Die Schlussfolgerung von Alles Schall und Rauch, dass die USA der Niederschlagung der bahraini-schen Demokratiebewegung grünes Licht gegeben haben aus Angst, bei einer Demokratisierung des mehrheitlich schiitischen Bahrain Rechte für ihren Flottenstützpunkt zu verlieren, scheint einleuch- tend. Aber warum sollten die USA im Gegenzug bei einer derart starken Verhandlungsposition nicht mehr verlangt und bekommen haben?Am 17.03.2011 berichtete Alles Schall und Rauch in dem Artikel „die von den USA gewollte Niederschlagung in Bahrain“ darüber, dass ein Treffen des auch für den US-Flottenstützpunkt in Bahrain zuständigen US-Vizeadmirals mit dem militärischen Oberkommandierenden Bahrains genau an dem 14.03.2011 statt fand, als saudische Truppen in Bahrain auf Anforderung der dortigen Regierung einmarschierten zur Unterdrückung der Demokratiebewegung. Laut taz sind auch Truppen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten anwesend.
Laut dem Artikel „Deutschlands feige Außenpolitik“ der Zeit hat die Arabische Liga erst am 12.03.2011 einer Flugverbotszone über Libyen nach langem Ringen zugestimmt. Auch die Uno-Sicherheitsrats-Resolution 1973 (2011) zur Errichtung einer Flugverbotszone bestätigt in den Erwägungsgründen den 12.03.2011 als den Tag des Beschlusses der Arabischen Liga. Was mag sie dafür im Gegenzug bekommen haben?
Die meisten Mitgliedsländer der Arabischen Liga haben keine allzu starken Parlamente, wenn sie überhaupt Parlamente haben. Viele der Golfstaaten vor allem sind Monarchien. Haben die USA Saudi-Arabien und Bahrain freie Hand gegeben zur Niederschlagung von deren Demokratiebewe-gungen im Gegenzug zur Unterstützung der Arabischen Liga für eine Flugverbotszone über Libyen?
Dabei könnte die Niederschlagung der Demokratiebewegungen in den arabischen Ländern durchaus im Kalkül manches gewählten westlichen Herrschers sein. Der Radio Utopie- Artikel vom 18.03.2011 „Analyse zur UN-Resolution: Eine umfassende Kriegsvollmacht gegen Libyen“
zeigt, wie geschickt die ägyptische Militärregierung in die Versorgung der libyschen Rebellen mit Waffen eingebunden wurde, und wie nun durch gezielte Indiskretionen versucht zu werden scheint, Ägypten in einen kriegerischen Konflikt mit Libyen hinein zu ziehen.
Ein Krieg könnte zugleich die ägyptische Demokratiebewegung destabilisieren. Denn er hätte das Potential, zur Ausrufung von Kriegsrecht in Ägypten mißbraucht zu werden. Ausgerechnet jetzt, wo die Ägypter Mubarak und Sulaiman abgesetzt haben, und anfangen, die ägyptische Stasi zu ent-machten.
Immer mehr Menschen auch in Deutschland sind inspiriert von der arabischen Demokratie-bewegung. Was zur Niederschlagung der arabischen Demokraten von westlichen Staaten zugelassen wird, könnte sich zugleich auch wie eine Drohgebärde gegenüber den Demokraten in Europa und den USA auswirken, welche es leid sind, de facto von Denkfabriken und Debattierclubs mit regiert und legisliert zu werden, in voller Verantwortung der gewählten Repräsentanten des Volkes, und statt eines verfassungsgemäßen Maßes an direkt-demokratischer Verantwortung.
