Unser Politikblog | 04.10.2017
(Volker Reusing,, Sarah Luzia Hassel-Reusing (plaintiff) and Wolfgang Effenberger (plaintiff) at the 17.03.2016 in front of the Constitutional Court) |
Anfang
Juli 2017 ist die Eskalation des Syrien-Konflikts zum wiederholten
Male knapp verhindert worden.
In
dieser Pressemitteilung geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern
um unverantwortliche Gedanken- und Handlungslinien und
Identifikationen mit diesen, und wie gerade noch rechtzeitig ein
Ausstieg aus diesen gelungen ist.
Am
17.06.2017 haben die Menschenrechtlerin Sarah Luzia Hassel-Reusing,
Wolfgang Effenberger und Gabriela-Schimmer-Göresz
Verfassungsbeschwerde (Az. 2 BvR 1400/17) gegen den Beschluss des
Bundestags vom 09.11.2016 über die Verlängerung und Erweiterung des
Syrien-Einsatzes der Bundeswehr eingelegt.
Mit
Schreiben vom 03.07.2017 haben sie dem Gericht eindringlich die
damals akuten Eskalationsgefahren des Syrien-Konflikts gerade noch
rechtzeitig verdeutlicht zur Begründung, dass die beantragten
einstweiligen Anordnungen nicht nur wegen der Rechtswidrigkeit des
deutschen Syrien-Einsatzes dringend geboten gewesen sind, sondern
auch als entscheidendes Signal, um die Eskalation zum thermonuklearen
Krieg noch zu verhindern.
Das
Schreiben hat auch dargelegt, dass die Verlegung der Bundeswehr von
der Türkei nach Jordanien mit den beantragten einstweiligen
Anordnungen in keiner Weise vergleichbar ist, zumal die Bundeswehr
dadurch näher an den Brennpunkt Al-Tanf verlegt werde.
Damals
waren die USA und Großbritannien zusammen mit 4.500 gemäßigt als
„Freie Syrische Armee“ etikettierten Kämpfern nach Al-Tanf im
Südosten Syriens einmarschiert, haben dort in einem weiten Umkreis
um Al-Tanf einseitig eine „Deconfliction Zone“ ausgerufen und am
18.05.2017, am 06.06.2017 und am 08.06.2017 mit Syrien verbündete
schiitische Milizen bzw. die syrische Armee beschossen. Und am
20.06.2017 wurde bei Al-Tanf eine syrische Drohne abgeschossen. Im
Namen des ad hoc – Bündnisses „Internationale Allianz im Kampf
gegen Isis“, zu dem auch Deutschland und die NATO gehören, wurde
zu diesen Zwischenfällen am 20.06.2017 verlautbart, sie werde
angesichts der kürzlichen Ereignisse auf Seiten der syrischen
Regierung stehenden Luftwaffen nicht erlauben, nah an die Truppen der
Allianz oder ihrer Partner heranzukommen.
Auch in
der Provinz Raqqa drohte der Konflikt außer Kontrolle zu geraten.
Die USA haben am 18.06.2017 ein syrisches Kampfflugzeug abgeschossen,
welches bei dem damals an der Front zwischen den kurdisch geführten
SDF und Isis gelegenen Ort Ja'din nach Angaben der SDF zuvor deren
Truppen bombardiert habe, nach Angaben der syrischen Regierung
hingegen Isis bombardiert haben soll. Dazu ist im Namen der
Internationalen Allianz im Kampf gegen Isis verlautbart worden, dass
diese die SDF verteidigen werde. Ja'din liegt unweit der
Luftwaffenbasis von Al-Tabaqa, welche die USA im Mai 2017 für 10
Jahre von den Kurden gemietet haben. Am 20.06.2017 hat Russland
angekündigt, dass nun in Syrien jegliche Flugobjekte westlich des
Euphrat in die Zielerfassung genommen werden, und hat für etwa 3
Tage die Koordination der Luftwaffeneinsätze in Syrien zur
Vermeidung direkter Zusammenstöße mit den USA ausgesetzt. Auch
Al-Tanf liegt westlich des Euphrat.
Dass die
Zwischenfälle bei Al-Tanf und Ja'din jeweils gleich im Namen des
gesamten ad hoc – Bündnisses Internationale Allianz im Kampf gegen
Isis gerechtfertigt worden sind, zeigt, wie nah die NATO und auch
Deutschland davor standen, in die letzte Eskalation hineingezogen zu
werden.
Der
Schriftsatz vom 03.07.2017 hat außerdem gewarnt, dass Seine
Exzellenz, der saudische Verteidungsminister und Kronprinz, laut
Medienberichten vom 23.06.2017 und vom 27.06.2017 angekündigt hat,
Russland „ein Ultimatum“ zu stellen wegen russischer Angriffe auf
die „Freie Syrische Armee“ (FSA) und geäußert habe,
Saudi-Arabien
habe die „militärischen Möglichkeiten“, „um die russischen
Truppen in Syrien innerhalb von drei Tagen zu vernichten.“
Seit
2016 ist Saudi-Arabien Atommacht (Abschnitt VII.2.12.2 der
Verfassungsbeschwerde).
