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Freitag, 1. Dezember 2017

David Banks (Veterans for Britain) zur EU-Armee und PESCO

Unser Politikblog | 01.12.2017

Am 13.11.2017 haben die Außen- und Verteidigungsminister der von 23 der 28 EU-Mitgliedsnationen eine Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (Art. 42 Abs. 6 EUV, Art. 46 EUV, Protokoll 10 zu EUV und AEUV) beschlossen (ohne Dänemark, Großbritannien, Irland, Malta und Portugal), abgekürzt SSZ oder PESCO.
Es geht dabei derzeit u. a. um (Anhang II) eine jährliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben (Nr. 1), um die Erhöhung des Anteils der Investitionen an den nationalen Verteidigungshaushalten auf 20% (Nr. 2), um mehr gemeinsame Beschaffungen (Nr. 3), um die Harmonisierung der Entwicklung neuer militärischer Fähigkeiten zwischen den PESCO-Teilnahmern (Nr. 9), um die verstärkte Nutzung existierender gemeinsamer militärischer Strukturen der EU (Nr. 13) und um Interoperabilität mit der NATO (Nr. 13). Die Verlautbarung sieht PESCO auch als eine Stärkung der europäischen Säule der NATO und als eine Stärkung der NATO (Anhang I Abs. 2+3).
Die Einführung einer „gemeinsamen Verteidigung“ der EU erfordert gem. Art. 42 Abs. 2 Unterabs. 1 EUV zuvor einen entsprechenden Beschluss des Europäischen Rats (des Gremiums auf EU-Ebene der Regierungschefs der Mitgliedsstaaten) sowie die Zustimmung der nationalen Parlamente. Das Lissabon-Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 30.06.2009 (siehe vor allem Rn. 389+390) hat entschieden, dass die EU vor Durchführung dieser Schritte kein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit i. S. v. Art. 24 Abs. 2 GG ist, fasst also den Begriff „gemeinsame Verteidigung“ sowohl die Schaffung einer EU-Armee als auch die Gültigmachung der EU-Bündnisfallklausel (Art. 42 Abs. 7 EUV). Der EU-Ministerrat hingegen ist, wie aus der Verlautbarung zu PESCO ersichtlich, der Auffassung, dass die EU-Bündnisfallklausel (Art. 42 Abs. 7 EUV) längst gültig sei (Erwägungsgrund 13 der Präambel), dass erst für die Schaffung einer EU-Armee das in Art. 42 Abs. 2 Unterabs. 1 EUV festgelegte Verfahren erforderlich sei (Anhang I Abs. 3), und dass PESCO ein beträchtlicher Schritt in Richtung einer EU-Armee sei. Am 17.11.2015 hatten die Verteidigungsminister im EU-Ministerrat als Reaktion auf den Isis-Terror in Paris die EU-Bündnisfallklausel erstmals angewandt (Az. 14120/15) und dabei u. a. das Lissabon-Urteil ignoriert.

Die Veterans for Britain sind ein von britischen Offizieren gegründeter Verband, der sich für den britischen EU-Austritt (Brexit) engagiert.


Volker Reusing hat für Unser Politikblog David Banks (Head of Communications der Veterans for Britain) zur möglichen Schaffung einer EU-Armee interviewt. Es geht in dabei auch um den Brexit, um die Auswirkungen auf die NATO und um das Spannungsfeld zwischen zwischen dem Ranganspruch des EU-Rechts (Art. 1 EUV, Art. 51 EUV, Erklärung 17 zu EUV und AEUV) und den EU-Vorschriften für Kampfeinsätze in aller Welt (Art. 42 Abs. 5 EUV, Art. 43 Abs. 1 EUV) auf der einen und dem Ranganspruch der Uno-Charta (Art. 103) und deren Angriffskriegsverbot (Art. 2 Abs. 4) auf der anderen Seite. Außerdem wird beleuchtet, ob PESCO und EU-Armee als Schritte zur Schaffung eines Staates EU zu sehen sind, und ab welchem Schritt die Zustimmungen der nationalen Parlamente erforderlich ist. Des weiteren geht es darum, wie die künftige britische Sicherheitspolitik ohne die EU aussehen könnte.

Das Interview ist in englischer Sprache. Daher findet sich hier auf dem Blog am Ende dieses Artikels eine deutsche Übersetzung.

Siehe auch das Thema EU-Armee im Kontext der Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vor den Diplomaten das Interview von Unser Politikblog mit Niki Vogt.




Links:

Niki Vogt

Wikipedia zu PESCO

deutsches Bundesverteidigungsministerium zu PESCO

offizielle Bekanntmachung der Hohen Repräsentantin der EU für Außenpolitik und des EU-Ministerrats zu PESCO

Webseite der Veterans for Britain

Kritik der Veterans for Britain an der EU-“Verteidigungsunion“







Deutsche Übersetzung des Interviews

Volker Reusing
Es ist der 14. November 2017. Dies ist die Sendung „Macht und Menschenrechte“ auf Unser Politikblog. Mein Name ist Volker Reusing. Heute spreche ich mit David Banks; er ist Head of Communications bei den Veterans for Britain, und wir werden über die EU-Armee sprechen. Guten Abend, Herr Banks. Danke, dass Sie sich für uns Zeit nehmen.

David Banks
Guten Abend. Es ist mir eine Freude, mit Ihnen zu sprechen.

Volker Reusing
Herr Banks, was ist Ihre Position zu einer EU-Armee?

