Unser
Politikblog | 21.05.2020
„Eine schreckliche Schönheit war geboren.“ |
Die
Errichtung eines korporatistisch-faschistischen Wirtschaftssystems,
in welchem Konzerne an der Ausübung hoheitlicher Macht beteiligt
werden, und den man heute verharmlosend „Gewährleistungsstaat“
nennt, ist gar nicht so einfach. Deutschland hat in seinem
Grundgesetz wegen der schlimmen Erfahrungen mit der IG Farben sogar
ein eigenes Grundrecht, den sogenannten Funktionsvorbehalt (Art. 33
Abs. 4 GG), der das größtenteils verbietet.
Um
solche Bestimmungen zu umgehen, wurde durch den Lissabon-Vertrag in
Art. 2 von Protokoll 26 zu den Verträgen der EU die Pflicht der
Mitgliedsstaaten eingeführt zur Vergabe ihrer hoheitlichen Aufgaben
(im EU-Deutsch „nicht wirtschaftliche Dienste von allgemeinem
Interesse“), also zu einem eben solchen Staatsformwechsel, an
privat eingeführt. Für die Daseinsvorsorge („Dienste von
allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“) wurde entsprechendes in
Art. 14 AEUV eingebaut.
Das
Lissabon-Urteil hat, maßgeblich auf Grund des Gewissens von Prof.
Dr. Dr. Udo Di Fabio, die Zustimmung zum Lissabon-Vertrag mit Urteil
vom 30.06.2009 nur mit einer langen Liste von Vorgaben erlaubt,
darunter die Bekräftigung des staatlichen Gewaltmonopols. Also erst
einmal kein Staatsformwechsel.
Der
nächste Anlauf zum Ausverkauf der Staaten kam mit dem ESM, dem
vierten Mechanismus mit der „Troika“ aus EU-Kommission,
Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds
(IWF), welcher anders als seine drei Vorgänger
(„Griechenland-Hilfe“, EFSM und EFSF) die Verpflichtung der
Staaten der Eurozone enthält, sich im Falle ihres Staatsbankrotts
(des Eingeständnisses, dass sie nicht mehr alle Schulden pünktlich
bedienen können), sich einem Staateninsolvenzverfahren zu
unterwerfen. Genauer gesagt, steht in Art. 12 ESM-Vertrag die
Verpflichtung, dass die Staaten der Eurozone ihren ab 2013
herausgegebenen Staatsanleihen „kollektive Aktionsklauseln“
beifügen, also Zusatzbedingungen für den Fall des Staatsbankrotts.
Und was in diesen „kollektiven Aktionsklauseln“ steht, hat man
mit einem der Begleitgesetze zum ESM (Drs. 17/9049) in deutscher
Gründlichkeit auch als §§4a bis 4k ins Bundesschuldenwesengesetz
eingefügt. Da gibt es eine Insolvenztabelle beim OLG Frankfurt/Main
und einen Insolvenzstichtag, und über die Änderung der
Zahlungsbedingungen entscheidet dort die Versammlung der privaten
Gläubiger. Soviel zum Demokratieverständnis des ESM.
Die
Auflagen des ESM und seiner drei Vorgänger sind ausdrücklich so
streng vorgesehen wie in der „Praxis“ des IWF (Resolution der
Wirtschafts- und Finanzminister im EU-Ministerrat vom 09.05.2010, Az.
SN 2564/1/10). Seit 2001 sind die Auflagen von IWF und Weltbank
offiziell als Hauptgrund Nr. 2 für den Hunger in der Welt anerkannt
(Tz. 69 des Berichts von Prof. Dr. Jean Ziegler, des damaligen
Uno-Sonderberichterstatters für das Menschenrecht auf Nahrung).Wie
IWF und Weltbank Nahrungs- und Gesundheitsversorgung von Millionen
Menschen zerstört haben, siehe insbesondere „Globalization of
Poverty and the New World Order“ (Prof. Dr. Michel Chossudovsky,
Global Research), „Adjustment with a Human Face“ (UNICEF) und
„Genug ist Genug“ (Davison Budhoo, Heinrich-Böll-Stiftung). Sinn
dieser Strenge ist es laut dem ehemaligen Weltbank-Chefökonomen
Prof. Dr. Joseph Stiglitz, einen Schock zu setzen, um Privatisierung
und Freihandel durchzusetzen.
Die
Auflagen der „Troika“ haben zu Krankheit und Tod vieler Menschen
in Griechenland beigetragen. Die entsprechenden Anzeigen in Den Haag
wegen Verbrechen an der Menschlichkeit (Art. 7 Römisches Statut)
haben wiederum den Elan zur Anwendung des Staateninsolvenzverfahrens
gebremst. Stattdessen hat die EZB angefangen, italienische
Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt zu kaufen und so den
italienischen Staatsbankrott bis heute verhindert.
Normal
ist es, dass bei einem Staatsbankrott der Schuldnerstaat souverän
selbst entscheidet, in welcher Höhe er sich anhand welcher Maßstäbe
selbst entschuldet. Das bestätigen sowohl das Waldenfels-Urteil
(BverfGE 15,126) des Bundesverfassungsgerichts über den deutschen
Staatsbankrott nach dem Zweiten Weltkrieg als auch die Resolution der
Uno-Vollversammlung vom 10.09.2015 (Az. A/69/L.84 mit 136
Ja-Stimmen). Laut Waldenfels-Urteil muss der Staat seine Schulden so
weit reduizieren, dass er seinen sozialen Verpflichtungen weiterhin
nachkommen kann. Und laut Uno-Vollversammlung müssen die
Menschenrechte bei Entscheidung über den Staatsbankrott geachtet
werden.
Der
dritte Versuch findet sich in Tz. 19 des Verhandlungsmandats für
TTIP, welche der EU-Kommission erlaubt hat, er den USA anzubieten,
dass die EU ihrer Verpflichtung aus Protokoll 26 nachkommt, also zur
Vergabe der hoheitlichen Aufgaben an privat. Dass im Gegenzug dann
auch die hoheitlichen Institutionen der USA für europäische
Konzerne hätten geöffnet werden sollen, hat selbst in den USA, die
zahlreiche Behörden an US-Konzerne vergeben haben, Angst um die
Souveränität ausgelöst und zur bisherigen Verhinderung von TTIP
beigetragen.
Und
nun haben wir fast weltweit den Corona-Shutdown. Dieser wird
zahlreiche Staaten durch die einbrechenden Steuereinnnahmen in den
Bankrott treiben. Die EU-Mitgliedsstaaten haben beschlossen, auch
ESM-Mittel für die Linderung der Folgen des Shutdown einzusetzen.
Deutschland droht der Staatsbankrott auch durch den wegen des
Shutdowns wahrscheinlichen US-Staatsbankrott. Denn Deutschland gehört
zu den größten Gläubigern der USA und hat hohe Devisenreserven in
US-Dollar.Und beim IWF stehen nun wieder 80 Staaten Schlange. Der
Corona-Virus wird dazu missbraucht, möglichst viele Staaten bankrott
zu machen und ihre hoheitlichen Institutionen in Konzernhände zu
bringen, und die meisten Politiker machen mit, weil sie keinen
Überblick haben. Wecken wir sie auf, anstatt uns von Masken und
Repression ablenken zu lassen.