hier die zeitliche Abfolge einiger der entscheidenden Ereignisse:
12.03.2011 Zustimmung arabische Liga zu Flugverbotszone Libyen13.03.2011 Demonstranten blockieren Zufahrtstraßen zu Finanzdistrikt Bahrains14.03.2011 Treffen zwischen dem Kommandeur der 5. Flotte, Vizeadmiral Mark I. Fox, und dem Oberkommandierenden des bahrainischen Militärs, Shaikh Khalifa bin Ahmed Al-Khalifa14.03.2011 saudische Truppen in Bahrain15.03.2011 auf G 8 – Gipfel Kritik von Russlands Außenminister Lawrow bzgl. Libyen16.03.2011 gewaltsame Räumung Perlen-Platz in Bahrain16.03.2011 Festnahme führender bahrainischer Oppositioneller16.03.2011 Aufruf des Uno-Generalsekretärs zum unverzüglichen Waffenstillstand in Libyen17.03.2011 Uno-Sicherheitsrat erlaubt Flugverbotszone über Libyen18.03.2011 libysche Regierung verkündet Waffenstillstand; libysche Rebellen lehnen diesen ab; unklare Lage, ob libysche Regierung wirklich irgendwo Kampfhandlungen eingestellt hat
Natürlich geht es auch um libysches Öl. Durch eine militärische Intervention gegenüber Libyen, und sei es aus der Luft, damit die Rebellen an die Macht kommen, würden vermutlich andere Ölfirmen als heute in Libyen ins Geschäft kommen.
Laut dem Wikipedia-Lexikon machen Erdöl und Erdgas 97% der libyschen Exporte aus, und gehen 38% der libyschen Exporte nach Italien und 15% nach Deutschland, nach Frankreich hingegen nur 6% und in die USA nur 5%. Das macht es wirtschaftlich nachvollziehbar, dass USA, Frankreich und Großbritannien sich mehr für eine Flugverbotszone über Libyen einsetzen, als Deutschland und Italien, deren Konzerne Wintershall und Agip an einem internationalen militärischen Eingreifen kaum Interesse haben dürften. Aber auch völkerrechtlich gibt es gute Gründe für die deutsche militärische Zurückhaltung.
Ein Grund für die französische Unterstützung der Flugverbotszone könnte auch der jahrzehntelange strategische Gegensatz zwischen Frankreich und Libyen sein. Ob im Tschad, im sudanesichen Darfur, in der Zentralafrikanischen Republik oder in der Demokratischen Republik Kongo. Immer wieder haben Frankreich und Libyen in Bürgerkriegen gegensätzliche Seiten unterstützt.
Laut dem Zeit-Artikel „NATO bereitet Militärschlag vor“ vom 18.03.2011 befinden sich die Planungen der NATO für einen Einsatz zur Durchsetzung der Flugverbotszone bereits in der Endphase, obwohl die Uno-Sicherheitsratsresolution da gerade erst einen Tag alt gewesen ist. Es drängt sich die Frage auf, wann die Planungen der NATO dafür begonnen haben, und ob diese vor oder nach der Beginn des libyschen Aufstands begonnen haben. Hat ein großes Militärbündnis wirklich eine so geringe Vorlaufzeit, wenn es ausschließlich um Luftwaffeneinsätze geht? Oder lagen solche Pläne vielleicht schon in der Schublade, und hat sich nur unerwartet mit der libyschen Rebellion und Gaddhafis Reaktion darauf ein Anlass dafür eröffnet? In Afghanistan soll die Vor- laufzeit des NATO-Einsatzes deutlich länger gewesen sein, aber dort sind ja auch in großem Umfang Bodentruppen im Einsatz.
Laut einem Bericht von Russia Today hat der russische Außenminister Lawrow sich noch am 15.03.2011 skeptisch gezeigt bzgl. einer möglichen Flugverbotszone über Libyen und gesagt, er wolle erst einmal die Vorstellungen der Arabischen Liga hierzu genauer erläutert bekommen. Noch am 15.03.2011 sah es so aus, als würde Russland vermutlich allein wirtschaftliche Sanktionen gegen Libyen mit tragen.
Wie der Zeit-Artikel „Deutschlands feige Außenpolitik“ enthüllt, hat sich Russland bei der Resolu- tion des Sicherheitsrats für die Flugverbotszone dann aber enthalten, genau wie Deutschland.