David Banks
Nun, unsere Position ist etwas kompliziert, wenn wir diese Frage in ihrer Gesamtheit verstehen, aus den folgenden Gründen. Wir nennen es nicht „EU-Armee“, wir bezeichnen es als „EU-Verteidigungsunion“. Dabei sind wir uns vollkommen bewusst, dass „Verteidigungsunion“ und all die anderen Namen, welche man diesem Thema gibt, ein Vorläufer ist zu einer konkreteren eu-geführten militärischen Struktur. Dies ist also ein Gehstein auf dem Weg zu einer EU-Armee, aber womit wir uns im Moment beschäftigen, sind „Militärunion“ und „Verteidigungsunion“. Und unsere Position dazu ist, dass wir wollen, dass das Vereinigte Königreich kein Teil davon ist. Und wir sind in einem gewissen Maß dagegen und vor allem nicht befürwortend, dass die Europäische Union damit voran schreitet, einfach weil wir es als eine Duplizierung von dem sehen, was bereits in der NATO existiert. Es gibt einige weitere Themen, Probleme und Kritiken, welche wir haben incl. hinsichtlich der eher undemokratischen Art und Weise, wie es getan wird . Ich bin sicher, wir werden dazu später noch kommen.

Volker Reusing
Was denken Sie, wird die EU den Brexit nutzen, um die EU-Armee zu schaffen ohne eine britische Möglichkeit, dazu mit „Nein“ zu stimmen?

David Banks
Nun, in der Realität, die Wahrheit – obwohl sie den Brexit als eine Ausrede benutzen, ist dies in der Planung seit 2014, seit mehr als zwei Jahren. Ihre jetziger Vorwände für die „Militärunion“ sind Brexit, Donald Trump und Russland. Nun, wir haben keinen Zweifel, dass das Verhalten Russlands und die russische Invasion in die Ukraine für die europäische Sicherheit extrem abträglich sind, und das ist etwas, dessen wir uns im Westen alle kollektiv zumindest bewusst sein sollten. Und wir müssen Entschlossenheit zeigen im Westen gegen diese Art von Aktivität. Den Weg, dies zu tun sehen wir über die NATO. Aber zurück zu Ihrer ursprünglichen Frage: Nutzt die EU den Brexit? Nun, sie tun dies in der Kommunikation, im Propagandakampf zur Rechtfertigung der EU-Armee. Aber in aktuellen Tatsachen, ist dies geplant gewesen von Herrn Barnier, von Herrn Juncker und von Frau Morgherini schon vor der Brexit-Abstimmung und tatsächlich auch schon vor den allgemeinen Wahlen 2015 im Vereinigten Königreich, welche vor der Brexit-Abstimmung stattgefunden haben.

Volker Reusing
Hat die EU vor, die britische Armee an eine EU-Armee zu binden trotz des Brexit?

David Banks
Es ist auffallend, dass die Europäische Union versucht, das Vereinigte Königreich zur Teilnahme zu ermutigen. Und dies erfolgt nicht auf die üblichen demokratischen Weisen, denn sie ermutigen britische Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes, unsere Einwilligung zu geben zur Erhöhung und Verbreiterung von Vereinbarungen mit Relevanz für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik, für Verteidigungsausgaben, für Geheimdienst, für Weltraum und für eine ganze Reihe von Auswirkungen. Das ist ungefähr ein Jahr lang so völlig widerspruchslos vorausgegangen. Es haben also Beschäftigte des britischen Öffentlichen Dienstes „Ja“ gesagt zu ungefähr 6 einzelnen Vereinbarungen des EU-Ministerrats. Und leider sind die Minister lediglich verpflichtet worden, dem zu folgen, was vorangegangen ist, was getan wird. Daher ja, die EU will, dass das Vereinigte Königreich ein Teil davon ist, und sie haben auch Norwegen, welches nicht in der Europäischen Union ist, ermutigt, Teil ihrer „Militärunion“ - Pläne zu sein, und sie haben sogar übernommen die Planung der „Verteidigungsunion“ und die neueste Vereinbarung zu PESCO (permanente strukturierte Kooperation). Sie enthält also die Möglichkeit für Drittstaaten, in diesen Kreis zu kommen als das, was sie „zweite Länder“ nennen. Das Risiko ist also sehr stark vorhanden für das Vereinigte Königreich, und die Leute in ihren Büroblocks in Brüssel, diese ungewählten EU-Bürokraten haben ihre Pläne, und sie wollen sehr, dass das Vereinigte Königreich und Norwegen daran teilnehmen.

Volker Reusing
Sie haben die Duplizierung von Streitkräften zwischen NATO und EU erwähnt, und, gut ich denke, es könnte die NATO unterminieren, aber es gibt auch Befürchtungen von Menschen in Ländern, welche keine NATO-Mitglieder sind, dass diese Länder an die NATO gebunden werden könnten, aber diese Länder wollten nur Mitglied der EU sein wie Österreich, Irland oder Finnland. Was meinen Sie, bindet es eher Nichtmitglieder der NATO, die EU-Mitglieder sind, an die NATO, oder unterminiert die EU Verteidigungspolitik eher die NATO?

