Unser Politikblog | 10.11.2019
Das Parlament berät derzeit über den
Entwurf des 3. Waffenrechts-Änderungsgesetzes (3. WaffRÄndG). Der
Gesetzentwurf der Bundesregierung will dabei die am 13.06.2017 im
EG-Amtsblatt verkündete aktuelle Fassung der
EU-Feuerwaffenrichtlinie in die entsprechenden bundesdeutschen
Gesetze umsetzen. Die von der EU für die Umsetzung der Richtlinie
gesetzte Frist ist bereits abgelaufen. Außerdem geht es dem
Gesetzentwurf laut Abschnitt „A. Problem und Ziel“ seines
Vorworts darum, erstens den Zugang zu illegalen Waffen erschweren,
zweitens um die Rückverfolgbarkeit sämtlicher Waffen und ihrer
wesentlichen Teile und drittens darum, die Nutzung legaler Waffen zu
terroristischen Aktivitäten erschweren, letzteres vor allem durch
die Begrenzung der Magazinkapazitäten halbautomatischer Waffen.
Dabei sollen die Magazinkapazitäten
auf 20 Patronen für Kurzwaffen und 10 Patronen für Langwaffen
begrenzt werden.
Der Bundesrat fordert darüber hinaus
eine Regelanfrage beim Bundesverfassungsschutz für
Waffenbesitzerlaubnisse.
Dass der Umgang mit Waffen reguliert
werden muss, ist zum Schutz von Grund- und Menschenrechten wie denen
auf Leben (Art. 2 Abs. 2 GG), auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2
Abs. 2 GG), auf Gesundheit (Art. 12 Uno-Sozialpakt) und auf
Sicherheit (Art. 9 Uno-Zivilpakt) offensichtlich. Das ist in
Deutschland auch bereits strenger als in den meisten anderen
europäischen Staaten der Fall. Aber auch Sportschützen haben
Rechte. Der ehrenamtliche Sport (incl. Schießsport) ist im
Grundgesetz mit durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1
GG) geschützt. Das Menschenrecht auf kulturelle Teilhabe (Art. 15
Abs. 1 Nr. 1 lit. a Uno-Sozialpakt) umfasst außer der Kultur u. a.
auch Sport und Traditionspflege (Nr. 13+70 Allgem. Kommentar Nr. 21
zum Uno-Sozialpakt).
Der Schießsport hat in Deutschland
eine jahrhundertealte Tradition, wie sich am Alter mancher
Schützenvereine ablesen lässt. Selbst bei der Tradition des in
Deutschland erst seit einigen Jahrzehnten etablierten Cowboy Action
Shooting haben auch deutsche Auswanderer in die USA zur Entstehung
dieser Tradition beigetragen. Am 04.12.2015 hat die UNESCO das
Schützenwesen in Deutschland als „immaterielles Kulturerbe“
anerkannt.
Grundrechte und Menschenrechte sind
unverletzlich. Das bedeutet erstens, dass sie einen unantastbaren
Kern (Wesensgehalt) haben, in den gar nicht eingegriffen werden darf.
Außerhalb des Kerns darf man verhältnismäßig in sie eingreifen.
Verhältnismäßig bedeutet, dass solche Eingriffe geeignet,
erforderlich und angemessen sein müssen gemessen an den Zielen, für
welche die Eingriffe erfolgen.
Wie weit geht nun der Wesensgehalt des
Menschenrechts auf kulturelle Teilhabe bei Sport und
Traditionspflege? Die Redaktion von Unser Politikblog ist der
Auffassung, dass der Wesensgehalt mit Sicherheit umfasst, die
einzelnen Sportarten noch betreiben und an künftige Generationen
weitergeben zu können, vermutlich darüber hinaus aber auch einzelne
Disziplinen und auch die Verwendung traditioneller Sportgeräte
schützt. Da der Allgemeine Kommentar Nr. 21 erst in 2009 erschienen
ist, dürfte diese Frage in der Rechtsprechung noch nicht geklärt
sein.
Für die Prüfung der Erforderlichkeit
und der Angemessenheit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung
dürfte auch von Bedeutung sein, dass Terroristen und Organisierte
Kriminalität üblicherweise ein Interesse an Waffen haben, die nicht
nur große Magazine aufweisen, sondern die außerdem vollautomatisch
schießen und schnell nachgeladen werden können. Außerdem haben
solche Gruppierungen ein Interesse daran, sich vor Strafverfolgung
dadurch zu schützen, indem sie keine Waffen verwenden, welche auf
ihre eigenen Mitglieder mit Name und Anschrift zugelassen sind. Das
Interesse von Mafia und Terrororganisationen ist daher auf
Kriegswaffen und auf gem. Kategorie A der EU-Feuerwaffenrichtlinie
längst verbotene vollautomatische Waffen gerichtet und nicht auf
mit Waffenbesitzschein erlaubte (Kategorie B) registrierte und streng
regulierte scharfe Halbautomatik- und Repetierwaffen, wie sie von
Sportschützen benutzt werden.
Schützenvereine sowie Jäger tragen im
Hinblick auf Zuverlässigkeit (§5 WaffG) und persönliche Eignung
(§6 WaffG) außerdem dazu bei, dass gewaltbereite und extremistische
Menschen, die sie als solche erkennen, nicht legal an regulierte
scharfe Waffen kommen, indem die Vereine solche Menschen nicht bei
sich aufnehmen.