Zu dem Russia-Today-Bericht kursiert im Internet auf dem YouTube-Kanal von „108morris108“ noch eine weitere Fassung mit einer ganz anderen Tonspur. So als hätte jemand damit zum Aus- druck bringen wollen, welche wichtigen Informationen seines Erachtens im Russia Today – Bericht fehlten. So wird in der bei 108morris108 zu findenden Fassung gesagt, der Sicherheitsrat habe mit seiner Resolution auch in den Einsatz von Uranmunition der NATO in Libyen eingewilligt. Der Uranstaub werde so auch die Nachbarländer und daneben auch Europa erreichen. Und in der besagten Fassung des Videos wird die Frage gestellt, ob die Enthaltung Russlands etwas mit einem russischen Ölgeschäft mit BP oder mit einer möglichen Bereitschaft des Westens zur Ausdehnung des russischen Einflusses in Georgien erlangt worden sein könnte.
Die Gefahr des Einsatzes von Uranmunition dürfte echt sein, da NATO-Mitgliedsstaaten diese mindestens bereits im Kosovo, in Afghanistan, in Bosnien und im Irak eingesetzt haben. Mit fürch- terlichen Folgen für die Bevölkerung, insbesondere bzgl. Leukämie und schwersten Behinderungen bei Kindern über Generationen hinweg.
Das dürfte langfristig weit mehr tote Zivilisten fordern, als man es Gaddhafi heute vorwirft.
Das IGH-Gutachten vom 08.07.1996 über die Frage der Rechtmäßigkeit der Drohung mit Atom- wafffen und des Einsatzes von Atomwaffen kam zum Ergebnis, dass die Drohung mit solchen Waffen zur Abschreckung rechtmäßig ist. Und zu dem Ergebnis, dass deren Einsatz wenn über- haupt, nur dann legal sein kann, wenn es das letzte zur Verfügung stehende Mittel zur Abwendung einer eigenen vernichtenden militärischen Niederlage wäre, unter allen anderen Umständen jedoch illegal wäre – und zwar auf Grund der Genfer und Haager Konventionen des humanitären Kriegs-völkerrechts. Die Genfer Konventionen sind dafür da, im Krieg für die nicht Kämpfenden, insbe- sondere für die Zivilisten, soweit wie möglich einen Menschenrechtsschutz wie im Frieden zu sichern, die Haager Konventionen dafür, dass man auch Kämpfende nicht mit unnötiger Grausam- keit töten darf. Uranmunition ist wegen des jahrtausendelangen Leids, das es unter Soldaten und Zivilisten und deren Nachkommen auslöst, mit beiden unvereinbar. Siehe vor allem Präambel und
Art. 23 lit. e der IV. Haager Konvention betreffend die Landkriegsführung und Art. 3 Nr. 1 lit. a der IV. Genfer Konvention.
Art. 23 lit. e der IV. Haager Konvention betreffend die Landkriegsführung und Art. 3 Nr. 1 lit. a der IV. Genfer Konvention.
Angesichts des IGH-Gutachtens vom 08.07.1996 ist vollkommen unverständlich, wie einer Organi- sation wie der NATO vom Uno-Sicherheitsrat erlaubt werden konnte, solch ein Mandat für die Durchsetzung einer Flugverbotszone zu übernehmen, ohne gleichzeitig explizit die Verwendung von Uranmunition zu untersagen. Und das genau zu einer Zeit, wo die Welt vor der Strahlung aus den japanischen AKWs zittert. Wer merkt denn schon, ob die Strahlung von japanischen AKWs oder von der dann in Libyen verschossenen NATO-Uranmunition nach Europa kommt?
Auch wenn man sich das Uno-Primärrecht anschaut, also die Verträge, auf deren Grundlage die Vereinten Nationen arbeiten, darunter vor allem die Uno-Charta (Satzung der Uno), dann ist keine hinreichende primärrechtliche Grundlage für den Sicherheitsratsbeschluss 1973 (2011) über die libysche Flugverbotszone ersichtlich.