David Banks
Nun, ich denke, es unterminiert die NATO in mehrerlei Hinsicht. Erstens untergräbt es die Entscheidungsfindung der NATO und die Involvierung mit den USA, denn es schafft eine getrennte Struktur. Und die EU ist sehr darauf aus, diese eine Linie festzulegen bzgl. der Entscheidungsfindung der EU in Autonomie gegenüber der NATO, was Sie mehrmals in den kürzlichen Vereinbarungen finden werden. Und das finden wir besorgniserregend, denn es schafft eine parallele Struktur, eine dualistische Struktur. Was auch immer die NATO also entscheidet, und es mag alles mögliche sein bzgl. Militärübungen, Verteidigungsausrüstung oder Forschungsentwicklung oder selbst Politik hinsichtlich Einsätzen, dann hat dies einen Gegenpunkt einer überlappenden Struktur. Das kann unmöglich nützlich sein. Die andere Weise, in welcher es die NATO unterminiert, sind die Strukturen, welche die EU schafft. Sie haben bereits den Militärausschuss der Europäischen Union und ihren Militärstab, in der NATO gibt es den Militärausschuss. In der EU gibt es das taktische Lufttransportzentrum, in der NATO das strategische Lufttransportzentrum. Man kann die ganze Liste entlang gehen. Für alle Strukturen, welche die EU kürzlich geschaffen hat, gibt es direkte Gegenüber in der NATO. Man muss sich also fragen, was sie sich dabei denken, und warum sie denken, dass dies nützlich sei. Als Herr Juncker gefragt wurde bzgl. der NATO-Finanzierung, und ob er die EU-Mitgliedsstaaten ermutigen würde, die benötigte Menge für ihr Militär auszugeben, sagte er einfach: „Hören Sie nicht auf Washington oder den US-Präsidenten. Glauben Sie nicht den Amerikanern.“ Nun, dass ist sehr wenig hilfreich,
denn im gleichen Atemzug, in welchem er das sagt, ermutigt er die EU-Mitgliedsstaaten, sich seinen Plänen anzuschließen. Dies würde also nahe legen, dass die EU will, dass das Militär nach ihren Bestimmungen läuft. Die Bürokraten wollen eher Kontrolle als eine geradeaus gerichtete Kontinuität des NATO-Schirms, welcher uns so gut gedient hat.

Volker Reusing
Ok, die Duplizierung ist ein starkes Zeichen, dass die mehr Gewicht auf die EU-Seite legen und nicht nur die NATO ergänzen will.

David Banks
Können Sie das noch einmal sagen?

Volker Reusing
Wenn ich richtig verstehe, dann ist die Duplizierung von Fähigkeiten ein starkes Zeichen dafür, dass die EU nicht nur die NATO ergänzen will.

David Banks
Ja, dem würde ich zustimmen. Ich bin sehr davon überzeugt, dass die EU über ihre gegenwärtige Vereinbarung mit der NATO hinausgehen will. Denn die EU und die NATO haben eine Vereinbarung unterzeichnet, laut welcher die NATO eine Menge Zuständigkeiten delegieren würde an die EU. Und einige Leute im Vereinigten Königreich dachten damals, dies sei nützlich. Aber tatsächlich reflektiert es eine Art von wachsender Ambition, denn sie haben nicht vor, zu stoppen bei den 42 Bereichen, welche delegiert worden sind. Sie dehnen sie weiterhin aus. Und die Tatsache, dass sie wirklich Strukturen erhalten haben, welche duplizieren, zeigt, dass sie eine fortwährende Ausweitung durchführen wollen. Und das ist alles Teil des EU-Projekts. Sie benötigen ein Militär, um die Hoffnungen auf Staatlichkeit zu rechtfertigen. Und sie sprechen sogar von einer neuen Ebene von Ambition in den militärischen Vereinbarungen, welche sie gerade geschaffen haben. Es ist also sehr klar, dass die Verteidigung, die Effizienz und die Effektivität von Ländern, welche sich selbst verteidigen, nicht ihre Motivation sind. Es ist die Zentralisierung von Macht unter der Schirmherrschaft der EU.

Volker Reusing
Was soll nun gemacht werden im Rahmen der strukturierten Zusammenarbeit von PESCO, welche noch keine EU-Armee ist? Was meinen Sie, wann würde die Grenze erreicht, dass es nicht nur strukturierte Zusammenarbeit wäre, sondern... wann würde die Linie überschritten für den Beginn einer EU-Armee?

David Banks
Nun, das ist eine sehr gute Frage. Wir können nur einige Anzeichen liefern von dem, was kürzlich gesagt worden ist. Einige Daten werden erwähnt von Herrn Juncker, wo er spricht von 2025 als dem Zeitpunkt, wo die „Verteidigungsunion“ vervollständigt würde. Das ist nur 7 bis 8 Jahre entfernt. Und das würde bedeuten, dass sie von nichts bis zur vollen „Verteidigungsunion“ gegangen wären innerhalb von 10 Jahren. Und dies ist weiteres Zeichen ihrer Ambitionen. „Volle Verteidigungsunion“ muss angesehen werden als „Gemeinsame Verteidigung“. Und „Gemeinsame Verteidigung“ ist das entscheidende Merkmal in den Verträgen, welches, wie Sie zutreffend herausgestellt haben, ein Referendum in Mitgliedsstaaten erfordert, und es erfordert die volle Zustimmung des EU-Rats. Daher denken wir, dass vielleicht 2025 der Zeitpunkt ist, wenn dies erreicht sein wird. Herr Juncker hat außerdem davon gesprochen, Entscheidung des EU-Ministerrats
über PESCO und Militär mit qualifizierter Mehrheit zu treffen. Das gibt der EU und dem EU-Ministerrat viel mehr Macht im Gebrauch ihrer neu erlangten militärischen Kräfte. Und auf eine gewisse Weise müssen bereits das als eine Art von „Gemeinsamer Verteidigung“ ansehen. Wir alle als Beobachter haben also nicht alles im Blick; es ist schwierig für uns, genau zu die Bedeutung der Vertragsbestimmungen zu sehen, denn sie ändern im Laufe der Zeit die Torpfosten. PESCO könnte man ebenfalls als „Gemeinsame Verteidigung“ ansehen, denn es bedeutet die Befehlsgewalt des EU-Ministerrat über Europas bewaffnete Streitkräfte, zumindest soweit sie jetzt involviert sind mit diesen 23 Staaten. Ich denke, das beantwortet wahrscheinlich Ihre Frage. Es ist ein sehr vages Bild.
Dass es der klare Prozess, welchen sie derzeit fortsetzen, ist, dass sie „Gemeinsame Verteidigung“ erreichen wollen, und sie wollen sicherstellen, dass es mit der Zeit buchstäblich unmöglich wird für jegliches Land, „Nein“ zu sagen zur „Gemeinsamen Verteidigung“. Ihr Timing ist in Kreisen und in Schlaufen, in Ketten, und sie einzuschließen, sodass es unmöglich ist, sich herauszuziehen. Dies ist
eines der Dinge, über die wir besorgt sind hinsichtlich des Vereinigten Königreichs. Aber es ist natürlich auch ein Risiko für all die Länder, welche leider verbleiben unter der Autorität der Europäischen Union. Der Vorläufer der „Gemeinsamen Verteidigung“ ist jetzt, es geschieht, und sie wollen es so schwierig wie möglich machen für jeden, der gegen die Schaffung der „Gemeinsamen Verteidigung“ in 2025 ist. Und wir können natürlich absehen, dass die EU alle ihre strategischen Kommunikationsmöglichkeiten nutzen wird, um die Bevölkerungen der EU zu überreden, „Ja“ zu sagen zur „Gemeinsamen Verteidigung“, wenn das Erfordernis für Referenden ausgelöst wird. Und natürlich werden all diese Staaten Ziel von Falschinformation, doppelter Sprache und Geheimhaltung sein, wie es die EU in den letzten Jahren zur Verteidigung getan hat.

