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Mittwoch, 17. Juni 2015

Bilderberg 2015 im Zeichen von Sicherheitspolitik, Varoufakis und Staateninsolvenz

17.06.2015 | Unser Politikblog

 Die offiziellen Themen sowie die Teilnehmer der Bilderberg-Konferenz 2015 vom 11.-14.06. im Interalpen-Hotel in Telfs-Buchen (Tirol, Österreich) sind am 08.06.2015 veröffentlicht worden. Die Themen sind:
Artificial Intelligence“, „Cybersecurity“, „Chemical Weapons Threats“, „Current Economic Issues“, „European Strategy“, „Globalisation“, „Greece“, „Iran“, „Middle East“, „NATO“, „Russia“, „Terrorism“, „United Kingdom“, „USA“ und „US Elections“

Viele Medien, die zu Bilderberg berichten, erwähnen den Tagungsort, das teure Polizeiaufgebot und einige der Teilnehmer, versäumen es jedoch, auf die Themen einzugehen. Man stelle sich vor, über die G 7 würde berichtet, ohne deren Tagesordnung zu erwähnen.

Zu den Bilderberg-Konferenzen werden Entscheidungsträger oder deren Berater zu aktuellen Themen von geostrategischer Bedeutung geladen, wovon vor allem der Einfluss auf die EU-Kommission von herausragender Bedeutung ist. Der gegenwärtige ebenso wie der vorherige Kommissionspräsident sind „Bilderberger“.

Die aktuelle geostrategische Frage zu Griechenland ist, ob das Land einen Kredit beim ESM beantragen wird (und / oder die EFSF-Forderungen gegenüber Griechenland gem. Art. 40 ESM-Vertrag auf den ESM werden, was aufs gleiche heraus käme). Aus Tagesordnung („Innovation and Budgetary Discipline“, „the Euro and Challenges for the European Union“) und Gästeliste (mit u. a. dem damaligen Präsidenten des Europäischen Rats, Herman van Rompuy, sowie mehreren Finanzministern) der Bilderberg-Konferenz 2011 ist ersichtlich, dass der ESM-Vertrag auf jener Konferenz vorbesprochen worden ist, bevor er von den Regierungen der Staaten der Eurozone unterzeichnet worden ist. Der ESM-Vertrag zusammen mit den dafür geänderten Bundesschuldenwesengesetzen enthalten das Staateninsolvenzverfahren für die Staaten der Eurozone, in welchem die für insolvent befundenen Staaten ihre Auflagen von der Versammlung ihrer privaten Gläubiger im Gegenzug zu Schuldenerleichterungen erhalten. Siehe Art. 12 Abs. 3 ESM-Vertrag sowie für Deutschland die §§4a – 4k Bundesschuldenwesengesetz (BschuwG) und die Erläuterungen des Gesetzes zur Änderung des BSchuWG (Drucksache 17/9049). Der Hauptzweck des Staateninsolvenzverfahrens ist es, die Privatisierung der Daseinsvorsorge („Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“, Art. 14 AEUV) und der hoheitlichen Institutionen der Staaten („nicht-wirtschaftliche Dienste von allgemeinem Interesse“, Art. 2 von Protokoll 26 zu EUV und AEUV) durchzusetzen. Nachdem das Lissabon-Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 30.06.2009 das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags nur mit zahlreichen Maßgaben zugelassen hatte, darunter, die hoheitlichen Aufgaben nicht zu privatisieren (Rn. 249+251+252 des Urteils), wurden neue Anlässe benötigt, darunter vor allem das Staateninsolvenzverfahren und der Freihandel. Es geht um die totale Abhängigmachung der Staaten von Konzernen und um hoheitliche Macht für Konzerne, wodurch die Erbringung hoheitlicher Dienstleistungen sich grundlegend entsprechend der Profitlogik wandeln würde.

Auch der Artikel „Deutsche Industrie fordert Zwangsvollstreckung für Schuldenstaaten“ der Deutschen Wirtschaftsnachrichten vom 18.08.2013 beweist, dass der Hauptzweck des ESM die Privatisierung ist. Denn BDI-Geschäftsführer Markus Kerber hat gefordert, Staatseigentum als Sicherheit für die Schulden der Staaten der Eurozone auf den ESM zu übertragen, um die Privatisierung zu beschleunigen.
Und BDI-Präsident Ulrich Grillo hat noch auf der vorläufigen Gästeliste vom 03.06.2013 für die Bilderberg-Konferenz 2013 vom 06.-09.06.2013 gestanden, wenngleich auf der abschließenden Gästeliste nicht mehr.

