Unser Politikblog | 01.12.2017
Am 13.11.2017 haben die Außen- und
Verteidigungsminister der von 23 der 28 EU-Mitgliedsnationen eine
Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (Art. 42 Abs. 6 EUV, Art. 46
EUV, Protokoll 10 zu EUV und AEUV) beschlossen (ohne Dänemark,
Großbritannien, Irland, Malta und Portugal), abgekürzt SSZ oder
PESCO.
Es geht dabei derzeit u. a. um (Anhang
II) eine jährliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben (Nr. 1), um
die Erhöhung des Anteils der Investitionen an den nationalen
Verteidigungshaushalten auf 20% (Nr. 2), um mehr gemeinsame
Beschaffungen (Nr. 3), um die Harmonisierung der Entwicklung neuer
militärischer Fähigkeiten zwischen den PESCO-Teilnahmern (Nr. 9),
um die verstärkte Nutzung existierender gemeinsamer militärischer
Strukturen der EU (Nr. 13) und um Interoperabilität mit der NATO
(Nr. 13). Die Verlautbarung sieht PESCO auch als eine Stärkung der
europäischen Säule der NATO und als eine Stärkung der NATO (Anhang
I Abs. 2+3).
Die Einführung einer „gemeinsamen
Verteidigung“ der EU erfordert gem. Art. 42 Abs. 2 Unterabs. 1 EUV
zuvor einen entsprechenden Beschluss des Europäischen Rats (des
Gremiums auf EU-Ebene der Regierungschefs der Mitgliedsstaaten) sowie
die Zustimmung der nationalen Parlamente. Das Lissabon-Urteil des
deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 30.06.2009 (siehe vor allem
Rn. 389+390) hat entschieden, dass die EU vor Durchführung dieser
Schritte kein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit i. S. v.
Art. 24 Abs. 2 GG ist, fasst also den Begriff „gemeinsame
Verteidigung“ sowohl die Schaffung einer EU-Armee als auch die
Gültigmachung der EU-Bündnisfallklausel (Art. 42 Abs. 7 EUV). Der
EU-Ministerrat hingegen ist, wie aus der Verlautbarung zu PESCO
ersichtlich, der Auffassung, dass die EU-Bündnisfallklausel (Art. 42
Abs. 7 EUV) längst gültig sei (Erwägungsgrund 13 der Präambel),
dass erst für die Schaffung einer EU-Armee das in Art. 42 Abs. 2
Unterabs. 1 EUV festgelegte Verfahren erforderlich sei (Anhang I Abs.
3), und dass PESCO ein beträchtlicher Schritt in Richtung einer
EU-Armee sei. Am 17.11.2015 hatten die Verteidigungsminister im
EU-Ministerrat als Reaktion auf den Isis-Terror in Paris die
EU-Bündnisfallklausel erstmals angewandt (Az. 14120/15) und dabei u.
a. das Lissabon-Urteil ignoriert.
Die Veterans for Britain sind ein von
britischen Offizieren gegründeter Verband, der sich für den
britischen EU-Austritt (Brexit) engagiert.
Volker Reusing hat für Unser
Politikblog David Banks (Head of Communications der Veterans for
Britain) zur möglichen Schaffung einer EU-Armee interviewt. Es geht
in dabei auch um den Brexit, um die Auswirkungen auf die NATO und um
das Spannungsfeld zwischen zwischen dem Ranganspruch des EU-Rechts
(Art. 1 EUV, Art. 51 EUV, Erklärung 17 zu EUV und AEUV) und den
EU-Vorschriften für Kampfeinsätze in aller Welt (Art. 42 Abs. 5
EUV, Art. 43 Abs. 1 EUV) auf der einen und dem Ranganspruch der
Uno-Charta (Art. 103) und deren Angriffskriegsverbot (Art. 2 Abs. 4)
auf der anderen Seite. Außerdem wird beleuchtet, ob PESCO und
EU-Armee als Schritte zur Schaffung eines Staates EU zu sehen sind,
und ab welchem Schritt die Zustimmungen der nationalen Parlamente
erforderlich ist. Des weiteren geht es darum, wie die künftige
britische Sicherheitspolitik ohne die EU aussehen könnte.
Das Interview ist in englischer
Sprache. Daher findet sich hier auf dem Blog am Ende dieses Artikels
eine deutsche Übersetzung.
Siehe auch das Thema EU-Armee im
Kontext der Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vor
den Diplomaten das Interview von Unser Politikblog mit Niki Vogt.
Links:
Niki Vogt
Wikipedia zu PESCO
deutsches
Bundesverteidigungsministerium zu PESCO
offizielle Bekanntmachung der Hohen
Repräsentantin der EU für Außenpolitik und des EU-Ministerrats zu
PESCO
Webseite der Veterans for Britain
Kritik der Veterans for Britain an der
EU-“Verteidigungsunion“
Deutsche Übersetzung des Interviews
Volker Reusing
Es ist der 14. November 2017. Dies ist
die Sendung „Macht und Menschenrechte“ auf Unser Politikblog.
Mein Name ist Volker Reusing. Heute spreche ich mit David Banks; er
ist Head of Communications bei den Veterans for Britain, und wir
werden über die EU-Armee sprechen. Guten Abend, Herr Banks. Danke,
dass Sie sich für uns Zeit nehmen.
David Banks
Guten Abend. Es ist mir eine Freude,
mit Ihnen zu sprechen.
Volker Reusing
Herr Banks, was ist Ihre Position zu
einer EU-Armee?
David Banks
Nun, unsere Position ist etwas
kompliziert, wenn wir diese Frage in ihrer Gesamtheit verstehen, aus
den folgenden Gründen. Wir nennen es nicht „EU-Armee“, wir
bezeichnen es als „EU-Verteidigungsunion“. Dabei sind wir uns
vollkommen bewusst, dass „Verteidigungsunion“ und all die anderen
Namen, welche man diesem Thema gibt, ein Vorläufer ist zu einer
konkreteren eu-geführten militärischen Struktur. Dies ist also ein
Gehstein auf dem Weg zu einer EU-Armee, aber womit wir uns im Moment
beschäftigen, sind „Militärunion“ und „Verteidigungsunion“.