Der entscheidende Trugschluss ist der letzte Erwägungsgrund der Sicherheitsrats-Resolution 1973 (2011), dass die Situation in Libyen eine Bedrohung für den internationalen Frieden und für die internationale Sicherheit darstelle. Denn Gaddhafis Regime macht keinerlei Anstalten, irgendein anderes Land direkt anzugreifen. Sämtliche uns bekannte Drohgebärden beziehen sich auf Maß- nahmen der Verteidigung, welche Libyen im Falle eines internationalen Eingreifens möglicherweise anwenden würde. Die Uno-Resolution 1973 (2011) sagt ausdrücklich, der Sicherheitsrat handele bei dieser Resolution nach Kapitel VII der Uno-Charta. Dieses Kapitel lässt die Ermächtigung durch den Uno-Sicherheitsrat zu Militäreinsätzen gem. Art. 42 i. V. m. Art. 39 der Uno-Charta aber nur zu bei Bedrohung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit. Da es sich aber um einen Konflikt innerhalb des libyschen Staatsgebiets handelt, ist einfach nicht erkennbar, wo der internationale Frieden dadurch bedroht sein soll.
Gemessen an der Uno-Charta dürfte der Uno-Sicherheitsrat also ultra-vires gehandelt haben, seine uno-primärrechtlichen Kompetenzen überschritten haben, denn Art. 2 Abs. 1 Uno-Charta schützt die Souveränität der Staaten, auch die Libyens, und Art. 2 Abs. 7 stellt klar, dass die Uno-Charta zu militärischem Eingreifen nur auf Grund von Rechtsgrundlagen aus Kapitel VII. der Uno-Charta ermächtigt.
Nun könnte man einwenden, dass es in Libyen schwerste Menschenrechtsverletzungen gibt gegen unbewaffnete Oppositionelle und an von der EU abgeschobenen Flüchtlingen, zumal Libyen zu den ganz wenigen afrikanischen Staaten gehört, welche die Genfer Flüchtlingskonvention nicht ratifiziert haben. Schließlich gehören die Menschenrechte der Uno zum „ius cogens“, dem zwingenden Völkerrecht und stehen damit vom Rang oberhalb der meisten völkerrechtlichen Verträge (Art. 28 Allgem. Erklärung der Menschenrechte, Art. 1 Nr. 3 Uno-Charta, Rn. 279-282 des Urteils des EU-Gerichts 1. Instanz zu T-306/01 und dort zitiertes IGH-Gutachten vom 08.07.1996, Art. 53 und Art. 64 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK)).
Das übersieht jedoch, dass die Menschenrechte der Uno nach Art. 29 Nr. 3 der Allgem. Erklärung der Menschenrechte ausdrücklich vom Rang unterhalb der Uno-Charta stehen, und dass die Uno-Charta nach Art. 103 Uno-Charta der höchstrangige internationale Vertrag ist.
Und nach Art. 2 Abs. 7 Uno-Charta sind Einmischungen in die inneren Angelegenheiten von Staaten (hier von Libyen) nur erlaubt auf Grundlage von Kapitel VII der Uno-Charta. Und die Voraussetzungen der zu Kapitel VII gehörenden Art. 39 und Art. 42 Uno-Charta für Militäreinsätze sind ja gerade nicht erfüllt.
