppe vom 28.11.2010 bekannt
gewesen sein. Obwohl sie es ausweislich Bundestags-drucksache
17/10031 vom 18.06.2012 damals nicht gewollt hat, hat eine
Mehrheit der Bundestagsabgeordneten am 29.06.2012 durch das
Zustimmungsgesetz zum ESM und das Gesetz zur Änderung des BSchuwG
der Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens zugestimmt.
Wie
mag das wohl im Vergleich dazu am 09.09.2014 in der
Uno-Vollversammlung gelaufen sein ?
Vorstellungen
des BDI zu Staateninsolvenz und Privatisierung durch den ESM
Das
BDI-Papier „Ein neuer Vertrag für den Euro – 12 Thesen aus einer
industriellen Perspektive“ vom 07.09.2011 hat einen ESM
(„europäischen Fiskalfonds“) mit Staateninsolvenzverfahren
verlangt. These Nr. 6 des Papiers verlangt Sicherheiten für die
Staatsanleihen, These 7 ein Staateninsolvenzverfahren mit einer
Schuldentragfähigkeitsanalyse pro Kreditrate und einer Vermutung der
Staateninsolvenz ab 3 Jahren Bedarf an Finanzhilfe durch den ESM.
Laut
dem Artikel „Deutsche Industrie fordert Zwangsvollstreckung für
Schuldenstaaten“ der Deutschen Wirtschafts-nachrichten vom
18.08.2013 hat es der BDI-Geschäftsführer Markus Kerber als „seine
Idee“ vorgeschlagen, da Privatisierungen oft so langsam
erfolgten, „nationales Staatsvermögen“ auf den ESM zu übertragen
und diesen dadurch zu einem „Euro-Schatzamt“ zu machen. Dann
könnte man nach seinem Vorschlag „schuldrechtliche Ansprüche
dagegen verrechnen“. Laut Herrn Kerber gibt es „Staatsvermögen“
„in allen Not leidenden Staaten im dreistelligen
Milliarden-bereich“.
Der
BDI hat sich hier weit in die Karten schauen lassen. Das Lobbying von
Großbanken und von deren Think Tanks dürfte im Vergleich dazu noch
um einiges einflußreicher gewesen sein.
Vielleicht will man
beim Vertrag zum internationalen Staateninsolvenzverfahren den
gleichen Weg gehen. Kollektive Aktionsklauseln, die allen neuen
Staatsanleihen beizufügen sind, wird man vermutlich auch für ein
globales Staateninsolvenzverfahren vorschreiben wollen, damit nicht
nur der betroffene Schuldnerstaat, sondern auch alle Gläubiger an
die Entscheidungen im Staateninsolvenzverfahren gebunden werden. Es
fragt sich nur, ob man auch für das internationale
Staateninsolvenzverfahren Sicherheiten des jeweiligen Staates
vorschreiben will, um im Staateninsolvenzverfahren die Privatisierung
von Daseinsvorsorge und hoheitlichen Einrichtungen weltweit schneller
durchzusetzen.
Strenge,
Sozialkahlschlag, Privatisierung von Daseinsvorsorge und Hoheitlichem
– alles für die Finanzstabilität des Finanzsektors
Die
Auflagen zu Lasten der Einwohner sind bei den europäischen
Mechanismen des Europäischen Finanzierungsmechanismus
(„Griechenland-Hilfe“, EFSM, EFSF und ESM) und der
EU-Wirtschaftsregierung (verschärfter Stabilitäts- und
Wachstumspakt, Ungleichgewichtsverfahren und Haushaltsmäßige
Überwachung) darauf verpflichtet, „streng“ zu sein (Art. 3
ESM-Vertrag, Art. 136 Abs. 3 S. 2 AEUV, Erwägungsgrund 3 i. V. m.