Und unsere Position dazu ist, dass wir wollen, dass das Vereinigte
Königreich kein Teil davon ist. Und wir sind in einem gewissen Maß
dagegen und vor allem nicht befürwortend, dass die Europäische
Union damit voran schreitet, einfach weil wir es als eine
Duplizierung von dem sehen, was bereits in der NATO existiert. Es
gibt einige weitere Themen, Probleme und Kritiken, welche wir haben
incl. hinsichtlich der eher undemokratischen Art und Weise, wie es
getan wird . Ich bin sicher, wir werden dazu später noch kommen.
Volker Reusing
Was denken Sie, wird die EU den Brexit
nutzen, um die EU-Armee zu schaffen ohne eine britische Möglichkeit,
dazu mit „Nein“ zu stimmen?
David Banks
Nun, in der Realität, die Wahrheit –
obwohl sie den Brexit als eine Ausrede benutzen, ist dies in der
Planung seit 2014, seit mehr als zwei Jahren. Ihre jetziger Vorwände
für die „Militärunion“ sind Brexit, Donald Trump und Russland.
Nun, wir haben keinen Zweifel, dass das Verhalten Russlands und die
russische Invasion in die Ukraine für die europäische Sicherheit
extrem abträglich sind, und das ist etwas, dessen wir uns im Westen
alle kollektiv zumindest bewusst sein sollten. Und wir müssen
Entschlossenheit zeigen im Westen gegen diese Art von Aktivität. Den
Weg, dies zu tun sehen wir über die NATO. Aber zurück zu Ihrer
ursprünglichen Frage: Nutzt die EU den Brexit? Nun, sie tun dies in
der Kommunikation, im Propagandakampf zur Rechtfertigung der
EU-Armee. Aber in aktuellen Tatsachen, ist dies geplant gewesen von
Herrn Barnier, von Herrn Juncker und von Frau Morgherini schon vor
der Brexit-Abstimmung und tatsächlich auch schon vor den allgemeinen
Wahlen 2015 im Vereinigten Königreich, welche vor der
Brexit-Abstimmung stattgefunden haben.
Volker Reusing
Hat die EU vor, die britische Armee an
eine EU-Armee zu binden trotz des Brexit?
David Banks
Es ist auffallend, dass die Europäische
Union versucht, das Vereinigte Königreich zur Teilnahme zu
ermutigen. Und dies erfolgt nicht auf die üblichen demokratischen
Weisen, denn sie ermutigen britische Beschäftigte des Öffentlichen
Dienstes, unsere Einwilligung zu geben zur Erhöhung und
Verbreiterung von Vereinbarungen mit Relevanz für die Sicherheits-
und Verteidigungspolitik, für Verteidigungsausgaben, für
Geheimdienst, für Weltraum und für eine ganze Reihe von
Auswirkungen. Das ist ungefähr ein Jahr lang so völlig
widerspruchslos vorausgegangen. Es haben also Beschäftigte des
britischen Öffentlichen Dienstes „Ja“ gesagt zu ungefähr 6
einzelnen Vereinbarungen des EU-Ministerrats. Und leider sind die
Minister lediglich verpflichtet worden, dem zu folgen, was
vorangegangen ist, was getan wird. Daher ja, die EU will, dass das
Vereinigte Königreich ein Teil davon ist, und sie haben auch
Norwegen, welches nicht in der Europäischen Union ist, ermutigt,
Teil ihrer „Militärunion“ - Pläne zu sein, und sie haben sogar
übernommen die Planung der „Verteidigungsunion“ und die neueste
Vereinbarung zu PESCO (permanente strukturierte Kooperation). Sie
enthält also die Möglichkeit für Drittstaaten, in diesen Kreis zu
kommen als das, was sie „zweite Länder“ nennen. Das Risiko ist
also sehr stark vorhanden für das Vereinigte Königreich, und die
Leute in ihren Büroblocks in Brüssel, diese ungewählten
EU-Bürokraten haben ihre Pläne, und sie wollen sehr, dass das
Vereinigte Königreich und Norwegen daran teilnehmen.
Volker Reusing
Sie haben die Duplizierung von
Streitkräften zwischen NATO und EU erwähnt, und, gut ich denke, es
könnte die NATO unterminieren, aber es gibt auch Befürchtungen von
Menschen in Ländern, welche keine NATO-Mitglieder sind, dass diese
Länder an die NATO gebunden werden könnten, aber diese Länder
wollten nur Mitglied der EU sein wie Österreich, Irland oder
Finnland. Was meinen Sie, bindet es eher Nichtmitglieder der NATO,
die EU-Mitglieder sind, an die NATO, oder unterminiert die EU
Verteidigungspolitik eher die NATO?
David Banks
Nun, ich denke, es unterminiert die
NATO in mehrerlei Hinsicht. Erstens untergräbt es die
Entscheidungsfindung der NATO und die Involvierung mit den USA, denn
es schafft eine getrennte Struktur. Und die EU ist sehr darauf aus,
diese eine Linie festzulegen bzgl. der Entscheidungsfindung der EU in
Autonomie gegenüber der NATO, was Sie mehrmals in den kürzlichen
Vereinbarungen finden werden. Und das finden wir besorgniserregend,
denn es schafft eine parallele Struktur, eine dualistische Struktur.
