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Montag, 17. April 2017

Konnektivität und Diffusion der Macht – Verfassungsbeschwerde gegen EU-Datenschutz-Grundverordnung eingereicht

16.04.2017 | Unser Politikblog

Sarah Luzia Hassel-Reusing (c)
An die Presse

mit der Bitte um Veröffentlichung

Meinungsfreiheit in Gefahr - Haben Politiker, Journalisten, Blogger, Menschenrechtler und Hörgeräteträger in Europa bald nichts mehr zu sagen?

Am Donnerstag, den 13.04.2017 um 21.20 Uhr hat die Menschenrechtlerin Sarah Luzia Hassel-Reusing fristgerecht Verfassungsbeschwerde eingereicht gegen die EU-Datenschutz-Grundverordnung (Az. (EU) 2016/679), incl. Anträgen auf einstweilige Anordnung (davon einem Eilantrag) und Ablehnung von zwei Richtern wegen Besorgnis der Befangenheit hinsichtlich der Befangenheitssachen „Aufbrechen und Beiseiteschieben der Ewigkeitsgarantie (Art. 79 Abs. 3 GG)“ und „Rücksichtnahme auf Bilderberg“.Mit Schreiben vom 12.04.2017 sind Europaparlament, EU-Ministerrat, EU-Kommission, Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat über die Einreichung informiert worden. Sie macht die Verletzung der Grundrechte auf Menschenwürde (auch in Verbindung mit dem Friedensgebot), Freiheit, Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit, Berufsfreiheit, Eigentum, Rechtsweggarantie und Wahlrecht sowie des universellen Menschenrechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit geltend. Aufmerksam geworden auf den Verordnungsentwurf war sie durch den Gastartikel „Ein Abschied von den Grundrechten“ von BVR Prof. Dr. Johannes Masing vom 09.01.2012 in der Süddeutschen Zeitung.
Die am 14.04.2016 vom Europaparlament beschlossene EU-Datenschutz-Grundverordnung ist ein in dieser Form präzedenzloses Zensur- und Überwachungsinstrument, welches ab dem 25.05.2018 in allen 28 EU-Mitgliedsstaaten zum Einsatz kommen soll. Und das, obwohl die EU laut ihren Verträgen gar nicht ermächtigt ist, Datenschutzrecht zu schaffen, das außer den Institutionen der EU und der Mitgliedsstaaten auch Private verpflichtet. Die Verfassungsbeschwerde wendet sich direkt gegen die EU-Verordnung, weil diese unmittelbar anwendbar und ultra-vires (kompetenzüberschreitend) ist, und hier nur durch die direkte Anfechtung der im Lissabon-Urteil und im Maastricht-Urteil bestätigten Verpflichtung des Bundesverfassungsgerichts, das EU-Recht nicht nur hinsichtlich Grundrechtsschutz, sondern ebenso hinsichtlich ultra-vires zu kontrollieren, Genüge getan werden kann.



Den Politikern in Europaparlament und Ministerrat hat man vorgemacht, es ginge vor allem darum, Konzernen wie Facebook und Google Grenzen zu setzen. Oder gar darum, Lehren aus der durch Edward Snowden erfolgten Aufdeckung des NSA-Skandals zu ziehen. Dabei hat Viviane Reding in dem am 01.09. 2013 veröffentlichten Interview der DGAP-Zeitschrift „Internationale Politik“ mit ihr deutlich gemacht, dass der NSA-Skandal für die EU-Datenschutz-Grundverordnung genutzt worden ist, und letztere nicht dafür da ist, die Ausspähung durch die Geheimdienste in irgendeiner Weise zu beschränken („Prism war für uns ein Weckruf. Die Datenschutzreform der EU ist Europas Antwort.“ ) („Regeln, wie sich Geheimdienste zu verhalten haben, sind das eine, Regeln zur Gewährleistung des Datenschutzes das andere. Es sollte niemanden überraschen, dass Geheimdienste im Geheimen handeln. Doch wenn ein Geheimdienst auf dem Territorium eines Mitgliedstaates operiert, dann sollten die jeweiligen Regierungen sicherstellen, dass die nationalen Regeln eingehalten werden. Das hat nichts mit der EU zutun.“).
Es geht im Gegenteil gegen die Edward Snowdens und Julian Assanges ebenso wie gegen die Leute, die aus öffentlich zugänglichen Quellen unbequeme Informationen zusammentragen und miteinander kombinieren.
Auch der direkte Einfluss der Bilderberg-Konferenz (2011 deutlich sichtbar am TOP „connectivity and the diffusion of power“) auf die Ausrichtung der EU-Datenschutz-Grundverordnung und auf die für diese jeweils zuständig gewesenen EU-Kommissarinnen Neelie Kroes (2011) und Viviane Reding (2013 und 2014) scheint der Aufmerksamkeit der Politiker entgangen zu sein. Durch das Internet gelingt es heute immer schneller, die Einstreuung von Propaganda durch Think Tanks und andere Interessenträger mittels bei ihnen eingebundener Journalisten und Medien-Inhaber in ansonsten freie Medien zu erkennen und offenzulegen.
Diesen Trend mehr als umzukehren und unbequeme Meinungsäußerer mit Bußgeldern und Tätigkeitsverboten auszuschalten und andere abzuschrecken, ist das Hauptziel der EU-Datenschutz-Grundverordnung, um Datenschutz geht es nur sekundär. Darum trifft sie auch vor allem Blogger, Politiker und Menschenrechtler.