Art. 6 EU-Verordnung 2011/385 (COD)). Gemeint ist damit streng wie
gegenüber Griechenland (Präambel EFSF-Rahmenvertrag), „sehr
streng“ (Nr. 49 Bericht der Task Force vom 21.10.2010) und wie in
der „Praxis“ des IWF (Schlussfolgerungen des Ecofin-Rats vom
09.05.2010 (Az. SN 2564/1/10), Stellungnahme der Euro- gruppe vom
28.11.2010). Sinn dieser völkerrechtlichen Verpflichtung auf eine
Strenge wie beim IWF ist die Absicherung der „Finanzstabilität“
des Finanzsektors, wofür die „Stabilität des Euro-Währungsgebiets
als Ganzes“ (Art. 136 Abs. 3 S. 1 AEUV) oder „Euro-Rettung“ nur
eine Metapher ist (siehe Erwägungsgründe vom 16./17.12.2010 zur
Initiierung von Art. 136 Abs. 3 AEUV, Schlussfolgerungen des
EU-Gipfels vom 24./25.03. 2011, Stellungnahme der Eurogruppe vom
28.11.2010 sowie die ständige Verwendung des Begriffs
„Finanzstabilität“ in den Länderbeurteilungen des IWF). Ohne
diese Irreführung wären die insgesamt vierstelligen
Milliardenbeträge zusätzlich zu denen für die offiziellen
nationalen Bankenrettungsinstitutionen kaum bewilligt worden. Und
dafür will man „streng“, d. h. weitestgehend ohne Rücksicht auf
jegliche Grund- und Menschenrechte (incl. Würde, Eigentum und
Gleichheitsgrundsatz) die Sozialleistungen reduzieren sowie die
Daseinsvorsorge und fast die gesamten hoheitlichen Tätigkeiten (bis
auf eine Fassade aus Regierung und Parlament) des Staates funktionell
privatisieren. Dass die Strenge im Staateninsolvenzverfahren auf den
totalen Ausverkauf des Schuldnerstaates gerichtet ist, zeigt auch der
Abschnitt „Fairness“ in den Schlussfolgerungen des EU-Gipfels vom
24./25.03.2011, wonach ein auch nur teilweiser Erlass des Nennbetrags
der Schulden überhaupt erst in Betracht kommt, wenn keine anderen
Maßnahmen mehr verbleiben, von denen die Erreichung der erwarteten
Ergebnisse anzunehmen ist.
Und
angesichts Hunderter von Milliarden allein aus Deutschland für
Soffin, „Griechenland-Hilfe“, EFSM, EFSF und ESM ist damit zu
rechnen, dass immer mehr Staaten einschließlich Deutschland ins
Staateninsolvenzverfahren des ESM geraten.
Die
Involvierung von IWF, Weltbank und privaten Gläubigern ins
internationale Staateninsolvenzverfahren hat die Resolution vom
09.09.2014 bereits gefordert. Auch die Ausrichtung des
Staateninsolvenzverfahrens am Interesse der Banken an mehr
Ordnungsmäßigkeit und Vorhersagbarkeit (aus deren Perspektive)
sowie nach mehr Strenge (Erhöhung der Kosten der „non-compliance“)
auf Kosten der Schuldnerstaaten und deren Einwohner sind in der
Resolution vom 09.09.2014 bereits enthalten.
Das
sind gewichtige Indizien dafür, dass der Inhalt des Vertragsentwurfs
für das internationale Staateninsolvenzverfahren ähnlich wie der
ESM-Vertrag werden wird.
Weitere
Vorstöße zur Privatisierung der Daseinsvorsorge und des
Hoheitlichen
Der
Lissabon-Vertrag fügte ins EU-Primärrecht die Verpflichtung der
EU-Mitgliedsstaaten zur funktionellen Privatisierung (Vergabe) der
Daseinsvorsorge („Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem
Interesse“, Art. 14 AEUV) und der hoheitlichen Tätigkeiten
(„nichtwirtschaftliche Dienste von allgemeinem Interesse“, Art. 2
von Protokoll 26 zu EUV und AEUV) ein. Die Zustimmung zum
Lissabonvertrag ließ das deutsche Bundesverfassungsgericht im
Lissabonurteil vom 30.06.2009 nur mit zahlreichen Maßgaben zu,
darunter der Schutz des zivilen, polizeilichen und militärischen
Gewaltmonopols (Rn. 249, 251 und 252 Lissabonurteil), also die
Untersagung der Privatisierung hoheitlicher Tätig- keiten.
Der
geplante transatlantische Handelsvertrag TTIP hat hinsichtlich der
Staateninsolvenz eine mehrfache Funktion. Die
Investitionsschutzklauseln, wonach private Schlichter über
Schadensersatz aus staatlichen Mitteln für nicht erfüllte
Gewinnerwartungen entscheiden sollen, erhöhen das Risiko eines
Staatsbankrotts (und damit aus Sicht des ESM-Rechts der
Staateninsolvenz) deutlich weiter. Darüber hinaus zielt das
Verhandlungsmandat der EU-Kommission für TTIP darauf, alle
europäisch geöffneten Dienstleistungsbereiche dann auch
transatlantisch zu öffnen (siehe v. a. Tz. 19 des
Verhandlungsmandats).
Auch
beim Handelsabkommen TISA will man die Dienstleistungen weiter
kommerzialisieren, wobei zu untersuchen bleibt, inwieweit TISA dabei
auch die Daseinsvorsorge und die hoheitlichen Aufgaben umfassen soll.
Alle
Banken sind ersetzbar.