Eine vermutlich unbeabsichtigte
Auswirkung des 3. WaffRÄndG wäre, dass auch traditionelle
Vorderladergewehre wie die Henry Gewehre (15 Schuss) und die
Winchester 1866 (13 Schuss) verboten würden, weil es sich um
Langwaffen mit mehr als 10 Schuss Magazinkapazität handelt. Das
Nachladen solcher historischen Vorderladerrepetierwaffen geht
allerdings so langsam, dass sie für Mafia und Terroristen völlig
uninteressant sind.
Für scharfe Waffen mit fest
eingebauten großen Magazinen sieht der Entwurf des 3. WaffRÄndG
eine Übergangsfrist von 1 Jahr für deren Abgabe vor (§58 Abs. 17
S. 2 WaffG-E).
Nach Art. 5 des Entwurfs des 3.
WaffRÄndG soll dieses (und damit auch die geänderten Gesetze) am
Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten. Für das geplante Verbot
großer Magazine sieht das 3. WaffRÄndG für zahlreiche Fallgruppen
durch entsprechende Ergänzungen von §58 WaffG eine Frist von 1 Jahr
für die Abgabe dieser Waffen und Magazine vor. Für Wechselmagazine
mit mehr als 10 Schuss (Langwaffen) bzw. mehr als 20 Schuss
(Kurzwaffen), die man in der Zeit vom 13.06.2017 bis zum
Inkrafttreten der Gesetzesänderung (also dem Tag nach Verkündung
des 3. WaffRÄndG im Bundesgesetzblatt) erworben hat, ist jedoch
keine Übergangsfrist vorgesehen, weil die Frist gem. §58 Abs. 17 S.
1 WaffG-E sich (sowohl im Entwurf der Bundesregierung aus Mai 2019
als auch in ihrem geänderten Entwurf vom 09.10.2019) nur auf die vor
dem 13.06.2017 erworbenen großen Wechselmagazine erstreckt.
Es stellt sich daher nach Auffassung
der Redaktion von Unser Politikblog sehr dringlich die Frage, ob
Sportschützen, welche in der Zeit vom 13.06.2017 bis zum
Inkrafttreten der Gesetzesänderung aus Sicht des Waffengesetzes zum
Zeitpunkt des Erwerbs legal solche Magazine erworben haben, mit
Inkrafttreten des 3. WaffRÄndG mangels Übergangsfrist ihre
waffenrechtliche Zuverlässigkeit gem. §5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG
verlieren können, weil sie dann ohne Übergangsfrist zur Abgabe
plötzlich verbotene Gegenstände haben.
Dieser Gruppe keine Übergangsfrist zu
gewähren, wäre vermutlich, wenn es sich auf die Zuverlässigkeit
auswirkt, eine unzumutbare unechte Rückwirkung und damit
verfassungswidrig als Verletzung des Grundrechts auf allgemeine
Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem
Strukturprinzip Rechtsstaatlichkeit (Art. 1 Abs. 2+3 GG, Art. 20 Abs.
2+3 GG).
Die im Netz zum Teil auch geäußerte
Befürchtung, dass Besitzer großer Wechselmagazine darüber hinaus
mit Inkrafttreten des 3. WaffRÄndG kriminalisiert werden, dürfte
hingegen unbegründet sein, wenn auch die geplante Änderung des §52
Abs. 3 Nr. 1 WaffG beschlossen wird. Denn die großen Wechselmagazine
und deren wesentliche Teile sollen unter den neuen Nr. 1.2.4.3,
1.2.4.4 und 1.2.4.5 von Abschnitt 1 der Anlage 2 zum Waffengesetz
aufgenommen werden. Genau diese Nummern sollen durch Änderung von
§52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG aus der Strafbarkeit ausgenommen sein. Damit
würde man zumindest dem Verbot rückwirkenden Strafrechts (Art. 103
Abs. 2 GG, Art. 11 Nr. 2 Allgem. Erklärung der Menschenrechte)
gerecht.
Katja Triebel ist stellvertretende
Vorsitzende der German Rifle Association. Sie ist eine der
Sachverständigen, welche vom Bundestag zur geplanten Änderung des
Waffenrechts gehört werden. Außerdem hat sie eine Online-Petition
bei Open Petition zum Thema veröffentlicht. Laut ihrer Petition
haben die deutschen Polizeigewerkschaften den Gesetzentwurf als nicht
zielführend beurteilt.
Im Interview mit ihr geht es darum,
welche wesentlichen Änderungen das 3. WaffenRÄndG für Jäger und
Sportschützen bedeutet. Es wird betrachtet, inwieweit die
vorgesehenen Eingriffe in die Rechte von Sportschützen
verhältnismäßig sind im Vergleich zu den vom Gesetzgeber
angegebenen Zielen. Auch die Frage, inwieweit von der Möglichkeit
gem. Art. 6 Abs. 6 EU-Feuerwaffenrichtlinie, Ausnahmen für
Sportschützen zu machen, beim Entwurf des Umsetzungsgesetzes in
Deutschland Gebrauch gemacht wird oder werden sollte.
Links:
Online-Petition von Katja Triebel
aktuelle Fassung der
EU-Feuerwaffenrichtlinie vom 17.05.2017 (verkündet im EG-Amtsblatt
13.06.2017)
aktuelle Fassung des Waffengesetzes
Gesetzentwurf der Bundesregierung
(Fassung vom 09.10.2019)
Stellungnahme des Bundesrats vom
20.09.2019
Allgemeiner Kommentar Nr. 21 zum
Uno-Sozialpakt vom 21.12.2009
deutsches Schützenwesen als
„immaterielles Kulturerbe“ anerkannt
Wikipedia-Lexikon zum Henry-Gewehr (bei
Karl May „Henry Stutzen“)
Wikipedia-Lexikon zum Winchester 1866 –
Gewehr
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