Volker Reusing
Das Verfassungsgericht von Deutschland hat in seinem Lissabon-Urteil vom 30. Juni 2009 in Nr. 389+390 herausgestellt, dass Art. 42 Abs. 2 Unterabs. 1 EUV dass vor einer „Gemeinsamen Verteidigung“ der Europäische Rat einen Beschluss fassen muss, dass sie eine „Gemeinsame Verteidigung“ wollen, und dann müssen die Mitgliedsstaaten dies entsprechend ihren verfassungsmäßigen Bestimmungen bestätigen, bedeutend die Abstimmung mit „Ja“ durch die nationalen Parlamente. Aber es wird nicht ausdrücklich definiert, was eine „Gemeinsame Verteidigung“ ist. Bedeutet das ausschließlich die EU-Armee oder auch die Möglichkeit, die Bündnisfallklausel in Art. 42 Abs. 7 EUV anzuwenden? Es wird nicht explizit gesagt.

David Banks
Nein, es ist nicht explizit, und ich würde einfach hinzufügen, dass es unser Verständnis wäre, dass die EU-Kommission direkte Autorität will über die Verteidigung, und dass die Verteidigung eine EU-Kompetenz wird, sodass es keine unabhängige mitgliedsstaatliche Rolle in der Verteidigung gibt. Ich denke das ist es, was wir interpretieren würden als Bedeutung von „Gemeinsame Verteidigung“. Aber wie immer bei der Europäischen Union, wird es schrittweise getan. Wir haben „Gemeinsame Verteidigung“ immer betrachten als einen Prozess, wo sie Sie einen Pfad entlang führen, immer bis vor die Tür. Und dann öffnen sie die Tür und fragen Sie, ob Sie eintreten wollen. Der Akt, einzutreten in das Haus ist „Gemeinsame Verteidigung“. Aber sie haben Sie bereits den ganzen Weg dort hinauf geführt über den Weg durch den Garten. Bereits das ist eine aktive Trickserei und Täuschung. Und wenn sie es dann schaffen, den Anschein zu erwecken, dass „Gemeinsame Verteidigung“ bereits existiert, wenn 90% bereits in eine gemeinsame Armee eingeschlossen sind, was macht es dann noch aus, wenn weitere 10% dazu kommen, und es 100% werden? Das wird wirklich die Frage sein, wenn nationale Entscheidungen und die Referenden von Mitgliedsstaaten stattfinden werden.

Volker Reusing
Sie meinen, das wird vermutlich bedeuten, dass sie die nationalen Parlamente so spät wie möglich fragen werden?

David Banks
Ja, sie verändern einfach fortwährend die Definition von „Gemeinsame Verteidigung“. Sie werden sagen, „machen Sie sich keine Sorgen, das ist nur PESCO“, wo sie weiterhin kommen und kooperieren, ohne den Leuten zu sagen, dass wenn man Politik, Finanzen, Ausrüstung, Geheimdienst und alles andere koordiniert, dann werden Sie tatsächlich bereits „Gemeinsame Verteidigung“ haben. Aber ich denke, „Gemeinsame Verteidigung“ wird im Ergebnis bedeuten die Umbenennung all der bereits eingebundenen mitgliedsstaatlichen Militäreinheiten, sodass die italienische Armee z. B. verschmelzen wird mit denen der Nachbarstaaten und einfach die italienische Division der EU-Armee werden wird. Das wird also wirklich „Gemeinsame Verteidigung“ bedeuten.

Volker Reusing
Sie haben angedeutet, dass die EU-Armee ein Schritt sein soll für die Schaffung eines Staates Europäische Union. Was bringt Sie zu der Annahme, dass sie einen Staat schaffen wollen und nicht kurz davor stoppen wollen, um die EU all die Macht haben zu lassen, aber die Verantwortung bei den Staaten zu belassen? Was lässt Sie annehmen, dass sie wirklich einen Staat wollen?