Jeder Einwohner der EU-Mitgliedsstaaten kann ab dem 25.05.2018 als „Verarbeiter“ von Bußgeldern bis zu 10.000.000,- € bzw. bis zu 20.000.000,- € und von „Verarbeitungsverboten“ getroffen werden – verhängt von einer selbst keiner Dienstaufsicht unterliegenden Aufsichtsbehörde. Denn jeder ist nicht nur „betroffene Person“ mit schützenswerten Daten, sondern auch in vielen Bereichen „Verarbeiter“. „Verarbeiter“ ist man schon dadurch, dass man über den Rahmen von Familie und Freundeskreis hinaus etwas über andere Personen äußert, und dabei entweder automatische und/oder halbautomatische Hilfsmittel (z. B. Internetseite, Email, Telefon, Fax, computergeschriebener Brief, Buch, Zeitung, Zeitschrift, Hörgerät, künstlicher Kehlkopf, Lautsprecher, Mikrofon, Megaphon) oder ein „Dateisystem“ (z. B. Computerdatei, Karteikartensystem, Buch, geordnete Zeitungsausschnitte) verwendet. Die Obergrenzen der Bußgeldrahmen sind außer Verhältnis zu jeglichen durch Datenschutzverletzungen noch einigermaßen wahrscheinlichen Schadenshöhen und offenbar mehr Schockstrategie als verhältnismäßig. Die bis zu 20.000.000,- € können einen vor allem treffen, wenn man keine Einwilligung der Person, über die man etwas äußert, vorweisen kann, oder ersatzweise ein eigenes berechtigtes Interesse. Was ein berechtigtes Interesse ist, kann man sich dann vor Gericht erstreiten, da die EU-Datenschutz-Grundverordnung dies nicht festgelegt hat. Wenn man sich ohne nachweisliche Einwilligung öffentlich äußert über politische Ansichten anderer Menschen, braucht man dafür nicht nur ein berechtigtes Interesse, sondern die betroffenen Personen müssen ihre Ansichten obendrein offensichtlich selbst öffentlich gemacht haben. Bis zu 20.000.000,- € kostet es auch, wenn man der betroffenen Person hinsichtlich der beabsichtigten Äußerungen über diese nicht genug Angaben macht, z. B. die Zwecke der beabsichtigten Äußerungen nicht genug darlegt. Und ebenso, wenn eine betroffene Person mit Wirkung für die Zukunft ihre Zustimmung zu einer Veröffentlichung zurückzieht, und man dann die Löschung nicht nur der betreffenden Veröffentlichung, sondern auch aller Links zu dieser, nicht in dem Umfang durchzusetzen vermag, wie die Aufsichtsbehörde dies für zumutbar hält.
Bis zu 10.000.000,- € kostet es selbst bei Vorliegen der Zustimmungen aller „betroffenen Personen“, wenn die Aufsichtsbehörde der Auffassung ist, dass Aufzeichnungen , Folgenabschätzungen oder (bei „Verarbeitungen“ mit einem vermutlich hohen Risiko für die Rechte und Freiheiten betroffener Personen) vorherige Konsultationen der Aufsichtsbehörde unterblieben oder unzureichend sind. Und das alles wird schon verlangt, bevor man überhaupt anfängt mit der Lektüre zur Vorbereitung auf die betreffende Verlautbarung. Ein rechtssicherer Schutz davor ist unmöglich, da nicht abzusehen ist, wie detailliert die Aufsichtsbehörde Aufzeichnungen und Folgenabschätzungen haben will, und wie sehr sie die Zusammenfassung mehrerer ähnlicher Verarbeitungen in jeweils einer einzelnen Folgenabschätzung genehmigt oder sanktioniert. Während die Einwohner der EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Eigenschaft als „betroffene Personen“ zur scheinbaren Legitimation der ultra-vires-mäßigen EU-Datenschutz-Grundverordnung benutzt werden, werden sie selbst als „Verarbeiter“ mitsamt den von ihnen über andere „betroffene Personen“ gesammelten Daten überwacht und zur Selbstüberwachung verpflichtet. Das ist das Gegenteil von Datenschutz.
Und die von der Aufsichtsbehörde verhängbaren „Verarbeitungsverbote“ sind so offen formuliert, dass sie nicht nur als de facto Tätigkeitsverbote, sondern sogar als de facto Berufsverbote interpretiert werden können., weil die Verarbeitung personenbezogener Daten in fast allen Berufen und ehrenamtlichen Tätigkeiten erforderlich sind.

