06. Juli 2011 |Ute Hausmann FIAN Deutschland e.V. auf Unser Politikblog
6.7.2011, Köln. Deutliche Kritik, verpackt in diplomatische Worte, hat der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN-Sozialausschuss) kürzlich in seinem am 20. Mai veröffentlichten Bericht an der deutschen Sozialpolitik formuliert. Mit seinen Anmerkungen hat der Ausschuss die Bewertung des bereits 2008 von der Bundesregierung vorgelegten 5. Staatenberichts abgeschlossen.
Berechnungsgrundlagen für Arbeitslosengeld II noch immer zweifelhaft
Der UN-Sozialausschuss zweifelt zunächst an, dass die Bundesregierung mit den Gesetzen zur Umsetzung der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zu dem Grundrecht auf ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ (Urteil vom 09.02.2010) tatsächlich bereits einen Berechnungsmaßstab gefunden hat, der das Menschenrecht auf einen angemessenen Lebensstandard aus Artikel 11 des UN-Sozialpaktes sicherstellt. In diesem Zusammenhang fordert der Ausschuss die Bundesregierung unter anderem auf, die Höhe der gewährten Leistungen, insbesondere auch für Kinder, erneut – und später regelmäßig - daraufhin zu kontrollieren, ob sie dem tatsächlichen Bedarf entsprechen.
Breites Konzept zur Armutsbekämpfung gefordert
Erstmals fordert der UN-Ausschuss darüber hinaus die Bundesregierung auf, ein konsistentes Konzept zur Armutsbekämpfung innerhalb Deutschlands vorzulegen und darin ausdrücklich den Menschenrechten – einschließlich des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard und des darin enthaltenen Rechts auf Ernährung – Raum zu gewähren. Aus Sicht FIANs bedeutet dies vor allem die Betonung der Tatsache, dass die Vernachlässigung der inländischen Armutsbekämpfung keine „lässliche Sünde“ ist, sondern eine Verletzung grundlegender Menschenrechte. Tim Engel, Sprecher des FIAN-Arbeitskreises Recht auf Nahrung in Deutschland und Mitglied des FIAN-Vorstands, betont: „Der UN-Sozialausschuss hat gegenüber der Bundesregierung deutlich gemacht, dass Armutsbekämpfung keine Gnade des Staates ist, sondern eine menschenrechtliche Pflicht, die die Bundesregierung bislang nicht ausreichend erfüllt hat.“
Ernährung armer Kinder nicht sichergestellt
FIAN hatte sich mit weiteren Nichtregierungsorganisationen an einem Parallelbericht zu der Vorlage der Bundesregierung beteiligt und an Anhörungen vor dem UN-Ausschuss im Mai teilgenommen. Dabei hatte FIAN unter anderem kritisiert, dass die Regelleistungen für BezieherInnen von Arbeitslosengeld II nach wie vor nicht den tatsächlichen Bedarf decken, der zur Erfüllung des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard notwendig ist und nicht zuletzt Kinder mit dem bestehenden Regelsatz nicht qualitativ ausreichend ernährt werden können. Ute Hausmann, Geschäftsführerin von FIAN Deutschland, erklärt hierzu: „Der UN-Ausschuss hat die Bundesregierung in seinem Bericht nachdrücklich aufgefordert, sicherzustellen, dass gerade Kinder aus armen Familien ausreichenden Zugang zu Nahrung bekommen und sie diese tatsächlich erhalten.“ Darüber hinaus hatte FIAN moniert, dass für die Gewährung von Leistungen an AsylbewerberInnen bislang kein ausreichender Berechnungsmaßstab vorliegt und diese zudem immer noch in einigen Bundesländern mit Sach- statt Geldleistungen versorgt und damit in ihrem Recht auf freie Nahrungswahl verletzt werden.
Zusatzprotokoll für Individualbeschwerdeverfahren noch nicht ratifiziert
Schließlich hat der UN-Ausschuss die Bundesregierung in seinen Anmerkungen auch darin bestärkt, das Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt, mit dem ein sog. Individualbeschwerdeverfahren geschaffen werden soll, zu ratifizieren. Dies entspricht Forderungen von FIAN und anderen Nichtregierungsorganisationen, für die nicht nachvollziehbar ist, dass die Bundesregierung bei der Ratifizierung - angesichts ihres früheren Engagements für die Schaffung des Beschwerdeverfahrens - nunmehr auf der Bremse steht und damit ihren eigenen Bürgern ein Beschwerderecht zum UN-Sozialausschuss vorenthält.
Danke für diesen gelungenen Beitrag.
AntwortenLöschenIch freue mich, dass unsere Regierung mal von "außen" erfährt, dass es auch in unserem Land Rechte für Menschen gibt, die nicht einfach dem Profit der Konzerne und Banken geopfert werden dürfen. Leider gibt es in unserem Land selber noch viele Vorurteile gegenüber in Not geratenen Menschen, so dass ein Verständnis gegen falsche Politik vorzugehen und Gerechtigkeit einzufordern nicht genügend entwickelt ist. Die "Gehirnwäsche über die Mainstreammedien" läuft da nahezu perfekt. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, durch eigene Aufklärungsarbeit und Vorbild etwas zu erreichen und freue mich auf jeden "Druck" und Mithilfe, damit wir in Deutschland wieder zu menschlichem Verhalten der gegenseitigen Rücksichnahme und Achtung zurückfinden. Vielen Dank!