Was auch immer die NATO also entscheidet, und es mag alles mögliche
sein bzgl. Militärübungen, Verteidigungsausrüstung oder
Forschungsentwicklung oder selbst Politik hinsichtlich Einsätzen,
dann hat dies einen Gegenpunkt einer überlappenden Struktur. Das
kann unmöglich nützlich sein. Die andere Weise, in welcher es die
NATO unterminiert, sind die Strukturen, welche die EU schafft. Sie
haben bereits den Militärausschuss der Europäischen Union und ihren
Militärstab, in der NATO gibt es den Militärausschuss. In der EU
gibt es das taktische Lufttransportzentrum, in der NATO das
strategische Lufttransportzentrum. Man kann die ganze Liste entlang
gehen. Für alle Strukturen, welche die EU kürzlich geschaffen hat,
gibt es direkte Gegenüber in der NATO. Man muss sich also fragen,
was sie sich dabei denken, und warum sie denken, dass dies nützlich
sei. Als Herr Juncker gefragt wurde bzgl. der NATO-Finanzierung, und
ob er die EU-Mitgliedsstaaten ermutigen würde, die benötigte Menge
für ihr Militär auszugeben, sagte er einfach: „Hören Sie nicht
auf Washington oder den US-Präsidenten. Glauben Sie nicht den
Amerikanern.“ Nun, dass ist sehr wenig hilfreich,
denn im gleichen Atemzug, in welchem er
das sagt, ermutigt er die EU-Mitgliedsstaaten, sich seinen Plänen
anzuschließen. Dies würde also nahe legen, dass die EU will, dass
das Militär nach ihren Bestimmungen läuft. Die Bürokraten wollen
eher Kontrolle als eine geradeaus gerichtete Kontinuität des
NATO-Schirms, welcher uns so gut gedient hat.
Volker Reusing
Ok, die Duplizierung ist ein starkes
Zeichen, dass die mehr Gewicht auf die EU-Seite legen und nicht nur
die NATO ergänzen will.
David Banks
Können Sie das noch einmal sagen?
Volker Reusing
Wenn ich richtig verstehe, dann ist die
Duplizierung von Fähigkeiten ein starkes Zeichen dafür, dass die
EU nicht nur die NATO ergänzen will.
David Banks
Ja, dem würde ich zustimmen. Ich bin
sehr davon überzeugt, dass die EU über ihre gegenwärtige
Vereinbarung mit der NATO hinausgehen will. Denn die EU und die NATO
haben eine Vereinbarung unterzeichnet, laut welcher die NATO eine
Menge Zuständigkeiten delegieren würde an die EU. Und einige Leute
im Vereinigten Königreich dachten damals, dies sei nützlich. Aber
tatsächlich reflektiert es eine Art von wachsender Ambition, denn
sie haben nicht vor, zu stoppen bei den 42 Bereichen, welche
delegiert worden sind. Sie dehnen sie weiterhin aus. Und die
Tatsache, dass sie wirklich Strukturen erhalten haben, welche
duplizieren, zeigt, dass sie eine fortwährende Ausweitung
durchführen wollen. Und das ist alles Teil des EU-Projekts. Sie
benötigen ein Militär, um die Hoffnungen auf Staatlichkeit zu
rechtfertigen. Und sie sprechen sogar von einer neuen Ebene von
Ambition in den militärischen Vereinbarungen, welche sie gerade
geschaffen haben. Es ist also sehr klar, dass die Verteidigung, die
Effizienz und die Effektivität von Ländern, welche sich selbst
verteidigen, nicht ihre Motivation sind. Es ist die Zentralisierung
von Macht unter der Schirmherrschaft der EU.
Volker Reusing
Was soll nun gemacht werden im Rahmen
der strukturierten Zusammenarbeit von PESCO, welche noch keine
EU-Armee ist? Was meinen Sie, wann würde die Grenze erreicht, dass
es nicht nur strukturierte Zusammenarbeit wäre, sondern... wann
würde die Linie überschritten für den Beginn einer EU-Armee?
David Banks
Nun, das ist eine sehr gute Frage. Wir
können nur einige Anzeichen liefern von dem, was kürzlich gesagt
worden ist. Einige Daten werden erwähnt von Herrn Juncker, wo er
spricht von 2025 als dem Zeitpunkt, wo die „Verteidigungsunion“
vervollständigt würde. Das ist nur 7 bis 8 Jahre entfernt. Und das
würde bedeuten, dass sie von nichts bis zur vollen
„Verteidigungsunion“ gegangen wären innerhalb von 10 Jahren. Und
dies ist weiteres Zeichen ihrer Ambitionen. „Volle
Verteidigungsunion“ muss angesehen werden als „Gemeinsame
Verteidigung“. Und „Gemeinsame Verteidigung“ ist das
entscheidende Merkmal in den Verträgen, welches, wie Sie zutreffend
herausgestellt haben, ein Referendum in Mitgliedsstaaten erfordert,
und es erfordert die volle Zustimmung des EU-Rats. Daher denken wir,
dass vielleicht 2025 der Zeitpunkt ist, wenn dies erreicht sein wird.
Herr Juncker hat außerdem davon gesprochen, Entscheidung des
EU-Ministerrats
über PESCO und Militär mit
qualifizierter Mehrheit zu treffen. Das gibt der EU und dem
EU-Ministerrat viel mehr Macht im Gebrauch ihrer neu erlangten
militärischen Kräfte. Und auf eine gewisse Weise müssen bereits
das als eine Art von „Gemeinsamer Verteidigung“ ansehen. Wir alle
als Beobachter haben also nicht alles im Blick; es ist schwierig für
uns, genau zu die Bedeutung der Vertragsbestimmungen zu sehen, denn
sie ändern im Laufe der Zeit die Torpfosten. PESCO könnte man
ebenfalls als „Gemeinsame Verteidigung“ ansehen, denn es bedeutet
die Befehlsgewalt des EU-Ministerrat über Europas bewaffnete
Streitkräfte, zumindest soweit sie jetzt involviert sind mit diesen
23 Staaten. Ich denke, das beantwortet wahrscheinlich Ihre Frage. Es
ist ein sehr vages Bild.