David Banks
Sie bekommen diese Stellungnahmen niemals in direkter Form, aber Sie finden alle Vorschläge von Staatlichkeit beinhaltet in den Formulierungen prominenter Politiker, jeder von Frau Merkel bis zu Herrn Macron, Guy Verhofstadt und Juncker und viele andere EU-Föderalisten. Und wenn Sie diese zusammensetzen, haben Sie eine ziemlich klare Richtung. Herr Verhofstadt z. B. spricht oft von „Vereinigten Staaten von Europa“ und einem voll ausgestatteten zentralisierten Bundesstaat. Frau Merkel hat davon gesprochen, dass die EU-Kommission die Exekutive einer föderalen Einheit werde, und dass diese dem Parlament vollwertig rechenschaftspflichtig werde. Und wenn wir uns anschauen, wie die militärische Planung dazu passt, müssen wir uns die Stellungnahme von Herrn Eltinger, dem EU-Finanzkommissar, ansehen, der gesagt hat, es mag ein Versehen gewesen sein, aber er ist sehr klar und ehrlich gewesen, als er gesagt hat, dass PESCO und die Entscheidungsfindung und Planung der EU und die Vereinbarungen der letzten 12 Monate ein Schritt in Richtung ihrer „Gemeinsamen Verteidigung“ sind. Es ist alles sehr in Teilen. Und ein weiterer sehr wichtiger Punkt zu erwähnen ist, dass Frau Merkel, als sie Herrn Hollande und Herrn Renzi traf im Sommer letzten Jahres, ungefähr ein oder zwei Wochen nach der Brexit – Abstimmung, trafen sie sich auf diesem italienischen Flugzeugträger, um zu erläutern, dass sie vorangehen wollen mit einer „EU-Verteidigungsunion“. Der Grund dafür war teilweise kosmetisch. Sie wollten es so aussehen lassen, als ob die Verteidigungspläne, welche seit anderthalb Jahren, vielleicht zwei Jahren hervor gebracht worden waren, das Produkt von Mitgliedsstaaten wären. Sie wollten es aussehen lassen, als ob sie es führen würden. Und sie wollten es als etwas wesentliches aussehen lassen. Und es sollte auch ein starker moralischer Schub für das EU-Projekt sein, welches gerade das Vereinigte Königreich technisch verloren hatte. Aber das machte nichts, denn hier ist das neue EU-Projekt, welches sie voranbringen wollen. Nach diesem Treffen gingen sie zum Denkmal von Alberto Spinelli. Herr Spinelli war der italienische EU-Föderalist, welcher angesehen wird als einer der Väter des Projekts Europäische Union. Und sie gingen zu seinem Denkmal und sprachen über den Wert seiner Beiträge zur europäischen politischen Theorie, und wie sehr sie es wert schätzen. Nun Herr Spinelli sprach zu seinen Lebzeiten immer von den „Vereinigten Staaten von Europa“. Er war der Erfinder dieses Begriffs schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Begleitmusik zusammen mit den Formulierungen und Handlungen zeigen uns nun auf klare Weise, dass das die Richtung ist, es sind die „Vereinigten Staaten von Europa“. Es ist für uns im Vereinigten Königreich immer noch schwierig, gewöhnlichen Menschen begreiflich zu machen, dass dies gerade geschieht.
Es wird weniger schwierig, den die Leute haben die Gelegenheit, mehr über die Europäische Union zu sprechen, aber jahrelang war die Europäische Union bloß etwas, was im Hintergrund lauerte, sie existierte bloß, und niemand wollte darüber reden, denn das wurde nicht als modern angesehen; jeder war glücklich, britisch zu sein, und die Idee einer EU-Nationalität war nur etwas ungewöhnliches und nicht innerhalb des Paradigmas ihres Denkens. Aber jetzt beginnen die Leute hier im Vereinigten Königreich, zu begreifen, vor allem nach dem, was Herr Juncker im Sommer gesagt hat über die Richtung der EU, ihre immer engere Union, ihre Integration und ihre Zentralisierung der Entscheidungsfindung. Die Leute wissen nun offen, dass das die Richtung ist.

Volker Reusing
Herr Macron, Seine Exzellenz, der Präsident Frankreichs, hat gesagt, dass die Souveränität auf der EU-Ebene sein solle, aber gleichzeitig hat er auch gesprochen über eine Großmacht Frankreich, er spricht nicht von Frankreich als einer Provinz der EU, aber er spricht über Souveränität für die EU.

David Banks
Ja, und das ist ein klarer Widerspruch. Und ich denke, was heute in der Politik geschieht, und wir haben es im Vereinigten Königreich gesehen, mit Herrn Cameron war es das gleiche, es gibt eine Art von Schizophrenie um Europa herum. Nationale Führungspersonen wissen, dass wenn sie über ihre eigenen Nationalstaaten in patriotischen Begriffen reden, es ein großes Publikum dafür gibt, und dass die Leute vermutlich glücklich sein werden, das zu hören, denn die Wähler wissen, dass wenn Politik zentriert ist um die Nationalstaaten herum, dies ihnen eine Stimme gibt. Und sie wissen, dass sie in einem gewissen geringen Ausmaß diese Entscheidungen beeinflussen können, und sie verstehen können. Aber wenn die Entscheidungsfindung und die Politik auf der EU-Ebene stattfinden, haben die Leute das Gefühl, dass dies etwas zu weit entfernt ist für sie. Die Völker Europas haben allgemein ein starkes Verständnis für nationale Identität, was auch in Kombination ist mit einem Sinn für Patriotismus. Als z. B. Herr Renzi letztes Jahr an der Macht war und er um sein politisches Überleben kämpfte, wenn man das betrachtet, sprach er niemals über Europa in jenen Wochen, als er um sein politisches Überleben kämpfte. Er sprach über Italien, „Vorwärts Italien“, schwenkte die Fahne, und hinter der Bühne, auf welcher er stand, waren bei wichtigen Reden immer italienische Fahnen, keine einzige EU-Fahne. Die EU würde sie nicht dazu bewegen, ihn in diesem patriotischen Sinn zu wählen. Es ist nicht die Weise, die ihnen angenehm ist. Aber viele von den Leuten, die in patriotischen Begriffen gesprochen haben, wie Herr Macron oder Herr Cameron letztes Jahr, glauben tatsächlich in ein Projekt, welches über ihre Nationalstaaten hinaus geht und welches in der Tat Macht von ihren Nationalstaaten weg nimmt und von ihrem Volk. Das ist ein Widerspruch. Und wir haben wirklich das Gefühl, bzw. ich habe das Gefühl als ein führendes Mitglied der Brexit-Kampagne, dass es unmöglich ist, an die wachsenden Befugnisse der Europäischen Union zu glauben und weiterhin patriotisch für mein Land zu sein, denn wir sprechen über die Abschaffung des Nationalstaates zugunsten einer anderen Einheit. Ich denke, ich habe die Frage beantwortet.