Griechenland wird nun vermutlich als in der Menschheitsgeschichte erstes Land in ein Staateninsolvenzverfahren gedrängt werden.

Denn Seine Exzellenz, der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, will laut dem am 09.06.2015 veröffentlichten Tagesspiegel-Interview „Wir haben rote Linien überschritten“ mit ihm, dass Griechenland ein Darlehen von 27,- Milliarden € beim ESM aufnimmt, um damit seine Schulden bei der EZB abzulösen, von denen 6,9 Mrd. € bereits in diesem Sommer fällig würden. So würden laut Varoufakis die „EZB-Schulden“ „in die Zukunft verschoben und Griechenland könnte an den Markt zurückkehren. Das zu tun, wäre nur eine Frage des politischen Willens.“

Was Herr Varoufakis in dem Interview nicht sagt, ist, dass der ESM, anders als die EZB, verpflichtet ist, alle Finanzhilfen mit Auflagen mit einer Strenge wie der des IWF zu versehen (Art. 3 ESM-Vertrag, Art. 136 Abs. 3 S. 2 AEUV, Schlussfolgerungen des Ecofin-Rats vom 09.05.2010 (Az. SN 2564/1/10). Und dass ein Antrag Griechenlands gegenüber dem ESM gerade der noch benötigte Schritt ist, um Griechenland ins Staateninsolvenzverfahren des ESM zu zwingen. Die EZB hingegen könnte, wenn ein entsprechender politischer Wille bestünde, ihre Forderungen gegenüber Griechenland auch großzügig stunden, ohne dafür harte Auflagen machen zu müssen. Auch der Drang zur Rückkehr an den Markt für Staatsanleihen verengt den Blickwinkel. Der Kauf von Staatsanleihen muss mit bereits vorhandenem Geld bestritten werden. Bei Kreditverträgen hingegen schöpfen Banken neues Giralgeld mit der Buchung „Forderung an Verbindlichkeit“; sie verleihen Geld, welches es bis zur Unterschrift unter den Kreditvertrag gar nicht gibt. So können Banken den Staaten bei Kreditverträgen bessere Konditionen bieten, als dies beim Kauf von Staatsanleihen möglich ist.

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis ist mehrfach zu Gast gewesen bei der auf den ersten Blick eher keynesianisch wirkenden Stiftung „New Economic Thinking“, zu deren Gründungsmitgliedern und Finanzierern u. a. George Soros (Bilderberger) gehört; unter den Finanzierern ist auch der Bilderberger David Rockefeller.)

Parallel dazu wird derzeit auf Ebene der UNCTAD über einen globalen Staateninsolvenzmechanismus verhandelt, über den auf der Uno-Vollversammlung im September 2015 entschieden werden soll.
Wie Unser Politikblog berichtet hat, sieht es derzeit danach aus, dass dabei eine Mischung aus ESM (mit Entscheidungen der Versammlung der privaten Gläubiger) und TTIP (mit mehreren Schlichtern pro insolventem Staat) herauskommt.

Die Auswirkungen der Privatisierung hoheitlicher Aufgaben lassen sich z. B. in den USA, in Kolumbien und im Irak besichtigen.