Dass es der klare Prozess, welchen sie
derzeit fortsetzen, ist, dass sie „Gemeinsame Verteidigung“
erreichen wollen, und sie wollen sicherstellen, dass es mit der Zeit
buchstäblich unmöglich wird für jegliches Land, „Nein“ zu
sagen zur „Gemeinsamen Verteidigung“. Ihr Timing ist in Kreisen
und in Schlaufen, in Ketten, und sie einzuschließen, sodass es
unmöglich ist, sich herauszuziehen. Dies ist
eines der Dinge, über die wir besorgt
sind hinsichtlich des Vereinigten Königreichs. Aber es ist natürlich
auch ein Risiko für all die Länder, welche leider verbleiben unter
der Autorität der Europäischen Union. Der Vorläufer der
„Gemeinsamen Verteidigung“ ist jetzt, es geschieht, und sie
wollen es so schwierig wie möglich machen für jeden, der gegen die
Schaffung der „Gemeinsamen Verteidigung“ in 2025 ist. Und wir
können natürlich absehen, dass die EU alle ihre strategischen
Kommunikationsmöglichkeiten nutzen wird, um die Bevölkerungen der
EU zu überreden, „Ja“ zu sagen zur „Gemeinsamen Verteidigung“,
wenn das Erfordernis für Referenden ausgelöst wird. Und natürlich
werden all diese Staaten Ziel von Falschinformation, doppelter
Sprache und Geheimhaltung sein, wie es die EU in den letzten Jahren
zur Verteidigung getan hat.
Volker Reusing
Das Verfassungsgericht von Deutschland
hat in seinem Lissabon-Urteil vom 30. Juni 2009 in Nr. 389+390
herausgestellt, dass Art. 42 Abs. 2 Unterabs. 1 EUV dass vor einer
„Gemeinsamen Verteidigung“ der Europäische Rat einen Beschluss
fassen muss, dass sie eine „Gemeinsame Verteidigung“ wollen, und
dann müssen die Mitgliedsstaaten dies entsprechend ihren
verfassungsmäßigen Bestimmungen bestätigen, bedeutend die
Abstimmung mit „Ja“ durch die nationalen Parlamente. Aber es wird
nicht ausdrücklich definiert, was eine „Gemeinsame Verteidigung“
ist. Bedeutet das ausschließlich die EU-Armee oder auch die
Möglichkeit, die Bündnisfallklausel in Art. 42 Abs. 7 EUV
anzuwenden? Es wird nicht explizit gesagt.
David Banks
Nein, es ist nicht explizit, und ich
würde einfach hinzufügen, dass es unser Verständnis wäre, dass
die EU-Kommission direkte Autorität will über die Verteidigung, und
dass die Verteidigung eine EU-Kompetenz wird, sodass es keine
unabhängige mitgliedsstaatliche Rolle in der Verteidigung gibt. Ich
denke das ist es, was wir interpretieren würden als Bedeutung von
„Gemeinsame Verteidigung“. Aber wie immer bei der Europäischen
Union, wird es schrittweise getan. Wir haben „Gemeinsame
Verteidigung“ immer betrachten als einen Prozess, wo sie Sie einen
Pfad entlang führen, immer bis vor die Tür. Und dann öffnen sie
die Tür und fragen Sie, ob Sie eintreten wollen. Der Akt,
einzutreten in das Haus ist „Gemeinsame Verteidigung“. Aber sie
haben Sie bereits den ganzen Weg dort hinauf geführt über den Weg
durch den Garten. Bereits das ist eine aktive Trickserei und
Täuschung. Und wenn sie es dann schaffen, den Anschein zu erwecken,
dass „Gemeinsame Verteidigung“ bereits existiert, wenn 90%
bereits in eine gemeinsame Armee eingeschlossen sind, was macht es
dann noch aus, wenn weitere 10% dazu kommen, und es 100% werden? Das
wird wirklich die Frage sein, wenn nationale Entscheidungen und die
Referenden von Mitgliedsstaaten stattfinden werden.
Volker Reusing
Sie meinen, das wird vermutlich
bedeuten, dass sie die nationalen Parlamente so spät wie möglich
fragen werden?
David Banks
Ja, sie verändern einfach fortwährend
die Definition von „Gemeinsame Verteidigung“. Sie werden sagen,
„machen Sie sich keine Sorgen, das ist nur PESCO“, wo sie
weiterhin kommen und kooperieren, ohne den Leuten zu sagen, dass wenn
man Politik, Finanzen, Ausrüstung, Geheimdienst und alles andere
koordiniert, dann werden Sie tatsächlich bereits „Gemeinsame
Verteidigung“ haben. Aber ich denke, „Gemeinsame Verteidigung“
wird im Ergebnis bedeuten die Umbenennung all der bereits
eingebundenen mitgliedsstaatlichen Militäreinheiten, sodass die
italienische Armee z. B. verschmelzen wird mit denen der
Nachbarstaaten und einfach die italienische Division der EU-Armee
werden wird. Das wird also wirklich „Gemeinsame Verteidigung“
bedeuten.
Volker Reusing
Sie haben angedeutet, dass die EU-Armee
ein Schritt sein soll für die Schaffung eines Staates Europäische
Union. Was bringt Sie zu der Annahme, dass sie einen Staat schaffen
wollen und nicht kurz davor stoppen wollen, um die EU all die Macht
haben zu lassen, aber die Verantwortung bei den Staaten zu belassen?
Was lässt Sie annehmen, dass sie wirklich einen Staat wollen?