Desweiteren
hat am 27.06.2017 Sean Spicer, der damalige Sprecher des Weißen
Hauses, gemutmaßt, es könnte in Syrien zu einem weiteren
Chemiewaffenzwischenfall kommen, und Nikki Haley, Ihre Exzellenz,
die Uno-Botschafterin der USA, hat außerdem gewarnt, jegliche
weiteren Chemiewaffenangriffe auf die syrische Zivilbevölkerung
würden außer Syrien auch dem Iran und Russland zur Last gelegt
werden. Und Großbritannien hat damals verlautbart, es würde sich
einem US-Angriff auf Syrien anschließen, wenn das britische
Parlament dem zustimmen würde. Bis zum 29.06.2017 hatten die USA
zwei Flugzeugträger vor die syrische Küste verlegt, um im Falle
eines Chemiewaffenvorfalls die syrische Luftwaffenbasis Al-Schayrat
anzugreifen. Russland und Syrien rechneten bereits am 29.06.2017
damit, dass Dschihadisten in den Provinzen Idlib oder Deraa
Chemiewaffen einsetzen würden, um dies dann der syrischen Regierung
zuzuschieben und so einen US-Angriff zu provozieren. Das Schreiben
vom 03.07.2017 hat außerdem anhand eines Artikels der Zeitung „Die
Welt“ über den US-Luftangriff vom 07.04.2017 das erhebliche Risiko
gezeigt, dass Seine Exzellenz, US-Präsident Donald Trump durch einen
solchen Vorfall emotional vor einer ordentlichen Untersuchung der
Täterschaft zur Eskalation manipuliert zu werden drohte.
Nach
dem Chemiewaffen-Zwischenfall in Ghouta vom 21.08.2013 war der
Einstieg in die Eskalation bis zum thermonuklearen Krieg am
31.08.2013 gerade noch dadurch verhindert worden, dass die
US-Regierung gerade noch rechtzeitig die bereits vorbereiteten
US-Luftangriffe abgesagt hat, nachdem sie von der russischen
Vergeltungsdrohung gegen Saudi-Arabien und der bereits erfolgten
Bereitmachung der russischen Luftwaffe dafür erfahren hatte
(Abschnitte VII.2.16.1 + VII.2.16.2 der Verfassungsbeschwerde).
Nach
dem 03.07.2017 sind die in dem Schriftsatz genannten
Eskalationsgefahren entscheidend zurückgefahren worden, während
vorher noch alle Zeichen auf nukleares Armageddon standen.
Entscheidend
dürfte auch gewesen sein, dass es nicht bereits vor dem ersten
persönlichen Treffen Ihrer Exzellenzen, der Präsidenten der USA und
Russlands am 07.07.2017 zur Eskalation gekommen ist.
Zuerst
kam die Nachricht am 06.07.2017, dass die US-Armee die
Luftwaffenbasis Al-Tabaqa doch nicht bezogen hat, um Zusammenstöße
mit der syrischen Armee zu vermeiden.
Die
USA haben bis zum 23.07.2017 jegliche Unterstützung ihres
Auslandsgeheimdienstes CIA für die FSA gestoppt.
Am
18.08.2017 hat die Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather
Nauert, eine Meldung der syrischen Kurden, die USA würden für
Jahrzehnte in Syrien bleiben, dementiert und stattdessen angegeben,
die Mission der USA in Syrien und Irak sei es einzig, Isis zu
besiegen.
Anfang
September hat US-General Raymond Thomas die Völkerrechtswidrigkeit
der US-Truppen-präsenz in Syrien eingeräumt. Und Seine Exzellenz,
der russische Außenminister Sergej Lawrow, hat angedeutet, dass die
US-Truppen bis zum Sieg über Isis bleiben dürften.
Einige
Gruppen der 4.500 bei Al-Tanf nach Syrien einmarschierten FSA-Kämpfer
haben ihre Beziehungen zur Internationalen Allianz im Kampf gegen
Isis am 24.07.2017 abgebrochen, nachdem diese ihnen untersagen
wollte, die syrische Armee anzugreifen. Andere Gruppen der o. g.
FSA-Kämpfer ziehen sich inzwischen aus Syrien zurück, und die
britischen Truppen haben Syrien bis zum 10.09.2017 wieder verlassen.
Saudi-Arabien
und Russland arbeiten inzwischen an einer deutlichen Verbesserung
ihrer Beziehungen. Von den Drohungen aus Juni 2017 ist nichts mehr zu
vernehmen.
