Unser
Politikblog | 30.04.2018
Am
14.04.2018 fand in Köln die Kundgebung „Für Meinungsfreiheit –
gegen das NetzDG“ statt mit Vera Lengsfeld und Serge Menga als
Hauptrednern. Es ging schwerpunktmäßig um das
Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), welches von Anbietern sozialer
Netzwerke im Internet mit mindestens 2 Millionen registrierten
Nutzern verlangt, Beiträge, welche bestimmte im Gesetz genannte
Straftatbestände wie z. B. üble Nachrede oder Volksverhetzung,
erfüllen, innerhalb von 7 Tagen nach Eingang einer Beschwerde zu
löschen, bei offensichtlichen Fällen sogar innerhalb von 24
Stunden. Bußgelder bis zu 5 Millionen € können gegen die sozialen
Netzwerke verhängt werden, u. a. wenn entsprechende
Beschwerdeverfahren nicht oder nicht richtig vorgehalten werden, oder
wenn organisatorische Mängel nicht abgestellt werden.
Das mag
gut gemeint gewesen sein, aber die zu kurzen Fristen führen dazu,
dass zur Vermeidung der hohen Bußgelder eher zu viel als zu wenig
gelöscht wird.
Vera
Lengsfeld ist als Bürgerrechtlerin in der DDR bekannt geworden.
Serge Menga stammt aus der Demokratischen Republik Kongo, ist
Unternehmer und engagiert sich in seinen Youtube-Videos u. a. dafür,
dass mehr gegen die Gewalt in Deutschland getan wird.
Entsprechend
ihrem Aufruf gab es auf der Kundgebung keine Parteifahnen.
Direkt
nebenan lief die optisch bunte Kundgebung „Keine
‚Meinungsfreiheit‘ für Hass und Ausgrenzung – Keine zweite
PEGIDA in Köln“
des Kölner Aktionsbündnisses gegen Rechts, welches gegen die AFD,
gegen Nazis und gegen rechte Gewalt protestierte. Geht man nach der
Mode und den Fahnen, haben daran u. a. Autonome sowie Anhänger von
Linkspartei, Bündnis 90 / Die Grünen, MLPD teilgenommen. Das
Kölner Aktionsbündnis sollte ursprünglich seine Kundgebung auf dem
nahe gelegenen Heumarkt durchführen, laut der Kölner Online-Zeitung
Report K konnte es dann jedoch als Spontandemonstration zum Alten
Markt marschieren und unmittelbar gegenüber von „Für
Meinungsfreiheit – gegen das NetzDG“ protestieren.
Nach
Einschätzung des es
Kölner Aktionsbündnisses gegen Rechts sind unter den Organisatoren
von „Für Meinungsfreiheit – gegen das NetzDG“ Mitglieder der
AFD sowie der AFD nahe stehende Personen. Das Aktionsbündnis
befürchtet, dass es darum gehe, sehr rechte Positionen salonfähig
zu machen.
Zwischen
den beiden Gruppen hat die Polizei für die Verwirklichung des
Menschenrechts auf Sicherheit (Art. 9 Uno-Zivilpakt, Art. 6
EU-Grundrechtecharta) gesorgt und körperliche Zusammenstöße
zwischen den beiden Gruppen so gut wie vollständig verhindern
können.
Laut
Report K hat es zwei Anzeigen wegen vermuteter Körperverletzung
gegeben und eine wegen vermuteter Beleidigung, darunter wegen einer
Ohrfeige von Vera Lengsfeld und wegen einer von ihr als beleidigend
empfundenen Äußerung.
Gut und
unentbehrlich für Deutschland, dass sich hier Menschen für
Meinungsfreiheit und gegen Faschismus engagieren. Allerdings war die
Kundgebung für Meinungsfreiheit und gegen das NetzDG keine
Veranstaltung der AFD, sodass nur ein Teil von deren Teilnehmern aus
dem AFD-Spektrum kommen dürften, und auch die AFD ist immer noch
deutlich gemäßigter als Nazis und als gewalttätige rechte
Gruppierungen.
Mehr
Differenziertheit, Respekt und Sachlichkeit im Umgang miteinander
hätte gut getan. Wir hätten gerne die Reden beider Kundgebungen
gehört, um uns persönlich ein vollständiges Bild zu machen.
Man
musste sich auf die Seite der Kundgebung gegen das NetzDG stellen, um
überhaupt etwas von den Reden von Vera Lengsfeld Rede und Serge
Menga zu verstehen.
Dass die
Teilnehmer beider Kundgebungen gegen Nazis und gegen die
Inanspruchnahme der Meinungsfreiheit für Nazi-Propaganda gewesen
sind, ist ab etwa Minute 08:31 im Video-Mitschnitt auf dem Kanal
German Defence 24 zu sehen.
Die real
existierenden Mängel hinsichtlich des Einander-Zuhörens erinnerten
uns an absurdes Theater, babylonische Sprachverwirrung und Nebel von
Avalon. Nur bei zwei Liedern in den Redepausen der Kundgebung gegen
das NetzDG, darunter „We shall overcome“, wehte ein Hauch von
Harmonie und Pfingsten über den Platz.
Antifaschismus
ist unentbehrlich angesichts der deutschen Geschichte. Aber er sollte
sich nicht in Oberflächlichkeit erschöpfen, sondern auch mindestens
von solcher Qualität und Ernsthaftigkeit sein, dass man sich die
Reden der vermeintlichen oder tatsächlichen Gegenseite anhört und
sie sachlich analysiert und kritisiert.
Zum
NetzDG haben wir nach dem Ende der Veranstaltung noch Interviews
bekommen von Serge Menga und von Rechtsanwalt Dr. Christian Stahl,
der u. a. Mandanten vertritt, die bei Facebook gesperrt worden sind.
Die Standbilder bei den Interviews sind erforderlich gewesen, weil
leider mehrfach die Polizei und Passanten durchs Bild gelaufen sind.