David Banks
Sie bekommen diese Stellungnahmen
niemals in direkter Form, aber Sie finden alle Vorschläge von
Staatlichkeit beinhaltet in den Formulierungen prominenter Politiker,
jeder von Frau Merkel bis zu Herrn Macron, Guy Verhofstadt und
Juncker und viele andere EU-Föderalisten. Und wenn Sie diese
zusammensetzen, haben Sie eine ziemlich klare Richtung. Herr
Verhofstadt z. B. spricht oft von „Vereinigten Staaten von Europa“
und einem voll ausgestatteten zentralisierten Bundesstaat. Frau
Merkel hat davon gesprochen, dass die EU-Kommission die Exekutive
einer föderalen Einheit werde, und dass diese dem Parlament
vollwertig rechenschaftspflichtig werde. Und wenn wir uns anschauen,
wie die militärische Planung dazu passt, müssen wir uns die
Stellungnahme von Herrn Eltinger, dem EU-Finanzkommissar, ansehen,
der gesagt hat, es mag ein Versehen gewesen sein, aber er ist sehr
klar und ehrlich gewesen, als er gesagt hat, dass PESCO und die
Entscheidungsfindung und Planung der EU und die Vereinbarungen der
letzten 12 Monate ein Schritt in Richtung ihrer „Gemeinsamen
Verteidigung“ sind. Es ist alles sehr in Teilen. Und ein weiterer
sehr wichtiger Punkt zu erwähnen ist, dass Frau Merkel, als sie
Herrn Hollande und Herrn Renzi traf im Sommer letzten Jahres,
ungefähr ein oder zwei Wochen nach der Brexit – Abstimmung, trafen
sie sich auf diesem italienischen Flugzeugträger, um zu erläutern,
dass sie vorangehen wollen mit einer „EU-Verteidigungsunion“. Der
Grund dafür war teilweise kosmetisch. Sie wollten es so aussehen
lassen, als ob die Verteidigungspläne, welche seit anderthalb
Jahren, vielleicht zwei Jahren hervor gebracht worden waren, das
Produkt von Mitgliedsstaaten wären. Sie wollten es aussehen lassen,
als ob sie es führen würden. Und sie wollten es als etwas
wesentliches aussehen lassen. Und es sollte auch ein starker
moralischer Schub für das EU-Projekt sein, welches gerade das
Vereinigte Königreich technisch verloren hatte. Aber das machte
nichts, denn hier ist das neue EU-Projekt, welches sie voranbringen
wollen. Nach diesem Treffen gingen sie zum Denkmal von Alberto
Spinelli. Herr Spinelli war der italienische EU-Föderalist, welcher
angesehen wird als einer der Väter des Projekts Europäische Union.
Und sie gingen zu seinem Denkmal und sprachen über den Wert seiner
Beiträge zur europäischen politischen Theorie, und wie sehr sie es
wert schätzen. Nun Herr Spinelli sprach zu seinen Lebzeiten immer
von den „Vereinigten Staaten von Europa“. Er war der Erfinder
dieses Begriffs schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Begleitmusik
zusammen mit den Formulierungen und Handlungen zeigen uns nun auf
klare Weise, dass das die Richtung ist, es sind die „Vereinigten
Staaten von Europa“. Es ist für uns im Vereinigten Königreich
immer noch schwierig, gewöhnlichen Menschen begreiflich zu machen,
dass dies gerade geschieht.
Es wird weniger schwierig, den die
Leute haben die Gelegenheit, mehr über die Europäische Union zu
sprechen, aber jahrelang war die Europäische Union bloß etwas, was
im Hintergrund lauerte, sie existierte bloß, und niemand wollte
darüber reden, denn das wurde nicht als modern angesehen; jeder war
glücklich, britisch zu sein, und die Idee einer EU-Nationalität war
nur etwas ungewöhnliches und nicht innerhalb des Paradigmas ihres
Denkens. Aber jetzt beginnen die Leute hier im Vereinigten
Königreich, zu begreifen, vor allem nach dem, was Herr Juncker im
Sommer gesagt hat über die Richtung der EU, ihre immer engere Union,
ihre Integration und ihre Zentralisierung der Entscheidungsfindung.
Die Leute wissen nun offen, dass das die Richtung ist.
Volker Reusing
Herr Macron, Seine Exzellenz, der
Präsident Frankreichs, hat gesagt, dass die Souveränität auf der
EU-Ebene sein solle, aber gleichzeitig hat er auch gesprochen über
eine Großmacht Frankreich, er spricht nicht von Frankreich als einer
Provinz der EU, aber er spricht über Souveränität für die EU.
David Banks
Ja, und das ist ein klarer Widerspruch.
Und ich denke, was heute in der Politik geschieht, und wir haben es
im Vereinigten Königreich gesehen, mit Herrn Cameron war es das
gleiche, es gibt eine Art von Schizophrenie um Europa herum.
Nationale Führungspersonen wissen, dass wenn sie über ihre eigenen
Nationalstaaten in patriotischen Begriffen reden, es ein großes
Publikum dafür gibt, und dass die Leute vermutlich glücklich sein
werden, das zu hören, denn die Wähler wissen, dass wenn Politik
zentriert ist um die Nationalstaaten herum, dies ihnen eine Stimme
gibt. Und sie wissen, dass sie in einem gewissen geringen Ausmaß
diese Entscheidungen beeinflussen können, und sie verstehen können.
Aber wenn die Entscheidungsfindung und die Politik auf der EU-Ebene
stattfinden, haben die Leute das Gefühl, dass dies etwas zu weit
entfernt ist für sie. Die Völker Europas haben allgemein ein
starkes Verständnis für nationale Identität, was auch in
Kombination ist mit einem Sinn für Patriotismus. Als z. B. Herr
Renzi letztes Jahr an der Macht war und er um sein politisches
Überleben kämpfte, wenn man das betrachtet, sprach er niemals über
Europa in jenen Wochen, als er um sein politisches Überleben
kämpfte. Er sprach über Italien, „Vorwärts Italien“, schwenkte
die Fahne, und hinter der Bühne, auf welcher er stand, waren bei
wichtigen Reden immer italienische Fahnen, keine einzige EU-Fahne.