Nun gibt es eine Resolution der Uno-Vollversammlung aus 2005 (Az. A/RES/60/1) über die sog. Schutzverantwortung („Responsibility to Protect“), welche auch Militäreinsätze außerhalb der in Kapitel VII ausdrücklich genannten Fälle erlauben will. Resolutionen der Uno-Vollversammlung sind, anders Resolutionen des Sicherheitsrates, grundsätzlich unverbindlich, es sei denn, dass so viele Staaten diese als verbindlich ansehen, dass sie zu Völkergewohnheitsrecht und damit zu einem Teil des „ius cogens“ geworden sind, obwohl sie von keinem mitgliedsstaatlichen Parlament jemals ratifiziert worden sind. Ob das bzgl. der erst wenige Jahre alten Resolution der Vollversammlung zur Schutzverantwortung der Fall ist, ist umstritten. Selbst die Resolution zur Schutzverantwortung hat sehr hohe Hürden, denn sie ist, wenn sie „ius cogens“ und damit verbindlich werden sollte, was sie nach unserer Auffassung zumindest bisher in der kurzen Zeit noch nicht geworden ist, jedenfalls nicht bei allen schweren Menschenrechtsverletzungen anwendbar, sondern ausschließlich bei Vorliegen eines der 4 dort genannten Straftatbestände des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs der Uno, also bei Völkermord, ethnischer Säuberung, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Nr. 138 – 140 der Resolution).
Ein Völkermord (Art. 6 Römisches Statut) liegt in Libyen offensichtlich nicht vor, da die Aufständi-schen in Libyen auf keine der in Art. 6 genannten Personengruppen passen. Sie sind eine politische Gruppe oder ein Bündnis von solchen, aber keine religiöse, ethnische etc.
Schwieriger ist die Frage, ob Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorliegen (Art. 7). Das ist der Fall, wenn bestimmte in Art. 7 genannte Straftaten gegen die Zivilbevölkerung unternommen werden. Das könnte hier bzgl. der vorsätzlichen Tötung (Art. 7 Abs. 1 lit. a) oder bzgl. der Folter (Art. 7 Abs. 1 lit. f) der Fall sein. Art. 7 greift jedoch nur, wenn es sich entweder um einen großangelegten oder um einen systematischen Angriff auf die Zivilbevölkerung handelt. Und Art. 7 sagt nichts dazu, ab welcher Größenordnung das der Fall ist.
Es könnte auch ein Fall von Kriegsverbrechen vorliegen bzgl. vorsätzlicher Tötungen und bzgl. Folter, soweit dies entweder planmäßig oder in großem Umfang verübt würde (Art. 8 Abs. 1 + Abs. 2 lit. c), was auch bei Bürgerkriegen, wie hier in Libyen, gilt, nicht jedoch bei kleineren Unruhen nicht internationalen Ausmaßes (Art. 8 Abs. 2 lit. d).
Selbst wenn die Resolution der Vollversammlung über die Schutzverantwortung verbindlich und die Voraussetzungen von Art. 7 oder Art. 8 des Römischen Status erfüllt sein sollten, wäre immer noch zu beachten, dass die Uno-Charta nach ihrem Art. 103 der höchstrangige internationale Vertrag ist, und dass sie deshalb vom Rang über allen anderen Verträgen der Uno steht, selbst über den Men- schenrechtsverträgen, aber auch über dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Außerdem ist die Resolution über die Schutzverantwortung von keinem nationalen Parlament ratifiziert und nur Uno-Sekundärrecht, kein Uno-Primärrecht wie die Verträge der Uno. Selbst wenn die Resolu-tion zur Schutzverantwortung „ius cogens“ und damit verbindlich geworden sein sollte, was sie nach unserer Überzeugung nicht ist, so dürfte sie doch nur bis an die Grenze dessen angewandt werden, was die Uno-Charta erlaubt. Und da setzt Art. 2 Abs. 7 eine unmißverständliche Grenze. Die Resolution zur Schutzverantwortung darf unseres Erachtens zumindest bzgl. eines militärischen Eingreifens nur zur Anwendung kommen, soweit auch entsprechende Tatbestände von Vorschriften aus Teil VII. der Uno-Charta erfüllt sind.
Ein weiterer Grund für Zweifel an der „ius cogens“ - Eigenschaft der Resolution zur Schutzverant-wortung ist, dass diese auf dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs aufbaut, welches zwar als völkerrechtlicher Vertrag verbindlich ist, aber bei weitem nicht von allen Uno-Mitgliedern, so auch nicht von Libyen ratifiziert worden ist. Kann man eine Resolution der Voll-versammlung, die auf einem von Libyen niemals ratifizierten internationalen Vertrag aufbaut, als Rechtsgrundlage für ein militärisches Eingreifen gegenüber Libyen anwenden ?
