Interview mit Rechtsanwalt Michael
Augustin zu seiner Verfassungsbeschwerde zur
EU-Datenschutz-Grundverordnung (EUDSGRVO)
04.08.2019
| Unser Politikblog
Rechtsanwalt Michael Augustin
Am
25.05.2019 hat Rechtsanwalt Michael Augustin für 5 Dokumentarfilmer
Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die seit dem 25.05.2018
anzuwendende EU-Datenschutz-Grundverordnung enthält nicht nur
strenge bürokratische Pflichten und Pflichten gegenüber den
Personen, deren Daten man verarbeitet, sondern auch in ihrem Art. 85
die Verpflichtung an den Gesetzgeber, davon wiederum die für die
Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit erforderlichen Ausnahmen zu
machen. Diese
Ausnahmen hat Deutschland, wo das Medienrecht in der Zuständigkeit
der Bundesländer liegt, sehr unterschiedlich festgelegt. Die 5
Beschwerdeführer, die Herr Augustin vertritt, kommen aus solchen
Bundesländern, die weniger Ausnahmen normiert haben. Darum
konzentriert sich die Verfassungsbeschwerde auch auf die persönliche
Betroffenheit in Art. 5 GG. Die
Arbeit von Dokumentarfilmern wird vor allem erschwert durch die
Pflicht, Dritte über das zu informieren, was die Interviewpartner
über diese gesagt haben (Art. 14 EUDSGRVO). Für einen Film wird
sehr viel mehr Material aufgenommen, als überhaupt in die
vorgesehene Sendezeit passt, und dann zusammen geschnitten. So hat
man das Risiko von Beschwerden und Rechtsstreitigkeiten durch die
Dritten, die man informieren muss, selbst für solches Filmmaterial,
das im später veröffentlichten Werk gar nicht erscheint. Ein
weiteres streitanfälliges Risiko ist, dass Personen, die erst in die
Veröffentlichung ihrer Aussagen eingewilligt haben, dann später mit
Wirkung für die Zukunft ihr Recht auf Vergessenwerden (Art. 17)
geltend machen und die Löschung der Szenen mit ihnen verlangen
können, wenn nicht im Einzelfall der Schutz von Meinungs- und
Pressefreiheit gewichtiger ist. Dokumentarfilmer
haben durch diese Vorschriften zeitaufwändige Bürokratie und das
Risiko, von Interviewpartnern und von Dritten, über welche die
Interviewpartner etwas gesagt haben, auf Unterlassung und auf
Schadensersatz verklagt zu werden. Für
Fernsehsender gibt es gegenüber der EUDSGRVO ein Medienprivileg
durch den Rundfunkstaatsvertrag. Davon profitieren Dokumentarfilmer
aber jeweils erst und insoweit, wie ein Vertrag zwischen ihnen und
dem Sender zustande gekommen ist.
Am
14.04.2018 fand in Köln die Kundgebung „Für Meinungsfreiheit –
gegen das NetzDG“ statt mit Vera Lengsfeld und Serge Menga als
Hauptrednern. Es ging schwerpunktmäßig um das
Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), welches von Anbietern sozialer
Netzwerke im Internet mit mindestens 2 Millionen registrierten
Nutzern verlangt, Beiträge, welche bestimmte im Gesetz genannte
Straftatbestände wie z. B. üble Nachrede oder Volksverhetzung,
erfüllen, innerhalb von 7 Tagen nach Eingang einer Beschwerde zu
löschen, bei offensichtlichen Fällen sogar innerhalb von 24
Stunden. Bußgelder bis zu 5 Millionen € können gegen die sozialen
Netzwerke verhängt werden, u. a. wenn entsprechende
Beschwerdeverfahren nicht oder nicht richtig vorgehalten werden, oder
wenn organisatorische Mängel nicht abgestellt werden.
Das mag
gut gemeint gewesen sein, aber die zu kurzen Fristen führen dazu,
dass zur Vermeidung der hohen Bußgelder eher zu viel als zu wenig
gelöscht wird.
Vera
Lengsfeld ist als Bürgerrechtlerin in der DDR bekannt geworden.
Serge Menga stammt aus der Demokratischen Republik Kongo, ist
Unternehmer und engagiert sich in seinen Youtube-Videos u. a. dafür,
dass mehr gegen die Gewalt in Deutschland getan wird.
Entsprechend
ihrem Aufruf gab es auf der Kundgebung keine Parteifahnen.
Direkt
nebenan lief die optisch bunte Kundgebung „Keine
‚Meinungsfreiheit‘ für Hass und Ausgrenzung – Keine zweite
PEGIDA in Köln“
des Kölner Aktionsbündnisses gegen Rechts, welches gegen die AFD,
gegen Nazis und gegen rechte Gewalt protestierte. Geht man nach der
Mode und den Fahnen, haben daran u. a. Autonome sowie Anhänger von
Linkspartei, Bündnis 90 / Die Grünen, MLPD teilgenommen. Das
Kölner Aktionsbündnis sollte ursprünglich seine Kundgebung auf dem
nahe gelegenen Heumarkt durchführen, laut der Kölner Online-Zeitung
Report K konnte es dann jedoch als Spontandemonstration zum Alten
Markt marschieren und unmittelbar gegenüber von „Für
Meinungsfreiheit – gegen das NetzDG“ protestieren.
Nach
Einschätzung des es
Kölner Aktionsbündnisses gegen Rechts sind unter den Organisatoren
von „Für Meinungsfreiheit – gegen das NetzDG“ Mitglieder der
AFD sowie der AFD nahe stehende Personen. Das Aktionsbündnis
befürchtet, dass es darum gehe, sehr rechte Positionen salonfähig
zu machen.