Die EU würde sie nicht dazu bewegen, ihn in diesem patriotischen
Sinn zu wählen. Es ist nicht die Weise, die ihnen angenehm ist. Aber
viele von den Leuten, die in patriotischen Begriffen gesprochen
haben, wie Herr Macron oder Herr Cameron letztes Jahr, glauben
tatsächlich in ein Projekt, welches über ihre Nationalstaaten
hinaus geht und welches in der Tat Macht von ihren Nationalstaaten
weg nimmt und von ihrem Volk. Das ist ein Widerspruch. Und wir haben
wirklich das Gefühl, bzw. ich habe das Gefühl als ein führendes
Mitglied der Brexit-Kampagne, dass es unmöglich ist, an die
wachsenden Befugnisse der Europäischen Union zu glauben und
weiterhin patriotisch für mein Land zu sein, denn wir sprechen über
die Abschaffung des Nationalstaates zugunsten einer anderen Einheit.
Ich denke, ich habe die Frage beantwortet.
Volker Reusing
Ja. Eine sehr wichtige Sache unter den
Auswirkungen auf den Frieden, denke ich, ist, dass wir ein
Angriffskriegsverbot für die meisten Staaten nur haben in Art. 2
Abs. 4 Uno-Charta. Und das EU-Recht hat kein eigenes
Angriffskriegsverbot, aber es hat Vorschriften für Kampfeinsätze
für Werte und Interessen in Art. 42 Abs. 5 EUV und für
Krisenintervention in Art. 43 Abs. 1 EUV. Daher ist es sehr wichtig,
was vorrangig ist: Die Uno-Charta, wie die Uno-Charta dies geltend
macht in ihrem Art. 103, oder die Vorschriften des EU-Rechts? Und
wenn eine EU-Armee geschaffen würde, würde dies die Gewichte
verschieben, was als vorrangig angesehen wird?
David Banks
Ja könnten Sie das letzte Wort
wiederholen?
Volker Reusing
Ja, würde es der Position der EU mehr
Gewicht geben, dass das EU-Recht vorrangig sei im Gegensatz zur
Uno-Charta, wobei die Uno-Charta sagt, dass sie der höchstrangige
internationale Vertrag sei?
David Banks
Ja, das ist ein wirklich wichtiger, ein
sehr relevanter Punkt. Mein Gespür dazu ist zweifaltig. Zuerst
einmal hat die Europäische Union eine Menge davon gesprochen, mit
den Vereinten Nationen zusammen zu arbeiten. Und die EU will auch
eine Art internationale Polizeitruppe für die Vereinten Nationen
sein, wie man es einem Teil des Wortlauts der militärischen
Vereinbarungen entnehmen kann. Sie wollen für die UN zur Verfügung
stehen und für Missionen der Vereinten Nationen bereit stehen. Es
ist ein wichtiger Punkt, aber meine Vermutung ist, dass die EU die
Prinzipien der Vereinten Nationen befolgen und die UN als eine höhere
Autorität anerkennen würde. Jedoch, eine Sache, die aufkommt als
ein Ergebnis der Planungen der EU ihrer militärischen Ambitionen,
ist, dass sie ab einem bestimmten Punkt versuchen werden, sich in
auswärtige Angelegenheiten einzumischen. Es könnte z. B. sein,
unschuldige Leute in Syrien zu befreien. Und so könnten sie einen
Kordon um einige Kleinstädte in Syrien herum schaffen unter
Benutzung von EU-Streitkräften. Nun, die andere Überlegung ist,
dass sie beginnen könnten, militärische Kräfte einzusetzen an den
Grenzen der EU, und sie könnten aggressive Handlungen in Betracht
ziehen. Sie werden bestimmt interne militärische Aktionen erwägen,
es könnte einfach militärgeheimdienstliches sein, oder
militärischer Arrest oder eine Art von bewaffneter Antwort auf einen
Aufstand zum Beispiel. Und die neuen Vereinbarungen, welche sie in
Bewegung gebracht haben in den letzten 12 Monaten, geben ihnen das
Recht, intern zu intervenieren in was sie als „Bedrohung für die
Union“ bezeichnen. Nun, euroskeptische Gruppen, Anti-EU-Gruppen im
Vereinigten Königreich, werden sicherlich eine Bedrohung für die
Union darstellen. Dies könnte also bedeuten, dass vor und nach dem
Austritt Großbritanniens aus der EU, die Europäische Union die
Aktivitäten euroskeptischer Gruppen im Vereinigten Königreich
ausspionieren wird, und deren Verbindungen mit euroskeptischen
Gruppen in Deutschland, den Niederlanden, Spanien und überall sonst.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie es tun werden. Und in 10 Jahren,
bin ich sicher, werden wir einige Beispiele haben, dass dies
geschieht. Diese Leute meinen es sehr ernst mit der Weise, wie sie
das nächste Kapitel der EU-Geschichte schreiben. Sie wissen, dass es
Dissens geben wird. Und sie schließen gerade die Türen gegenüber
diesem Dissens. Nun, zurück zu Ihrem Punkt hinsichtlich aggressiver
Intervention und aggressiver militärischer Aktion. Ich denke, wissen
Sie, von unserer Erfahrung als Beobachter des Irak-Kriegs, und sagen
wir Afghanistan und andere Konflikte auf der Welt, viele von diesen
wurden gerechtfertigt als Verteidigungsmaßnahmen. Daher denke ich,
wenn die EU einmal die Macht hat, Streitkräfte zu projizieren – Es
ist in der Tat sehr einfach für jeden Nationalstaat, der einen
großen Stab in den Händen hält, aggressive Aktionen zu
rechtfertigen. Und die Vereinigten Staaten und Großbritannien taten
dies unter einer falschen Prämisse vor 14 Jahren, welche die
vermutete Anwesenheit von Massenvernichtungswaffen im Irak war, wobei
sich nachfolgend herausgestellt hat, dass diese sich nicht dort
befunden haben. Aber sie schafften es, den Uno-Sicherheitsrat dazu zu
bringen, ihnen ein Mandat zu geben, im Irak zu intervenieren. Wenn
wir heute zurück blicken, erkennt jeder im Westen, dass dies
mächtiger Fehler gewesen ist. Aber die Vereinten Nationen hielten
sich weiter daran. Und es wurde angesehen als ein defensiver Akt
gegen eine aggressive Macht, und es wurde auf diese Weise benutzt, um
Aggression durch den Westen zu rechtfertigen. Daher gibt es jeden
Spielraum für eine militarisierte Europäische Union, das gleiche zu
tun. Wenn wir die Zukunft der EU nach ihrer Militarisierung
einschätzen, müssen wir das in Betracht ziehen, dass dies eines der
Dinge sein könnte, welche zu tun sie sich entscheidet. Es müssen so
alle Staaten des freien Westens sehr beisammen stehen und in
Beziehung treten mit dem, was eine neu geschaffene Supermacht sein
wird. Und um im Hinblick darauf den Einsatz von Gewalt zu
beschränken, denn wie die europäischen Führer derzeit reden, hören
sie sich absolut entschlossen an, ihre militärische Macht zu
rechtfertigen, und die Weise wie die EU dies tut, ist, indem sie
diese einsetzt. Und ich empfinde dies als etwas ungemütlich. Dies
sind alles Dinge, welche von der internationalen Gemeinschaft und von
europäischen Bevölkerungen überlegt werden müssen.