Soweit es um nicht-militärische Maßnahmen geht, und dem auch die Menschenrechtsverträge der Uno nicht entgegen stehen, können und müssen die Uno-Resolution zur Schutzverantwortung und können und müssen die Uno-Sicherheitsrats-Resolutionen 1973 (2011) und 1970 (2011) zu Libyen umgesetzt werden. Allein bzgl. der Flugverbotszone hat unseres Erachtens der Sicherheitsrat seine Kompetenzen überschritten, nicht aus moralischen Gründen, sondern aus rechtlichen Gründen wegen Kollision mit Art. 2 Abs. 7 Uno-Charta. Und möglicherweise liegt bzgl. des Einfrierens von Vermögen eine Menschenrechtsverletzung vor, je nachdem, ob die Uno inzwischen aus ihren Erfahrungen mit dem Einfrieren des Vermögens von Terrorverdächtigen (siehe dazu vor allem die Urteile des EU-Gerichts 1. Instanz zu T-306/01 und des EUGH zu C-402/05) gelernt hat und Rechtsmittelmöglichkeiten für die betroffenen Libyer vor Gerichten der einfrierenden Länder zulässt.
Zumindest der Uno-Sicherheitsrat, ganz im Gegensatz zum Uno-Hochkommissariat für Menschen-rechte, scheint Libyen und Bahrain mit zweierlei Maß zu messen. In Bahrain handelt es sich um eine vollständig friedliche Opposition, so wie 1989 in der DDR oder bei Mahatma Gandhis Bewe- gung in Indien, nur alles etwas kleiner, weil Bahrain nur etwa die Größe Hamburgs hat.
Auch in Bahrain stellen sich Fragen, ob Straftatbestände des Römischen Statuts erfüllt sind. Bahrain hat das Römische Statut immerhin unterzeichnet, aber nicht ratifiziert.
Hier stellt sich vor allem die Frage, ob Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 7) vorliegen, da es sich um eine vollständig friedliche Demokratiebewegung handelt. Es wird von Tötungen (Art. 7 Abs. 1 lit. a) und von Freiheitsentzug (Art. 7 Abs. 1 lit. e) berichtet, und dies wird verübt wegen der Zugehörigkeit zu bestimmten politischen Organisationen und Kundgebungen für Demokratie, was für eine gezielte politische Verfolgung spricht (Art. 7 Abs. 1 lit. h + Abs. 2 lit. g). Weitere Voraus-setzung für das Vorliegen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist auf jeden Fall, dass dies entweder großangelegt oder systematisch geschieht. Für die Großangelegtheit spricht das Bei- standsersuchen der bahrainischen Regierung gegenüber dem Golf-Kooperationsrat, welches in Form von 1.000 saudischen und 500 emiratischen Soldaten worden ist. Für das systematische Vorgehen spricht die gezielte Verhaftung ganz konkreter Oppositionsführer.
Sollte die Gewalt gegen die Zivilisten gar anti-schiitisch religiös motiviert sein, könnte auch Art. 6 vorliegen.
Ob ein Fall von Art. 8 („Kriegsverbrechen“) des Römischen Statuts vorliegt, dürfte davon abhän- gen, ob ein bewaffneter Konflikt vorliegen kann, wenn eine Seite völlig unbewaffnet ist. Ganz stark für die Anwendbarkeit von Art. 8 spricht allerdings die Unterstützung durch saudische Truppen und eben nicht durch saudische Polizeikräfte.
Das mag auch dahin stehen, denn für eine Verletzung von Art. 7 des Römischen Status spricht in Bahrain noch deutlich mehr als in Libyen, da in Bahrain, anders als in Libyen, die Opposition sich bis jetzt weigert, sich zu physischer Gewalt hinreißen zu lassen.