Die EU-Datenschutz-Grundverordnung verpflichtet die Mitgliedsstaaten auch, Ausnahmen zum Schutz von Meinungs- und Pressefreiheit festzulegen; das hilft aber erst, wenn und soweit der jeweilige Mitgliedsstaat davon auch Gebrauch macht. Sie enthält auch Ausnahmen, insbesondere zu Gunsten der Wirtschaft (z. B. bei Aufzeichnungspflichten und für Datenverarbeitung für Zwecke von Vertragsabschlüssen) und zur Verfolgung von Rechtsansprüchen.
Politiker, Menschenrechtler, Blogger und Hörgeräteträger, so auch die Beschwerdeführerin, werden von der EU-Datenschutz-Grundverordnung voll getroffen.

Politik erfordert im Wahlkampf ebenso wie als Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, sich auch kurzfristig über konkrete Menschen öffentlich zu äußern, zur Werbung für Parteikollegen ebenso wie zur die Würde achtenden Kritik an der Konkurrenz, auch ohne für jede Äußerung vorher um Erlaubnis zu fragen. Um das seriös und fundiert zu tun, muss man auch Artikel und Bücher lesen können, ohne vorher jedes Mal einer Aufsichtsbehörde umfangreiche Folgenanalysen und Zweckangaben zu machen. Im Gegensatz dazu entscheidet mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung die Frage, welche Politiker und Parteien die Aufsichtsbehörde wann überprüft, darüber, welche schon vor den Wahlen über Bußgelder bis zu 20.000.000,- € und über Tätigkeitsverbote aus dem Rennen ausscheiden.

Menschenrechtler werden außer bei Verlautbarungen vor allem getroffen hinsichtlich Briefaktionen,
Öffentlichkeitsarbeit zu Verfassungsbeschwerden und Kommunikation mit internationalen Menschenrechtsgremien.

Am meisten im Visier stehen Blogger, die ehrenamtlich (also ohne die Erleichterungen für berufsmäßige Journalisten) über andere Menschen reden und schreiben. Sie sind in zahlreichen Staaten inzwischen eine wichtige Ergänzung zur staatlichen und kommerziellen Presse und manch-mal selbst als ein Baustein für die zur Bewahrung des Friedens notwendige Kommunikation erforderlich, wie die Verfassungsbeschwerde am Beispiel des 31.08.2013 zeigt.

Auch Hörgeräteträger sind betroffen, soweit sie ihre Hilfsmittel nicht nur zur Kommunikation mit Freunden und Verwandten, sondern auch im öffentlichen Bereich wie z. B. im Beruf und im Ehrenamt, einsetzen, wobei vor allem die ständige Einholung der Einwilligungen vielen peinlich sein wird. Und Menschen mit Hörgeräten gibt es laut Statista allein in Deutschland 1,88 Millionen, mehr als es hier aktive Politiker gibt.

Die Beschwerdeführerin und ihr gem. §22 Abs. 1 S. 4 BVerfGG für die mündliche Verhandlung beantragter Vertreter stehen für Interviews zur Verfügung.

Für weitere Informationen siehe den Text der Verfassungsbeschwerde.


V.i.S.d.P.:

Sarah Luzia Hassel-Reusing, Thorner Str. 7, 42283 Wuppertal (Deutschland)

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