Volker Reusing
Es scheint mir, dass wenn ein Staat EU
geschaffen würde, dass dann der EUV, der AEUV und alle diesen
angehängten Protokolle und Erklärungen dann zu einer Art von
EU-Verfassung würden, wenn die EU ein Staat würde, und dass dann
diese Vorschriften für Kampfeinsätze klar oberhalb der Uno-Charta
sein würden, wenn sie einen Staat machen.
David Banks
Es könnte gut sein, dass Sie recht
haben. Aber ich frage, ob die EU, wenn sie einmal Staatlichkeit
hätte, sie sich nicht unverzüglich der Entscheidungsfindung der UN
unterordnen würde. Ich nehme an, dass sie es würde, aber Sie haben
recht damit, diese Frage zu stellen, denn diese Frage muss
beantwortet werden. Nun, wessen recht ist am höchsten und vorrangig
in diesen Dingen? Es ist sehr einfach für mich, zu vermuten, dass es
die Vereinten Nationen sein müssen, denn es scheint verrückt für
mich, dass es irgendetwas anderes als die Vereinten Nationen sein
sollten. Aber es ist schwer, vorauszuahnen, was den Leuten in Brüssel
durch den Kopf geht, wenn sie vielleicht eine andere Meinung haben.
Das muss natürlich geklärt werden. Daher denke ich, Sie haben
recht, diese Frage zu stellen.
Volker Reusing
Im Hinblick auf die NATO: NATO-Recht
ist, der Nordatlantikvertrag macht nur geltend, normales Völkerrecht
zu sein, er beansprucht keine Supranationalität, der
Nordatlantikvertrag ordnet sich sogar selbst klar unterhalb der
Uno-Charta ein. Daher denke ich, das ist ein wichtiger Unterschied
hinsichtlich der NATO. Die NATO macht nicht geltend, mit ihrem Recht
oberhalb der Uno-Charta zu sein.
David Banks
Ja, ich denke ist natürlich ein sehr
wichtiger Punkt. Ja, das ist ein guter Punkt. Nun ich denke, die
Europäische Union sollte auf die NATO als eine Art von Richtgröße
schauen. Und wenn sie etwas nützliches für die Verteidigung tun
will, dann sollte sie eine Art von Untergruppe schaffen innerhalb der
NATO, welche mit der NATO kooperiert. Und welche nicht involviert all
diese unnötigen Machtverschiebungen hinsichtlich Finanzen,
Produktion und Gesetzgebung, wie es die EU-“Verteidigungsunion“
derzeit tut. Ja, ich stimme zu. Die NATO ist die Schablone für
effektive Verteidigungskooperation.
Volker Reusing
Ich erinnere mich, als die NATO ihr
strategisches Konzept gemacht hat, welches Krisenintervention
eingeführt hat, welche nicht im Nordatlantikvertrag steht, hat es
ein Gerichtsurteil gegeben vom deutschen Bundesverfassungsgericht.
Und sie haben entschieden, dass unser Grundgesetz und die Uno-Charta
oberhalb des Nordatlantikvertrags stehen und dieser wiederum oberhalb
der Krisenintervention. Im Ergebnis sind also diese Vorschriften über
die Krisenintervention im NATO-Sekundärrecht nicht oberhalb der
Uno-Charta.
David Banks
Ja, ich sehe, was sie meinen. Also ist
es eher defensiv als offensiv.
Volker Reusing
Ja, es bedeutet z. B., wenn sie
Krisenintervention in Syrien machen wollen, müssen sie die syrische
Regierung fragen.
David Banks
Ja, es ist interessant in dem
Zusammenhang, dass Deutschlands Verteidigungsministerin Frau von der
Leyen, gefragt wurde, warum die Europäische Union ihre neue Stufe an
Ambition verfolgen wolle, was sie erreichen könnte, was nicht
bereits die NATO erreichen könnte. Sie benannte drei oder vier
mögliche Gebiete für Intervention durch die Europäische Union,
welche erfolgen würden, wenn sie die Fähigkeiten dafür hätte.
Dies wären der westliche Balkan, die Ukraine und Afrika. Und ich
denke, vielleicht ein weiteres, ich denke, möglicherweise Syrien.
Ich denke, das vielleicht ein Zeichen für das, was Sie sagen, zu was
die EU sich vielleicht entscheiden wird. Vielleicht bin ich dabei
eher von Hoffnung als von praktischer Analyse geleitet, aber meine
Erwartung ist, trotz der unlogischen Art der EU, würde ich erwarten,
dass sie hoffentlich die Vereinten Nationen als das Zentrum der
Entscheidungsfindung ansehen und sich daran halten werden.