Hier wird vom Uno-Sicherheitsrat offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. Wenn er wirklich der Auffassung sein sollte, dass die Resolution der Uno-Vollversammlung zur Schutzverantwortung „ius cogens“ ist, und dass sie darüber hinaus, entgegen dem Wortlaut von Art. 103 Uno-Charta, auch noch vorrangig sein könnte gegenüber Art. 2 Abs. 7 Uno-Charta, dann müsste der Uno-Sicherheitsrat gleichermaßen mindestens eine Flugverbotszone über Bahrain verhängen, damit die friedlichen Demonstranten wenigstens nicht mehr aus der Luft bekämpft werden könnten. Außerdem würden vermutlich Blauhelme benötigt, um die Demonstranten zu schützen.
Für ein Tätigwerden mit strengen nicht-militärischen Sanktionen gegenüber Bahrain, und vielleicht auch gegenüber Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, spricht, dass der interna-tionale Militäreinsatz in Bahrain, selbst wenn er nach dem Recht des Golf-Kooperationsrats viel-leicht rechtmäßig sein mag, gegen das vom Rang höher stehende politische Selbstbestimmungsrecht des bahrainischen Volkes (Art. 1 Uno-Sozialpakt, Art. 1 Uno-Zivilpakt) verstößt, denn die Menschenrechte der Uno gehören zum „ius cogens“, das Recht des Golf-Kooperationsrats hingegen nicht. Daraus folgt, dass das Recht des Golf-Kooperationsrats nur bis an die Grenze dessen anzu-wenden ist, was mit den universellen Menschenrechten des bahrainischen Volkes (incl. dessen politisches Selbstbestimmungsrecht) gerade noch vereinbar ist. Auch mit der Souveränität (Art. 2 Abs. 1 Uno-Charta) des bahrainischen Staates, welche grundsätzlich, weil sie in der Uno-Charta steht, über dem Selbstbestimmungsrecht des Volkes steht, lässt sich der Einsatz des Golf-Koopera-tionsrats nicht rechtfertigen. Denn nach der Resolution 2625 (XXV) der Uno-Vollversammlung vom 24.10.1970 über völkerrechtliche Grundsätze für freundschaftliche Beziehungen zwischen den Staaten im Sinne der Charta der Vereinten Nationen sind, soweit irgendwie möglich, die Souveräni-tät und das Selbstbestimmungsrecht der Völker gleichzeitig zu achten. Der Vorrang der Souveränität
hat in der Praxis die Bedeutung, dass nationale Minderheiten, es sei denn, sie würden gewaltsam unterdrückt, sich nicht einfach von Staaten abspalten dürfen, aber aus dem Vorrang der Souveränität erwächst keinerlei Recht, anderen Staaten bei der gewaltsamen Unterdrückung ihrer Opposition zu helfen.
Quellen:
Alles Schall und Rauch zum Trffen zwischen dem US-Vizeadmiral und dem bahrainischen Ober- kommandierenden
Die Zeit am 17.03.2011 zur Uno-Sicherheitsratsresolution zu Libyen
Die Zeit am 18.03.2011 zu Reaktionen auf das Waffenstillstandsangebot Gaddhafis
Radio Utopie zu Libyen
taz zu Bahrain
Wikipedia-Lexikon zu Libyen
Russia Today zu Libyen
das gleiche Russia-Today Video mit einem ganz anderen Ton (zu finden einem Youtube-User namens 108morris108)
Uno-Sicherheitsratsresolution 1973/2011 zu Libyen vom 17.03.2011
Uno-Sicherheitsratsresolution 1970/2011 zu Libyen vom 26.02.2011
Wikipedia-Lexikon zur „Responsibility to Protect“
Uno-Resolution zur Responsibility to Protect
Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs
Wikipedia-Lexikon zum Internationalen Strafgerichtshof
Unser-Politikblog vom 17.03.2011 zum saudischen Militäreinsatz in Bahrain
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