Volker Reusing
Ja. Eine sehr wichtige Sache unter den Auswirkungen auf den Frieden, denke ich, ist, dass wir ein Angriffskriegsverbot für die meisten Staaten nur haben in Art. 2 Abs. 4 Uno-Charta. Und das EU-Recht hat kein eigenes Angriffskriegsverbot, aber es hat Vorschriften für Kampfeinsätze für Werte und Interessen in Art. 42 Abs. 5 EUV und für Krisenintervention in Art. 43 Abs. 1 EUV. Daher ist es sehr wichtig, was vorrangig ist: Die Uno-Charta, wie die Uno-Charta dies geltend macht in ihrem Art. 103, oder die Vorschriften des EU-Rechts? Und wenn eine EU-Armee geschaffen würde, würde dies die Gewichte verschieben, was als vorrangig angesehen wird?

David Banks
Ja könnten Sie das letzte Wort wiederholen?

Volker Reusing
Ja, würde es der Position der EU mehr Gewicht geben, dass das EU-Recht vorrangig sei im Gegensatz zur Uno-Charta, wobei die Uno-Charta sagt, dass sie der höchstrangige internationale Vertrag sei?

David Banks
Ja, das ist ein wirklich wichtiger, ein sehr relevanter Punkt. Mein Gespür dazu ist zweifaltig. Zuerst einmal hat die Europäische Union eine Menge davon gesprochen, mit den Vereinten Nationen zusammen zu arbeiten. Und die EU will auch eine Art internationale Polizeitruppe für die Vereinten Nationen sein, wie man es einem Teil des Wortlauts der militärischen Vereinbarungen entnehmen kann. Sie wollen für die UN zur Verfügung stehen und für Missionen der Vereinten Nationen bereit stehen. Es ist ein wichtiger Punkt, aber meine Vermutung ist, dass die EU die Prinzipien der Vereinten Nationen befolgen und die UN als eine höhere Autorität anerkennen würde. Jedoch, eine Sache, die aufkommt als ein Ergebnis der Planungen der EU ihrer militärischen Ambitionen, ist, dass sie ab einem bestimmten Punkt versuchen werden, sich in auswärtige Angelegenheiten einzumischen. Es könnte z. B. sein, unschuldige Leute in Syrien zu befreien. Und so könnten sie einen Kordon um einige Kleinstädte in Syrien herum schaffen unter Benutzung von EU-Streitkräften. Nun, die andere Überlegung ist, dass sie beginnen könnten, militärische Kräfte einzusetzen an den Grenzen der EU, und sie könnten aggressive Handlungen in Betracht ziehen. Sie werden bestimmt interne militärische Aktionen erwägen, es könnte einfach militärgeheimdienstliches sein, oder militärischer Arrest oder eine Art von bewaffneter Antwort auf einen Aufstand zum Beispiel. Und die neuen Vereinbarungen, welche sie in Bewegung gebracht haben in den letzten 12 Monaten, geben ihnen das Recht, intern zu intervenieren in was sie als „Bedrohung für die Union“ bezeichnen. Nun, euroskeptische Gruppen, Anti-EU-Gruppen im Vereinigten Königreich, werden sicherlich eine Bedrohung für die Union darstellen. Dies könnte also bedeuten, dass vor und nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU, die Europäische Union die Aktivitäten euroskeptischer Gruppen im Vereinigten Königreich ausspionieren wird, und deren Verbindungen mit euroskeptischen Gruppen in Deutschland, den Niederlanden, Spanien und überall sonst. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie es tun werden. Und in 10 Jahren, bin ich sicher, werden wir einige Beispiele haben, dass dies geschieht. Diese Leute meinen es sehr ernst mit der Weise, wie sie das nächste Kapitel der EU-Geschichte schreiben. Sie wissen, dass es Dissens geben wird. Und sie schließen gerade die Türen gegenüber diesem Dissens. Nun, zurück zu Ihrem Punkt hinsichtlich aggressiver Intervention und aggressiver militärischer Aktion. Ich denke, wissen Sie, von unserer Erfahrung als Beobachter des Irak-Kriegs, und sagen wir Afghanistan und andere Konflikte auf der Welt, viele von diesen wurden gerechtfertigt als Verteidigungsmaßnahmen. Daher denke ich, wenn die EU einmal die Macht hat, Streitkräfte zu projizieren – Es ist in der Tat sehr einfach für jeden Nationalstaat, der einen großen Stab in den Händen hält, aggressive Aktionen zu rechtfertigen. Und die Vereinigten Staaten und Großbritannien taten dies unter einer falschen Prämisse vor 14 Jahren, welche die vermutete Anwesenheit von Massenvernichtungswaffen im Irak war, wobei sich nachfolgend herausgestellt hat, dass diese sich nicht dort befunden haben. Aber sie schafften es, den Uno-Sicherheitsrat dazu zu bringen, ihnen ein Mandat zu geben, im Irak zu intervenieren. Wenn wir heute zurück blicken, erkennt jeder im Westen, dass dies mächtiger Fehler gewesen ist. Aber die Vereinten Nationen hielten sich weiter daran. Und es wurde angesehen als ein defensiver Akt gegen eine aggressive Macht, und es wurde auf diese Weise benutzt, um Aggression durch den Westen zu rechtfertigen. Daher gibt es jeden Spielraum für eine militarisierte Europäische Union, das gleiche zu tun. Wenn wir die Zukunft der EU nach ihrer Militarisierung einschätzen, müssen wir das in Betracht ziehen, dass dies eines der Dinge sein könnte, welche zu tun sie sich entscheidet. Es müssen so alle Staaten des freien Westens sehr beisammen stehen und in Beziehung treten mit dem, was eine neu geschaffene Supermacht sein wird. Und um im Hinblick darauf den Einsatz von Gewalt zu beschränken, denn wie die europäischen Führer derzeit reden, hören sie sich absolut entschlossen an, ihre militärische Macht zu rechtfertigen, und die Weise wie die EU dies tut, ist, indem sie diese einsetzt. Und ich empfinde dies als etwas ungemütlich. Dies sind alles Dinge, welche von der internationalen Gemeinschaft und von europäischen Bevölkerungen überlegt werden müssen.

