Müssen
sich die Gesetze ändern für Jugendamt, Gutachter und Gerichte? -
Interview mit Richard Moritz vom Verein „Kinder sind Menschen“
Unser
Politikblog | 10.01.2018
In
2016 sind (ohne die in unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge) in
Deutschland fast 40.000 Kinder in Obhut genommen worden. In 2010
waren es noch zwischen 32.000 und 33.000. Etwa die Hälfte der
Inobhutnahmen erfolgt länger als 15 Tage. Wenn die Kinder aus ihren
Familien genommen werden, kommen sie ins Heim (§34 SGB 8) oder in
Pflegefamilien (§33).
Der
Verein „Kinder sind Menschen“ engagiert sich dafür,
unberechtigte Inobhutnahmen zu verhindern, bzw. dass die Kinder in
diesen Fällen wieder in ihre Familie zurückkehren können.
Nach
§1666 BGB und §42 SGB 8 muss vom Jugendamt geprüft werden, ob auch
mildere Maßnahmen zur Beseitigungen von Gefährdungen des
Kindeswohls genügen wie (§§27 bis 32 SGB 8) Erziehungshilfe,
Erziehungsberatung, Erziehungsbeistand, Betreuungshelfer,
sozialpädagogische Familienhilfe oder Erziehung in der Tagesgruppe.
Doch diese Prüfung wird oft nicht nachvollziehbar dokumentiert. Der
Begriff „Kindeswohl“ ist im SGB 8 nicht gesetzlich definiert.
Die
Beweislast liegt bei den Eltern, dass sie erziehungsfähig sind, und
dass das Kindeswohl nicht gefährdet ist. Es ist schwer, zu beweisen,
dass etwas (hier eine Kindeswohlgefährdung) nicht existiert. Hier
fehlt es an einer faireren gesetzlichen Beweislastregelung.
Für
den Fall, dass das Jugendamt sich meldet, hat der Verein eine
Checkliste erarbeitet. Es ist u. a. wichtig, sich kooperativ zu
zeigen und Zeugen dafür zu haben, um das Risiko einer Inobhutnahme
nicht unnötig zu erhöhen.
Für
die Jugendämter gibt es als Kontrollinstanz nur auf kommunaler Ebene
den Oberbürgermeister bzw. den Landrat. Eine von der jeweiligen
Kommune unabhängige Kontrolle könnte auf der Ebene der
Landesjugendämter geschaffen werden.
Bei
Heimunterbringung wird den Kindern oft nicht der ihnen rechtlich
zustehende Umfang an Kontakt mit den Eltern oder anderen von ihnen
bestimmten Vertrauenspersonen gewährt. Der Verein „Kinder sind
Menschen“ beanstandet außerdem, dass es zu wenig unangemeldete
Kontrollen der Heime gebe.
Die
Gerichte verlassen sich zur Tatsachenfeststellung bei der Beurteilung
von Inobhutnahmen häufig auf Gutachten, von denen wissenschaftlichen
Untersuchungen zufolge ein hoher Prozentsatz fehlerhaft sei. Entgegen
den Leitlinien eines deutschen Psychologenverbands werden oft keine
Audioaufnahmen von den Begutachtungen erstellt. Bei den
Gerichtsverfahren selbst werden oft nicht alle wichtigen Aussagen
berücksichtigt, was sich durch ebenfalls Tonbandaufnahmen der
mündlichen Verhandlungen vermeiden ließe.
Webseite
des Vereins „Kinder sind Menschen“
Statistiken
zur Inobhutnahme
http://kindersindmenschen.com/Statistik%202016.html
Beispiele
für mögliche Kindeswohlgefährdungen und Checklisten des Vereins
zum Umgang mit dem Jugendamt
http://kindersindmenschen.com/hilfe%20zur%20selbsthilfe/checklisten.html
Sozialgesetzbuch
8 (wichtigste Rechtsgrundlage für die Jugendhilfe)
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/SGB_8.pdf
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.