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Freitag, 15. Februar 2019

Hartz IV Sanktionen vor dem Bundesverfassungsgericht


Unser Politikblog | 14.02.2019

Am 15.01.2019 fand vor dem Bundesverfassungsgericht die mündliche Verhandlung zu den Hartz IV – Sanktionen statt (Az. 1 BvL 7/16). Der Fall wurde vorgelegt vom Sozialgericht Gotha. Dafür maßgeblich waren ein dort gestellter Antrag auf eine Vorlage (Art. 100 GG) nach Karlsruhe und das zu diesem Antrag gehörende Gutachten, welches im Auftrag der Bürgerinitiative Bedingungsloses Grundeinkommen erstellt worden ist.
Es konzentriert sich auf die Art. 1 (Menschenwürde), 2 (Freiheit), 3 (Gleichheitsgrundsatz), 12 (Berufsfreiheit) und 20 (Sozialstaatsgebot) des Grundgesetzes.
Zum ersten Mal stehen damit die Sanktionen zum ALG 2 in Karlsruhe auf dem Prüfstand.

Unser Politikblog sprach mit Ralph Boes, einem der bekanntesten Aktivisten dieser Initiative, der sich mit großem persönlichem Einsatz und Zivilcourage für den Ersatz von Hartz IV (Arbeitslosengeld 2) durch ein bedingungsloses Grundeinkommen und daneben zur Bewusstseinsbildung für das Grundggesetz engagiert. Im Interview schildert er seine Eindrücke von der mündlichen Verhandlung. Er informiert, auf welche Weise eine Sanktionierung selbst in so existentielle universelle Menschenrechte eingreift wie die auf Nahrung, auf Wohnung und auf Gesundheit (Art. 11 und 12 Uno-Sozialpakt).

Der Verein Tacheles e. V. hat zu dem verfassungsgerichtlichen Verfahren eine Stellungnahme eingereicht, in welchem er die Hartz IV – Sanktionen u. a. am Maßstab des Grundgesetzes, des Uno-Sozialpakts, der Europäischen Sozialcharta und der EU-Grundrechtecharta betrachtet.



Eines der wichtigsten Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum, welches auch im Interview angesprochen wird, ist am 09.02.2010 ergangen (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) am Maßstab der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und des Sozialstaatsgebots (Art. 20 Abs. 1 GG). Laut dessen Leitsatz 1 umfasst das Existenzminimum die für die physische Existenz und für ein Mindestmaß an kultureller und politischer Teilhabe erforderlichen materiellen Voraussetzungen.

Am 17.10.2018 hat sich der Ausschuss der Vereinten Nationen zum Uno-Sozialpakt in Tz. 46 seiner abschließenden Beobachtungen zu Deutschland besorgt gezeigt über die Berechnungsweise des Regelsatzes von Hartz IV und insbesondere über die Hartz IV – Sanktionen und dabei an Deutschlands Verpflichtungen aus Art. 6 Uno-Sozialpakt (Recht auf Arbeit), Art. 9 Uno-Sozialpakt (Recht auf soziale Sicherheit) und Art. 11 Uno-Sozialpakt (Rechte auf Nahrung, Wohnung, Kleidung und angemessenen Lebensstandard) erinnert.

Deutschlands Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles hat darauf öffentlich versprochen, sich um die Hartz IV Sanktionen zu kümmern. Nach einer Klausur des SPD-Vorstands im Februar 2019 wird nun etwas konkreter für den „Sozialstaat 2025“ versprochen, bei längeren Beitragszeiten das ALG 1 länger zu zahlen, die ALG 2 – Sanktionen zu lockern und das ALG 2 in „Bürgergeld“ umzubenennen. Das Schlagwort „Sozialstaat 2025“ lässt Zweifel aufkommen, wieviel davon schon vor 2025 verwirklicht werden soll.



Links:


Musterantrag der Bürgerinitiative Bedingungsloses Grundeinkommen auf Richtervorlage und das dazu gehörende Gutachten http://grundrechte-brandbrief.de/Vorlageantrag/Inhaltsverzeichnis.htm


abschließende Beobachtungen des Ausschusses zum Uno-Sozialpakt zu Deutschland vom 17.10.2018:


Stellungnahme des Vereins Tacheles e. V. ans Bundesverfassungsgericht
Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 zum Existenzminimum http://grundrechte-brandbrief.de/Vorlageantrag/Inhaltsverzeichnis.htm


Webseite für eine Kunstaktion von Ralph Boes und weiteren Aktivisten am 23.05.2019 zum 70. Grundgesetzgeburtstag http://deine-verfassung.de





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