Volker Reusing
Es scheint mir, dass wenn ein Staat EU geschaffen würde, dass dann der EUV, der AEUV und alle diesen angehängten Protokolle und Erklärungen dann zu einer Art von EU-Verfassung würden, wenn die EU ein Staat würde, und dass dann diese Vorschriften für Kampfeinsätze klar oberhalb der Uno-Charta sein würden, wenn sie einen Staat machen.

David Banks
Es könnte gut sein, dass Sie recht haben. Aber ich frage, ob die EU, wenn sie einmal Staatlichkeit hätte, sie sich nicht unverzüglich der Entscheidungsfindung der UN unterordnen würde. Ich nehme an, dass sie es würde, aber Sie haben recht damit, diese Frage zu stellen, denn diese Frage muss beantwortet werden. Nun, wessen recht ist am höchsten und vorrangig in diesen Dingen? Es ist sehr einfach für mich, zu vermuten, dass es die Vereinten Nationen sein müssen, denn es scheint verrückt für mich, dass es irgendetwas anderes als die Vereinten Nationen sein sollten. Aber es ist schwer, vorauszuahnen, was den Leuten in Brüssel durch den Kopf geht, wenn sie vielleicht eine andere Meinung haben. Das muss natürlich geklärt werden. Daher denke ich, Sie haben recht, diese Frage zu stellen.

Volker Reusing
Im Hinblick auf die NATO: NATO-Recht ist, der Nordatlantikvertrag macht nur geltend, normales Völkerrecht zu sein, er beansprucht keine Supranationalität, der Nordatlantikvertrag ordnet sich sogar selbst klar unterhalb der Uno-Charta ein. Daher denke ich, das ist ein wichtiger Unterschied hinsichtlich der NATO. Die NATO macht nicht geltend, mit ihrem Recht oberhalb der Uno-Charta zu sein.

David Banks
Ja, ich denke ist natürlich ein sehr wichtiger Punkt. Ja, das ist ein guter Punkt. Nun ich denke, die Europäische Union sollte auf die NATO als eine Art von Richtgröße schauen. Und wenn sie etwas nützliches für die Verteidigung tun will, dann sollte sie eine Art von Untergruppe schaffen innerhalb der NATO, welche mit der NATO kooperiert. Und welche nicht involviert all diese unnötigen Machtverschiebungen hinsichtlich Finanzen, Produktion und Gesetzgebung, wie es die EU-“Verteidigungsunion“ derzeit tut. Ja, ich stimme zu. Die NATO ist die Schablone für effektive Verteidigungskooperation.

Volker Reusing
Ich erinnere mich, als die NATO ihr strategisches Konzept gemacht hat, welches Krisenintervention eingeführt hat, welche nicht im Nordatlantikvertrag steht, hat es ein Gerichtsurteil gegeben vom deutschen Bundesverfassungsgericht. Und sie haben entschieden, dass unser Grundgesetz und die Uno-Charta oberhalb des Nordatlantikvertrags stehen und dieser wiederum oberhalb der Krisenintervention. Im Ergebnis sind also diese Vorschriften über die Krisenintervention im NATO-Sekundärrecht nicht oberhalb der Uno-Charta.

David Banks
Ja, ich sehe, was sie meinen. Also ist es eher defensiv als offensiv.

Volker Reusing
Ja, es bedeutet z. B., wenn sie Krisenintervention in Syrien machen wollen, müssen sie die syrische Regierung fragen.

David Banks
Ja, es ist interessant in dem Zusammenhang, dass Deutschlands Verteidigungsministerin Frau von der Leyen, gefragt wurde, warum die Europäische Union ihre neue Stufe an Ambition verfolgen wolle, was sie erreichen könnte, was nicht bereits die NATO erreichen könnte. Sie benannte drei oder vier mögliche Gebiete für Intervention durch die Europäische Union, welche erfolgen würden, wenn sie die Fähigkeiten dafür hätte. Dies wären der westliche Balkan, die Ukraine und Afrika. Und ich denke, vielleicht ein weiteres, ich denke, möglicherweise Syrien. Ich denke, das vielleicht ein Zeichen für das, was Sie sagen, zu was die EU sich vielleicht entscheiden wird. Vielleicht bin ich dabei eher von Hoffnung als von praktischer Analyse geleitet, aber meine Erwartung ist, trotz der unlogischen Art der EU, würde ich erwarten, dass sie hoffentlich die Vereinten Nationen als das Zentrum der Entscheidungsfindung ansehen und sich daran halten werden.