Die
heutige Form der Giralgeldschöpfung erfolgt im Zeitpunkt der
Kreditgewährung durch die Bank mit der Buchung „Forderung (an den
Kunden auf Rückzahlung) an Verbindlichkeit (an den Kunden auf
Auszahlung)“. Das Giralgeld, welches nichts anderes ist als die bei
dieser Buchung entstandene Verbindlichkeit der Bank, wird also aus
dem Nichts geschaffen, und es verschwindet wieder durch Rückzahlung
der Kredite. Die Zinsansprüche der Banken hingegen wer- den an
Ertrag gebucht ohne Erhöhung der Giralgeldmenge, können also nur
durch reale Güter und Dienstleistungen er- wirtschaftet werden. der Zur heutigen FormGiralgeldschöpfung siehe Nr. 1 des Papiers „Information Money and the End of Global Debt“ von Prof. Dr. Franz Hörmann (Wirtschaftsuniversität Wien).
Die
Giralgeldschöpfung aus dem Nichts zeigt, dass im Sinne der
Kreditversorgung jede Bank ersetzbar ist, und es keine systemischen
Banken gibt. Die ganze Bankenrettung (Soffin, „Griechenland-Hilfe“,
EFSM, EFSF, ESM) mitsamt Aushebelung von Grund- und Menschenrechten
(der sozialen Rechte ebenso wie auch des Rechts der Bevölkerung auf
Eigentum) über die Strenge und mitsamt Ausverkauf von
Daseinsvorsorge und fast allen hoheitlichen Institutionen ist
volkswirtschaftlich vollkommen unnötig und sollte mit allen dafür
zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln gestoppt werden,
bevor die Gläubiger der Staaten auch noch die reale Kontrolle über
Daseinsvorsorge, Behörden, Gerichte, Polizei und Militär
übernehmen.
Die
Absicherung von Sparkonten oder betrieblichen Girokonten bis zu einem
bestimmten Betrag wäre viel preiswerter. Dafür muss man keine
Banken retten. Und
wenn Banken zu groß werden, dann müssen wir nur die pro Jahr
erlaubte Geldschöpfung pro Bank gesetzlich deckeln, damit sie sich
freiwillig selbst entflechten.
Die NWO
Die
Schaffung eines solchen Staateninsolvenzverfahrens würde
hauptsächlich die politische Macht der großen privaten Gläubigern
der Staaten und des IWF stärken, die noch mehr und härtere
politische Auflagen machen könnten, und noch billiger und mehr
Daseinsvorsorge und hoheitliche Einrichtungen kaufen könnten. Es
geht darum, den Staaten die Kontrolle über ihre hoheitlichen
Institutionen zu entwinden, so gut wie nur noch Regierung und
Parlament als Fassade stehen zu lassen, welche die Staaten noch mit
eigenem Personal betreiben. Alles andere, vom Sozialamt bis zu den
Gerichten, der Polizei und der Armee würde in private Händer
übergehen. Es geht nach meiner Überzeugung bei der „Neuen
Weltordnung“ (NWO) nicht etwa um die Weltherrschaft der USA, die
benutzt man nur, solange man sie noch zu glauben braucht. Wenn
die reichsten Konzerne und Einzelpersonen in großem Umfang
hoheitliche Einrichtungen erwerben, dann brauchen sie sich nur noch
zu einem oder mehreren großen Kartellen zusammenschließen, und
schon haben wir eine weltweite NWO als leicht verdeckte
Konzernherrschaft. Und die Staaten haben dann keine Armeen, Polizei
und Gerichte mehr, um sich dagegen zu wehren. Selbst wenn es dann
eine ganze Reihe konkurrierender Kartelle werden sollten und nicht
eine Weltjunta, hätte sich doch die NWO als weltweite Art der
Herrschaftsordnung durchgesetzt.
Fazit:
Eine menschenwürdige
und rechtsstaatliche Bewältigung von Staatsbankrotten gelingt nur
souverän am Maßstab der im Schuldnerland geltenden Grund- und
Menschenrechte. Man sollte sich besser gesichtswahrend darauf
einigen, das weltweit zu respektieren – statt eines weltweiten
Staateninsolvenzverfahrens, welches nach und nach alle Staaten zu
Fassaden einer realen Konzernaristokratie machen würde. In 2015
dürfte es sich entscheiden.