Zwischen
den beiden Gruppen hat die Polizei für die Verwirklichung des
Menschenrechts auf Sicherheit (Art. 9 Uno-Zivilpakt, Art. 6
EU-Grundrechtecharta) gesorgt und körperliche Zusammenstöße
zwischen den beiden Gruppen so gut wie vollständig verhindern
können.
Laut
Report K hat es zwei Anzeigen wegen vermuteter Körperverletzung
gegeben und eine wegen vermuteter Beleidigung, darunter wegen einer
Ohrfeige von Vera Lengsfeld und wegen einer von ihr als beleidigend
empfundenen Äußerung.
Gut und
unentbehrlich für Deutschland, dass sich hier Menschen für
Meinungsfreiheit und gegen Faschismus engagieren. Allerdings war die
Kundgebung für Meinungsfreiheit und gegen das NetzDG keine
Veranstaltung der AFD, sodass nur ein Teil von deren Teilnehmern aus
dem AFD-Spektrum kommen dürften, und auch die AFD ist immer noch
deutlich gemäßigter als Nazis und als gewalttätige rechte
Gruppierungen.
Mehr
Differenziertheit, Respekt und Sachlichkeit im Umgang miteinander
hätte gut getan. Wir hätten gerne die Reden beider Kundgebungen
gehört, um uns persönlich ein vollständiges Bild zu machen.
Man
musste sich auf die Seite der Kundgebung gegen das NetzDG stellen, um
überhaupt etwas von den Reden von Vera Lengsfeld Rede und Serge
Menga zu verstehen.
Dass die
Teilnehmer beider Kundgebungen gegen Nazis und gegen die
Inanspruchnahme der Meinungsfreiheit für Nazi-Propaganda gewesen
sind, ist ab etwa Minute 08:31 im Video-Mitschnitt auf dem Kanal
German Defence 24 zu sehen.
Die real
existierenden Mängel hinsichtlich des Einander-Zuhörens erinnerten
uns an absurdes Theater, babylonische Sprachverwirrung und Nebel von
Avalon. Nur bei zwei Liedern in den Redepausen der Kundgebung gegen
das NetzDG, darunter „We shall overcome“, wehte ein Hauch von
Harmonie und Pfingsten über den Platz.
Antifaschismus
ist unentbehrlich angesichts der deutschen Geschichte. Aber er sollte
sich nicht in Oberflächlichkeit erschöpfen, sondern auch mindestens
von solcher Qualität und Ernsthaftigkeit sein, dass man sich die
Reden der vermeintlichen oder tatsächlichen Gegenseite anhört und
sie sachlich analysiert und kritisiert.
Zum
NetzDG haben wir nach dem Ende der Veranstaltung noch Interviews
bekommen von Serge Menga und von Rechtsanwalt Dr. Christian Stahl,
der u. a. Mandanten vertritt, die bei Facebook gesperrt worden sind.
Die Standbilder bei den Interviews sind erforderlich gewesen, weil
leider mehrfach die Polizei und Passanten durchs Bild gelaufen sind.
Meinungsfreiheit
in Gefahr - Haben Politiker, Journalisten, Blogger, Menschenrechtler
und Hörgeräteträger in Europa bald nichts mehr zu sagen?
Am
Donnerstag, den 13.04.2017 um 21.20 Uhr hat die Menschenrechtlerin
Sarah Luzia Hassel-Reusing fristgerecht Verfassungsbeschwerde
eingereicht gegen die EU-Datenschutz-Grundverordnung (Az. (EU)
2016/679), incl. Anträgen auf einstweilige Anordnung (davon einem
Eilantrag) und Ablehnung von zwei Richtern wegen Besorgnis der
Befangenheit hinsichtlich der Befangenheitssachen „Aufbrechen und
Beiseiteschieben der Ewigkeitsgarantie (Art. 79 Abs. 3 GG)“ und
„Rücksichtnahme auf Bilderberg“.Mit
Schreiben vom 12.04.2017 sind Europaparlament, EU-Ministerrat,
EU-Kommission, Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat über die
Einreichung informiert worden. Sie macht die Verletzung der
Grundrechte auf Menschenwürde (auch in Verbindung mit dem
Friedensgebot), Freiheit, Meinungs-, Informations- und
Pressefreiheit, Berufsfreiheit, Eigentum, Rechtsweggarantie und
Wahlrecht sowie des universellen Menschenrechts auf Meinungs- und
Informationsfreiheit geltend. Aufmerksam geworden auf den
Verordnungsentwurf war sie durch den Gastartikel „Ein Abschied von
den Grundrechten“ von BVR Prof. Dr. Johannes Masing vom 09.01.2012
in der Süddeutschen Zeitung.
Die
am 14.04.2016 vom Europaparlament beschlossene
EU-Datenschutz-Grundverordnung ist ein in dieser Form präzedenzloses
Zensur- und Überwachungsinstrument, welches ab dem 25.05.2018 in
allen 28 EU-Mitgliedsstaaten zum Einsatz kommen soll. Und das, obwohl
die EU laut ihren Verträgen gar nicht ermächtigt ist,
Datenschutzrecht zu schaffen, das außer den Institutionen der EU und
der Mitgliedsstaaten auch Private verpflichtet. Die
Verfassungsbeschwerde wendet sich direkt gegen die EU-Verordnung,
weil diese unmittelbar anwendbar und ultra-vires
(kompetenzüberschreitend) ist, und hier nur durch die direkte
Anfechtung der im Lissabon-Urteil und im Maastricht-Urteil
bestätigten Verpflichtung des Bundesverfassungsgerichts, das
EU-Recht nicht nur hinsichtlich Grundrechtsschutz, sondern ebenso
hinsichtlich ultra-vires zu kontrollieren, Genüge getan werden kann.