Wenn
eine Behörde oder ein Gericht Informationen erhalten, die von
Gewicht sind für die innere oder äußere Sicherheit, hat es diese
zur Kenntnis in Kopie an die dafür zuständigen Behörden bzw.
Ministerien zu senden. Dafür, dass das Schreiben vom 03.07.2017
ursächlich gewesen ist für die Verhinderung der Eskalation zum
Weltkrieg, sprechen der zeitliche Ablauf und das gezielte
Zurückfahren der darin genannten Eskalationsgefahren. Online
gestellt wurde der Schriftsatz am 13.07.2017.
Die
Verfassungsbeschwerde hat u. a. beantragt, die Bundesregierung zu
verpflichten, in der Uno-Vollversammlung ein Gutachten des
Internationalen Gerichtshofs (IGH) zu beantragen, wie die Auslegung
der EU-Vorschriften für „humanitäre Interventionen“ in aller
Welt im Namen von „Werten und Interessen“ (Art. 42 Abs. 5 EUV)
und von „Krisenbewältigung“ (Art. 43 Abs. 1 EUV) so
einzuschränken ist, dass damit das Angriffskriegsverbot, der
Ranganspruch der Uno-Charta und das Verbot, Menschenrechte gegen die
Uno-Charta zu missbrauchen, nicht mehr umgangen werden können:
„Wie
genau muss die Auslegung der Vorschriften des Vertrags über die
Europäische Union (EUV) über Militärinterventionen für Werte und
Interessen (Art. 42 Abs. 5 EUV), über Militärinterventio-nen zur
Einmischung in Krisen (Art. 43 Abs. 1 EUV) sowie die noch nicht gem.
Art. 42 Abs. 2 Unterabs. 1 EUV ratifizierte EU-Bündnisfallklausel
(Art. 42 Abs. 7 EUV) jeweils mit der Uno-Charta und der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte (AEMR) konform einschränkend ausgelegt
werden, dass die Möglichkeit, mit diesen Vorschriften Art. 2 Abs. 4
Uno-Charta, Art. 103 Uno-Charta oder Art. 29 Nr. 3 AEMR zu verletzen,
lückenlos ausgeschlossen und zugleich das Risiko der Nichtigkeit des
EUV gem. 53 Wiener Vertragsrechtskonvention wegen Unvereinbarkeit
mit
den zum „ius cogens“ gehörenden Uno-Charta und AEMR
ausgeschlossen wird?“
Diese
Fragestellung kann sowohl bei einer Verfassungsbeschwerde gegen eine
weitere Verlängerung des deutschen Syrien-Mandats, als auch durch
eine künftige Regierung jederzeit erneut auf den Tisch kommen.
Die
Verfassungskläger zu 2 BvR 576/16, 2 BvR 2174/16 und 2 BvR 1400/17
haben mehr zum Erhalt des Weltfriedens beigetragen, als alle
Bundestagsabgeordneten zusammen. Letztere haben noch nicht einmal die
Rechtsgrundlagen für Kampfeinsätze der Bundeswehr und die
Eskalationsgefahren sorgfältig geprüft gehabt.
Die
Verfassungsbeschwerde vom 17.06.2017 ist bereits der dritte Anlauf
mit zum Teil unterschied-lichen Klägern gewesen, um den
rechtswidrigen Syrien-Einsatz und die Eskalationsgefahren des
Konfliktes zu stoppen. Die Verweigerungshaltung bestimmter Richter in
Karlsruhe ist dabei längst zu einem eigenen Sicherheitsrisiko
geworden.
Volker
Reusing und Sarah Luzia Hassel-Reusing haben inzwischen, unterstützt
von Wolfgang Effenberger und Dr. Petra Plininger, die Petition
„Stoppt den Grundrechtsboykott“ gestartet mit einem Gesetzentwurf
zur Stopfung der Schlupflöcher, mit denen das
Bundesverfassungsgericht sich heute noch de facto vor der Behandlung
ordnungsgemäß geltend gemachter Grund- und Menschenrechte drücken
kann.
V.i.S.d.P.:
Sarah
Luzia Hassel-Reusing, Thorner Str. 7, 42283 Wuppertal, 0202/2502621
Link
zu Verfassungsbeschwerde und Schriftsätzen dazu
Links
zur Eskalationsgefahr bei Al-Tanf
Links
zur Eskalationsgefahr in Raqqa
Links
zu saudischen Kriegsdrohungen gegen Russland
Links
zur Eskalationsgefahr durch Chemiewaffenzwischenfälle
Link
zur Deeskalation in Raqqa
Link
zum Stop der CIA-Unterstützung für die FSA
Links
zu Äußerungen der USA bzgl. Rückzugsbereitschaft für die Zeit
nach Sieg über Isis
Links
zu Deeskalation bei Al-Tanf
Link
zu Deeskalation zwischen Saudi-Arabien und Russland
Petition
„Stoppt den Grundrechtsboykott“
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