V.i.S.d.P.:
Volker
Reusing, Thorner Str. 7, 42283 Wuppertal
einige
Fundstellen:
Artikel
von Amerika 21 zu „Geierfonds“ und Argentinien:
was
die Entwicklungsländer am 09.09.2014 gewollt haben
was
sie am 09.09.2014 stattdessen beschlossen haben
IWF-Papier
„A New Approach to Sovereign Debt Restructuring“ (April 2002)
www.imf.org/external/pubs/ft/exrp/sdrm/eng/sdrm.pdf
Amerika21
– Arikel „Evo Morales: IWF soll Völker entschädigen“ vom
16.02.2014
neue
Verfassung Boliviens
Studie
“Argentinien: Tangotanz auf dem Vulkan” des Südwind-Instituts)
Stellungnahme
der Eurogruppe vom 28.11.2010:
Schlussfolgerungen
des Gipfels vom 24./25.03.2011:
BDI-Papier
„Ein neuer Vertrag für den Euro – 12 Thesen aus einer
industriellen Perspektive“
Artikel
„Deutsche Industrie fordert Zwangsvollstreckung für
Schuldenstaaten“ der Deutschen Wirtschaftsnachrichten vom
18.08.2013.
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/08/18/deutsche-industrie-fordert-zwangsvollstreckung-fuer-schulden-staaten/
TTIP-Verhandlungsmandat
der EU-Kommission (Stand 17.06.2013):
„Information Money and the End of Global Debt“, Prof. Dr. Franz Hörmann (Wirtschaftsuniversität Wien)
Bericht
von Prof. Dr. Jean Ziegler vom 07.02.2001 (E/CN.4/2001/53)
Die Lösung ist total einfach!
AntwortenLöschenAlle Staatsschulden werden in Guthaben umgewandelt, danach wird das Geldmonopol wieder vom nationalen Schatzamt verwaltet.
Geld wird danach nur noch Anleihe auf GELEISTETE Arbeit sein.
Siehe Dipl. Ing. Gottfried Feder „Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft“
Was ist die "Finanzkrise"?
AntwortenLöschen"Der Sparer erzeugt mehr Ware, als er selbst kauft, und der Überschuss wird von den Unternehmern mit dem Geld der Sparkassen gekauft und zu neuen Realkapitalien verarbeitet. Aber die Sparer geben das Geld nicht her ohne Zins, und die Unternehmer können keinen Zins bezahlen, wenn das, was sie bauen, nicht wenigstens den gleichen Zins einbringt, den die Sparer fordern. Wird aber eine Zeitlang an der Vermehrung der Häuser, Werkstätten, Schiffe usw. gearbeitet, so fällt naturgemäß der Zins dieser Dinge. Dann können die Unternehmer den von den Sparern geforderten Zins nicht zahlen. Das Geld bleibt in den Sparkassen liegen, und da gerade mit diesem Geld die Warenüberschüsse der Sparer gekauft werden, so fehlt für diese jetzt der Absatz, und die Preise gehen zurück. Die Krise ist da."
Silvio Gesell ("Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld", 1916)
Zwanzig Jahre später bezeichnete der "Jahrhundertökonom" John Maynard Keynes in seiner "Allgemeinen Theorie (der Beschäftigung der Politik)" dieses Phänomen, das sich zwangsläufig aus der Verwendung von hortbarem Geld mit Wertaufbewahrungs(un)funktion (Zinsgeld) ergibt, als "Liquiditätsfalle" – und beschrieb zwei Mittel, um sie hinauszuzögern: Erhöhung der Staatsverschuldung mit Ausgabe des Geldes für Projekte, die den Zinsfuß nicht senken (Löcher graben und wieder zuschaufeln, Kriegsrüstung, etc.), und Geldmengenausweitung.
Um aus der Liquiditätsfalle herauszukommen, gibt es bei der weiteren Verwendung von Zinsgeld nur eine Möglichkeit: Eine umfassende Sachkapitalzerstörung muss den Zinsfuß anheben. Diese früher sehr beliebte "Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" konnte jedoch nur solange der "Vater aller Dinge" sein, wie es noch keine Atomwaffen gab!
Was ist Politik?
"Im Grunde ist Politik nichts anderes als der Kampf zwischen den Zinsbeziehern, den Nutznießern des Geld- und Bodenmonopols, einerseits und den Werktätigen, die den Zins bezahlen müssen, andererseits."
Otto Valentin ("Warum alle bisherige Politik versagen musste", 1949)
Was nun?
"Ich finde die Zivilisation ist eine gute Idee. Nur sollte endlich mal jemand anfangen, sie auszuprobieren."
Sir Arthur Charles Clarke (1917 - 2008)
Der längst überfällige, eigentliche Beginn der menschlichen Zivilisation setzt die Überwindung der Religion voraus, die den Kulturmenschen "wahnsinnig genug" für ein darum bis heute fehlerhaftes Geld machte, lange bevor diese seitdem grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung wissenschaftlich erforscht war:
Einführung in die Wahrheit