Volker Reusing
Möchten Sie etwas hinzufügen zu Ihrer Vision der Verteidigung und zur Rolle, welche die NATO darin haben sollte?

David Banks
Ja, das Vereinigte Königreich sollte seine Verteidigungsautonomie behalten. Was das für das Vereinigte Königreich wirklich bedeutet, ist, dass wir uns zurückziehen aus allen sechs Vereinbarungen im EU-Ministerrat, in welche unsere Minister und Vertreter in den letzten 12 Monaten eingewilligt haben. Es bedeutet auch, dass das Vereinigte Königreich nicht länger Teil der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) sein sollte. GSVP ist eine Politik eher als ein Output. Es ist mir wichtig, das zu sagen, denn GSVP, darüber haben schon zu oft gesprochen, wird oft fälschlich dargestellt als bloß ein Projekt für Interventionen im Ausland, für polizeiartige Einsätze in den Gewässern vor Ostafrika, für Intervention in Mali, und für Intervention andernorts in Ostafrika, und auch im Kosovo. Aber GSVP ist viel mehr als das. Es ist eine Politik, welche wirklich beherrschend fortschreitet in die nationalen Verteidigungspolitiken der Mitgliedsstaaten. Und das wir orchestriert durch das Europäische Sicherheits- und Verteidigungskolleg, welches eine Art Netzwerk von europäischen Verteidigungsanalysten und Akademikern und hochrangigem Verteidigungspersonal aus ganz Europa ist. Indem es heraus kommt aus der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wird das Vereinigte Königreich frei sein, über die gleichen Dinge ohne unangemessenen Einfluss von Brüssel und von der EU-Kommission und von EU-Ministerrat zu entscheiden. Das ist das erste. Das wird uns zu einer unabhängigen Militärmacht machen, von welcher die meisten Menschen in Großbritannien denken, dass wir diese bereits seien. Aber das sind wir nicht, denn wir sind in jenen Strukturen, die ich erwähnt habe. Natürlich gibt es weitere Ebenen und Strukturen der Präsenz des Vereinigten Königreichs als einer Militärmacht. Das Vereinigte Königreich wird sehr eng kooperieren mit all seinen Nachbarn. Und nicht nur ich, sondern auch die Veterans for Britain, ich bin absolut gewiss, dass die Mehrheit der britischen Bevölkerung will, dass diese Zusammenarbeit innerhalb der NATO stattfindet. Und den größten Teil Europas werden wir offensichtlich weiterhin als unsere engsten Freunde ansehen. Und nicht ganz Europa, ich spreche von dem Europa, was geht bis zum östlichen Rand der Europäischen Union. Und dann haben wir innerhalb der NATO die Vereinigten Staaten. Und das Vereinigte Königreich muss genauso nah bei den Vereinigten Staaten und Kanada bleiben. Und wir haben eine Geheimdienststruktur, zu welcher das Vereinigte Königreich beiträgt, mit dem Namen „Five Eyes“ („fünf Augen“), und diese beinhaltet das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten, Kanada, plus Australien und Neuseeland. Da arbeiten fünf Länder geheimdienstlich sehr eng zusammen und fast zeitgleich. Was auch immer z. B. entdeckt wird vom neuseeländischen Geheimdienst, wird fast unverzüglich bei „Five Eyes“ eingespeist, und das gleiche gilt für das Vereinigte Königreich, für Kanada und für den Rest. „Five Eyes“ ist das größte und vermutlich das fähigste Geheimdienstnetzwerk in der Welt. Dies ist etwas, was uns helfen wird, auch unsere europäischen Nachbarn zu unterstützen, so wie es bereits der Fall ist. Wir haben also NATO, Europa, „Five Eyes“. Außerdem sollte das Vereinigte Königreich mehr bilaterale Beziehungen außerhalb Europas aufbauen mit einigen seiner befreundeten Länder. Es könnte Brasilien sein oder Indien oder Japan. Das wird dem Vereinigten Königreich helfen, ein freundschaftliches Verteidigungsnetzwerk aufzubauen, welches eine Untermauerung für auswärtige Beziehungen und Handelsbeziehungen bietet. Und auf diese Weise wird das Vereinigte Königreich nicht anders sein als jedes andere Land, welches ähnliche Dinge tut. Es ist wichtig für das Vereinigte Königreich, global zu schauen, und das ist eine Weise, wie es dies tun kann. Die Commonwealth – Verbindungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Kanada und mit Australien und Neuseeland müssen natürlich formalisiert werden. Derzeit sind diese Länder sehr nah auf eine psychologische Weise, und es gibt eine unausgesprochene gegenseitige Verteidigung. Aber ich denke, das sollte vielleicht mehr formalisiert und mehr aktiver Austausch geschaffen werden. Ich denke, das beschreibt allgemein, wo sich das Vereinigte Königreich befindet würde, mit sehr viel positivem Europa und immer einem Sinn für europäische Verteidigung, und wir werden weiterhin eine sehr aktive Rolle spielen, aber unabhängig ohne jegliche verstrickende Gesetzgebung und Vorschriften und Verpflichtungen, welche die Fähigkeit der britischen Regierung zur Entscheidungsfindung entfernen und auf die individuellen Minister übertragen. Ich denke das ist wichtig, denn das ist die einzige Weise, wie wir all unsere Fähigkeiten voranbringen können zum Wohle unserer Nachbarn in Europa und unserer Freunde in aller Welt.

Volker Reusing

Vielen Dank für das Interview.

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