Auch die geplanten Freihandelsverträge TTIP und CETA mit privaten Schiedsgerichten für Entschädigungen an Konzerne und im TTIP-Verhandlungsmandat nochmals (in Nr. 19 des Verhandlungsmandats vom 17.06.2013) der Verpflichtung zur Marktöffnung der hoheitlichen Aufgaben sind in Zusammenhang mit dem von Lissabon-Vertrag und Staateninsolvenzverfahren gewollten Ausverkauf der Staaten zu sehen. Der ebenfalls in Verhandlung befindlichen Freihandelsvertrag TISA schließlich hat hier vor allem die Funktion, dass die Staaten einmal privatisierte Aufgaben nie wieder selbst ausüben dürfen.
Die Freihandelsverträge dürften in den TOPs „current economic issues“ oder „globalization“ enthalten sein.
Zur Privatisierung von Hoheitlichem und Daseinsvorsorge dürften bei der Bilderberg-Konferenz 2015 vor allem die Gäste Jose Manuel Barroso (bis 2014 EU-Kommissionspräsident, jetzt seit der Bilderberg-Konferenz 2015 im Leitungskommittee von Bilderberg) und Karel de Gucht (bis 2014 EU-Handelskommissar) von Bedeutung sein.
Ein amtierender EU-Kommissar ist für 2015 nicht auf der Gästeliste. Braucht es auch nicht, weil der derzeitige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein langjähriger „Bilderberger“ ist.
Hinsichtlich der Gläubiger Griechenlands dürfte vor allem die Teilnahme von Jeroen Disselbloem (niederländischer Finanzminister und derzeitiger Präsident der Eurogruppe) von Bedeutung sein.


Dass der „Iran“ auf der Tagesordnung steht, ist angesichts der bis Ende Juni 2015 angestrebten Einigung zu Umfang und Überwachung des iranischen Atomenergieprogramms verständlich. Sehr irritierend jedoch ist, dass ausgerechnet in einer derart entscheidenden Phase der Historiker Nyall Ferguson Gast der Bilderberg-Konferenz 2015 gewesen ist. Er war in 2012 auf den Konferenzen von Bilderberg und von Yes Ukraine, obwohl er im Welt-Gastartikel „Ein Präventivschlag gegen den Iran ist das kleinere Übel“ vom 11.02.2012 einen Angriff mit bunkerbrechenden Waffen auf die iranischen Atomanlagen empfohlen hatte.
Seine Teilnahme ist auch deshalb alarmierend, weil laut Jim Tuckers „Bilderberg Diary“ bereits auf der Bilderberg-Konferenz 2005 kontrovers über einen möglichen Angriff auf den Iran diskutiert worden ist, was sich mit der anonymen Aussage eines britischen Freimaurers von Anfang 2010 gegenüber Project Avalon deckt, wonach im Juni 2005 auf einer Freimaurer-Sitzung in der City of London über einen möglichen Angriff auf den Iran (unter dem Vorwand von dessen Atomprogramm) gesprochen worden ist, über welchen zuvor auf der Ebene einer internationalen „Über-Regierung“ diskutiert worden sei, entsprechend einem strategischen Konzept namens „Angelsächsische Mission“.

Zu den Tagesordnungspunkten „Middle East“ und „Chemical Weapon Threats“ fallen vor allem die Gäste John R. Allen (Sondergesandter des US-Präsidenten für die globale Koalition gegen ISIS), David Petraeus (ehemaliger CIA-Chef) und Ahmet Üzümcü (Generaldirektor der OPCW) auf.

In 2014 begann die ISIS-Offensive, die zur Einnahme Mossuls führte, kurz nach der Bilderberg-Konferenz, welche sich u. a. mit einer neuen Architektur für den Mittleren Osten beschäftigte.
In 2012 haben zumindest die US-Geheimdienste ISIS wegen seines Potentials zur Schwächung der syrischen Regierung noch positiv eingeschätzt gehabt (Luftpost Kaiserslautern 103/2015).
Und nun hat man unter Ausschluss der Öffentlichkeit über der Bekämpfung von ISIS diskutiert. Kommt als nächstes die Eroberung Bagdads? Man wird sehen.

Wie der GMX-Artikel „Schreckensherrschaft des Islamischen Staats: Versklavung, Vergewaltigungen, öffentliche Hinrichtungen“ vom 10.06.2015 zeigt, ist ISIS großangelegt im Geschäft mit dem Menschenhandel und in der Misshandlung von Frauen und Mädchen tätig. Derartige Taten passen nicht zu gläubigen Moslems. Auch die Massenhinrichtungen durch ISIS scheinen eher zu einer okkulten oder kriminellen Organisation zu passen als zu einer islamistischen.
Sieht so die Neuordnung des Mittleren Ostens aus?

