Von Daniel Neun Radio Utopie | 4.Dezember 2011
Am 1.Dezember gab Arnaud Montebourg,
einflussreiches Mitglied der “Sozialistischen Partei” (PS) Frankreichs,
der Zeitung “le Monde” (“die Welt”) ein Interview. In Deutschland
schwieg man sich in den herrschenden Gilden von Kapital, etablierten
Parteien und Informationsindustrie darüber halb tot vor Wut. Vielleicht
ist es also an der Zeit, noch ein bisschen nachzuhelfen.
Arnaud Montebourg ist Gründer der “Vereinigung für eine Sechste Republik”,
die eine neue Verfassung, eher nach dem Vorbild des Grundgesetzes, und
neue Republik Frankreich anstrebt. Ebenso ist Montebourg, der bei den
Vorwahlen um die Präsidentschaftskandidatur der “Sozialisten” mit 17
Prozent immerhin Platz Drei erreichte, Autor einer kleinen Hommage an
die Oberschicht Frankreichs (“Maschinerie des Verrats”), sowie Anhänger
gesellschaftlicher Initiativen im Zuge der “Entglobalisierung”.
Hier nun das Interview im Wortlaut. Die Fragen stellten Journalisten von “Le Monde”, “AFP”, “France Info” und “Daily Motion”.
“Frage: Ist es notwendig, um den Euro zu retten, eine größere
Kontrolle über Europa auf die Haushalte der Mitgliedstaaten in Kauf zu
nehmen?
Montebourg: Nein, das ist nicht akzeptabel, das ist ein deutsches
Diktat. Angela Merkel hat sich entschieden, über die Europäische Union
eine deutsche Ordnung zu verhängen. Sie ist dabei die Euro-Zone zu
zerstören, indem sie die Mittelschicht und die Arbeiterklasse den Preis
der in der Krise angehäuften Schulden zahlen lässt.
Frage: Sie sprechen von “deutscher Ordnung”. Wir sind noch nicht im Jahr 1939!
Montebourg: Ich sage deutscher Egoismus. Ich spreche von
deutschem Nationalismus, der dabei ist im Zuge der Politik a la Bismarck
von Frau Merkel wieder aufzutauchen. Sie baut die Konfrontation auf, um
ihre Herrschaft durchzuzwingen. Wenn es Deutschland gelingt, die
imposante griechische Heilung allen europäischen Ländern aufzuzwingen,
Frankreich eingeschlossen, wird das den Populismus der extremen Rechten
überall aufsteigen lassen.
Frage: Frankreich, kann es sich das Risiko eines Bruchs mit Deutschland leisten, um nachher allein dazustehen?
Montebourg: Ich glaube nicht, daß Frankreich allein ist. Es hat
die Unterstützung aller Völker, die heute die gefährlichen Ausmaße der
Krise erleben. Wenn es mir gegeben worden wäre Präsident unserer
Republik zu werden, hätte ich das Parlament um ein Mandat gebeten, in
der Annahme, daß die einzige Lösung zur Rettung der Euro-Zone die
Erlaubnis für die Zentralbank ist zu tun, was alle Zentralbanken der
Welt tun: die Schulden zu tilgen. Die Zeit ist gekommen, um die
politische Konfrontation gegen Deutschland aufzunehmen und unsere Werte
zu verteidigen.
Frage: Deutschland hat Argumente. Es war tugendhafter als Frankreich.
Montebourg: Anstatt das deutsche Modell zu loben, ist es an der
Zeit seinen Konkurs aufzuzeigen: seit 10 Jahren ist das Wachstum in
Deutschland geringer als im Durchschnitt der Euro-Zone, seine Schulden
sind höher als die von Frankreich, die Arbeitslosenzahlen sind
verschleiert, und in Bezug auf die Armut, das ist eine Katastrophe.
Frage: Gibt es keinen Erfolg in Deutschland?
Montebourg: Der einzige Punkt, an dem man sagen kann, dass es
einen deutschen Erfolg gibt, das ist der Handelsüberschuss. Aber es geht
nicht um China. Es ist unser Ruin, dass Deutschland sein Glück gemacht.
Frage: Die Spaltung, wird sie bei der PS (Anm.: der “Sozialistischen Partei”) wieder auftauchen zu Europa?
Montebourg: Ich denke, jeder stimmt zu, dass der europäische
Verfassungsvertrag obsolet ist. Deshalb ist jetzt der Moment die Fragen
ruhen zu lassen.
Frage: Im Falle eines neuen Vertrags, wird es ein Referendum geben?
Montebourg: Es kann nicht anders sein. Und dieses Referendum, das
sage ich Ihnen im Voraus, wird negativ sein. Denn wissen Sie, was der
Föderalismus von Frau Merkel ist? Der Lendenschurz der deutschen
Autorität, anderen ebenso auferlegt wird wie den eigenen Menschen.”
Quelle: Le Monde
letzte Änderung: 16.50
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