Volker Reusing
Möchten Sie etwas hinzufügen zu Ihrer
Vision der Verteidigung und zur Rolle, welche die NATO darin haben
sollte?
David Banks
Ja, das Vereinigte Königreich sollte
seine Verteidigungsautonomie behalten. Was das für das Vereinigte
Königreich wirklich bedeutet, ist, dass wir uns zurückziehen aus
allen sechs Vereinbarungen im EU-Ministerrat, in welche unsere
Minister und Vertreter in den letzten 12 Monaten eingewilligt haben.
Es bedeutet auch, dass das Vereinigte Königreich nicht länger Teil
der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) sein
sollte. GSVP ist eine Politik eher als ein Output. Es ist mir
wichtig, das zu sagen, denn GSVP, darüber haben schon zu oft
gesprochen, wird oft fälschlich dargestellt als bloß ein Projekt
für Interventionen im Ausland, für polizeiartige Einsätze in den
Gewässern vor Ostafrika, für Intervention in Mali, und für
Intervention andernorts in Ostafrika, und auch im Kosovo. Aber GSVP
ist viel mehr als das. Es ist eine Politik, welche wirklich
beherrschend fortschreitet in die nationalen Verteidigungspolitiken
der Mitgliedsstaaten. Und das wir orchestriert durch das Europäische
Sicherheits- und Verteidigungskolleg, welches eine Art Netzwerk von
europäischen Verteidigungsanalysten und Akademikern und hochrangigem
Verteidigungspersonal aus ganz Europa ist. Indem es heraus kommt aus
der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wird das
Vereinigte Königreich frei sein, über die gleichen Dinge ohne
unangemessenen Einfluss von Brüssel und von der EU-Kommission und
von EU-Ministerrat zu entscheiden. Das ist das erste. Das wird uns
zu einer unabhängigen Militärmacht machen, von welcher die meisten
Menschen in Großbritannien denken, dass wir diese bereits seien.
Aber das sind wir nicht, denn wir sind in jenen Strukturen, die ich
erwähnt habe. Natürlich gibt es weitere Ebenen und Strukturen der
Präsenz des Vereinigten Königreichs als einer Militärmacht. Das
Vereinigte Königreich wird sehr eng kooperieren mit all seinen
Nachbarn. Und nicht nur ich, sondern auch die Veterans for Britain,
ich bin absolut gewiss, dass die Mehrheit der britischen Bevölkerung
will, dass diese Zusammenarbeit innerhalb der NATO stattfindet. Und
den größten Teil Europas werden wir offensichtlich weiterhin als
unsere engsten Freunde ansehen. Und nicht ganz Europa, ich spreche
von dem Europa, was geht bis zum östlichen Rand der Europäischen
Union. Und dann haben wir innerhalb der NATO die Vereinigten Staaten.
Und das Vereinigte Königreich muss genauso nah bei den Vereinigten
Staaten und Kanada bleiben. Und wir haben eine Geheimdienststruktur,
zu welcher das Vereinigte Königreich beiträgt, mit dem Namen „Five
Eyes“ („fünf Augen“), und diese beinhaltet das Vereinigte
Königreich, die Vereinigten Staaten, Kanada, plus Australien und
Neuseeland. Da arbeiten fünf Länder geheimdienstlich sehr eng
zusammen und fast zeitgleich. Was auch immer z. B. entdeckt wird vom
neuseeländischen Geheimdienst, wird fast unverzüglich bei „Five
Eyes“ eingespeist, und das gleiche gilt für das Vereinigte
Königreich, für Kanada und für den Rest. „Five Eyes“ ist das
größte und vermutlich das fähigste Geheimdienstnetzwerk in der
Welt. Dies ist etwas, was uns helfen wird, auch unsere europäischen
Nachbarn zu unterstützen, so wie es bereits der Fall ist. Wir haben
also NATO, Europa, „Five Eyes“. Außerdem sollte das Vereinigte
Königreich mehr bilaterale Beziehungen außerhalb Europas aufbauen
mit einigen seiner befreundeten Länder. Es könnte Brasilien sein
oder Indien oder Japan. Das wird dem Vereinigten Königreich helfen,
ein freundschaftliches Verteidigungsnetzwerk aufzubauen, welches eine
Untermauerung für auswärtige Beziehungen und Handelsbeziehungen
bietet. Und auf diese Weise wird das Vereinigte Königreich nicht
anders sein als jedes andere Land, welches ähnliche Dinge tut. Es
ist wichtig für das Vereinigte Königreich, global zu schauen, und
das ist eine Weise, wie es dies tun kann. Die Commonwealth –
Verbindungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Kanada und mit
Australien und Neuseeland müssen natürlich formalisiert werden.
Derzeit sind diese Länder sehr nah auf eine psychologische Weise,
und es gibt eine unausgesprochene gegenseitige Verteidigung. Aber ich
denke, das sollte vielleicht mehr formalisiert und mehr aktiver
Austausch geschaffen werden. Ich denke, das beschreibt allgemein, wo
sich das Vereinigte Königreich befindet würde, mit sehr viel
positivem Europa und immer einem Sinn für europäische Verteidigung,
und wir werden weiterhin eine sehr aktive Rolle spielen, aber
unabhängig ohne jegliche verstrickende Gesetzgebung und Vorschriften
und Verpflichtungen, welche die Fähigkeit der britischen Regierung
zur Entscheidungsfindung entfernen und auf die individuellen Minister
übertragen. Ich denke das ist wichtig, denn das ist die einzige
Weise, wie wir all unsere Fähigkeiten voranbringen können zum Wohle
unserer Nachbarn in Europa und unserer Freunde in aller Welt.
Volker Reusing
Vielen Dank für das Interview.
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