Daher wäre es mehr als angebracht, ISIS als transnationale kriminelle Organisation entsprechend der dafür existierenden Uno-Konvention incl. deren Zusatzprotokollen gegen den Menschenhandel und gegen den illegalen Waffenhandel zu verfolgen in Zusammenarbeit mit den dafür im Irak und in Syrien zuständigen Strafverfolgungsbehörden.

Dass nach der gerade noch erfolgten Absage des US-Angriffs auf Syrien am 31.08.2013, der zu einem Weltkrieg geführt hätte, auch danach erst einmal auf einen solchen Angriff verzichtet worden ist, liegt ganz entscheidend mit daran, dass Syrien zugesagt hat, alle seine Chemiewaffen unter Kontrolle der OPCW vernichten zu lassen. Die Sicherheit des Weltfriedens dürfte auch weiterhin erheblich von den Ergebnissen der OPCW beeinflusst werden, deren Generaldirektor nun zum zweiten Mal in Folge bei Bilderberg ist.

Zu den Tagesordnungspunkten „NATO“ und „Russland“ fällt vor allem die Teilnahme des aktuellen NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg auf. Die Teilnahme der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sowie von deren Staatssekretärin Katrin Suder könnte in Zusammenhang stehen mit der derzeit in Deutschland geführten Debatte über eine mögliche Aufweichung des parlamentarischen Zustimmungsvorbehalts für deutsche Militäreinsätze (Art. 115a GG).

Wie schon in den letzten Jahren fällt auch diesmal bei Bilderberg die verstärkte Präsenz von Think Tanks auf, hier am prominensten diesmal Robert Rubin (Mit-Vorsitzender des Council on Foreign Relations), Richard Perle (American Enterprise Institute) und William Burns (Carnegie Endowment for International Peace).
Auch der ehemalige nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten, Thomas E. Donilon, dürfte von Gewicht sein.

Unter den ranghöchsten Konferenzteilnehmern 2015 sind die Premierminister Belgiens (Charles Michel) und der Niederlande (Mark Rutte), der Präsident Österreichs (Heinz Fischer) und die niederländische Prinzessin Beatrix (ehemalige Königin und Tochter des langjährigen Bilderberg-Vorsitzenden Prinz Bernhard).

Von besonderem Gewicht dürften wie immer die zahlreichen Vertreter von Banken und privaten Medien sein angesichts ihrer Macht zur Beeinflussung der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit und des Potentials entsprechender Absprachen.


Links:

Bilderberg-Tagesordnung 2015

Bilderberg-Teilnehmer 2015

abschließende Bilderberg-Teilnehmer-Liste 2013

vorläufige Bilderberg-Teilnehmer-Liste 2013 (Stand 03.06.2013)

Tagesspiegel-Artikel „Wir haben rote Linien überschritten“ vom 09.06.2015 www.tagesspiegel.de/politik/yanis-varoufakis-im-interview-wir-haben-rote-linien-ueberschritten/11887860.html

Wikipedia-Eintrag zum Think Tank „New Economic Thinking“

BDI-Papier „Ein neuer Vertrag für den Euro – 12 Thesen aus einer industriellen Perspektive“

Artikel „Deutsche Industrie fordert Zwangsvollstreckung für Schuldenstaaten“ der Deutschen Wirtschaftsnachrichten vom 18.08.2013.

Unser-Politikblog-Artikel „Globales Staateninsolvenzverfahren zur Schaffung einer privaten Neuen Weltordnung (NWO) vom 27.10.2014

Nyall Fergusons Gastartikel in der Welt vom 11.02.2012 „Ein Präventivschlag gegen Iran ist das kleinere Übel“

anonyme Aussage eines britischen Freimaurers gegenüber Project Avalon zur sogenannten „Angelsächsischen Mission“

Voltairenet-Artikel „Washington Relaunches its Iraq Partition Project“ vom 19.06.2014

Luftpost Kaiserslautern in Ausgabe „LP 103/15“ vom 27.05.2015

GMX-Artikel „Schreckensherrschaft des Islamischen Staats: Versklavung, Vergewaltigungen, öffentliche Hinrichtungen“ vom 10.06.2015

Uno-Konvention gegen transnationale organisierte Verbrechen

Tagesspiegel-Artikel „Ursula von der Leyen stellt Parlamentsvorbehalt bei Auslandseinsätzen in Frage“ vom 21.03.2015

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