21.Januar 2012 | Unser Politikblog
Die Europäische Kommission verhandelt derzeit am neuen Handelsabkommen CETA mit Kanada. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV hat die Europäische Union die alleinige Zuständigkeit für neue Handelsabkommen mit Staaten von außerhalb der EU hat. In Art. 206 und 207 AEUV ist das Verfahren dazu festgelegt. Art. 206 und 207 AEUV bestimmen auch, dass Freihandelsabkommen der EU mit Drittstaaten im gemeinsamen Interesse zur harmonischen Entwicklung des Handels beitragen sollen in Form der fortschreitenden Abschaffung von Beschränkungen gegenüber Handel und ausländischen Direktinvestitionen sowie der Senkung von Zöllen und „anderen Hemmnissen“.
Internationale Handelsverträge, selbst die der WTO, sind vom Rang ganz normales Völkerrecht (siehe dazu das Milchpulver-Urteil des Bundesverfassungsgerichts), stehen also wie das meiste Völkerrecht genau eine Stufe über den einfachen Gesetzen (Art. 27 Wiener Vertragsrechtskonvention, WVRK), vom Rang also nicht vergleichbar mit dem Grundgesetz, der Uno-Charta, den universellen Menschenrechten und dem größten Teil des EU-Rechts.
Die Auswirkung solcher von der EU ausgehandelter Handelsverträge ist aber nicht zu unterschätzen, da sie eu-weit gelten, und weil die EU-Kommission diese dazu nutzt, Ziele durchzusetzen, welche sie bisher im eu-sekundärrechtlichen Raum gegenüber dem Europaparlament oder gegenüber den Mitgliedsstaaten nicht durchsetzen konnte. So kritisiert die Arbeiterkammer Österreich, dass es innerhalb des EU-Rechts keineswegs ausgemacht sei, von der Daseinsvorsorge in Europa die „Netzwerkindustrien“ (vor allem Energie) ganz selbstverständlich gegenüber dem internationalen Handel zu öffnen; genau das betreibe die Kommission aber.
Weitere Bereiche, die eine genaue Untersuchung verdienen, sind, wie sich das Handelsabkommen auf die Kommunen auswirkt, welche weiteren bisher öffentlichen Bereiche außer „Netzwerkindustrien“ durch das Abkommen für den Markt zwischen EU und Kanada geöffnet würden, und welche Rechte das Abkommen Investoren verschaffen will, um die Staaten Europas oder Kanada auf die Schaffung handelsfreundlicherer Gesetze verklagen zu können.
Wir haben uns bisher etwa ein Drittel der 240 Seiten angesehen. Dort haben wir brisantes vor allem bzgl. der Genmanipulation der Landwirtschaft gefunden. So wird auf S. 73 die Bedeutung der Unkrautbekämpfung hervorgehoben. Nach Art. 1 Abs. 1 lit. b auf S. 77 will das Abkommen einen Mechanismus zur Anerkennung der Äquivalenz von Pflanzenschutzmaßnahmen schaffen, und nach Art. 7 auf S. 77 soll explizit die Äquivalenz zwischen verschiedenen Pflanzenschutzmitteln anerkannt werden können. Das dürfte sich auf die in besonders gentechnikfreundlichen Ländern wie Kanada weit verbreitete Hypothese der „substanziellen Äquivalenz“ zu beziehen, wonach eine widerlegbare gesetzliche Vermutung zu gelten habe, dass genmanipulierte und nicht genmanipulierte Pflanzen im wesentlichen miteinander äquivalent seien.
CETA wäre also eine zusätzliche Bedrohung für die gentechnikfreie Landwirtschaft. Weitere Ergebnisse unserer Lektüre folgen in einem oder mehreren späteren Artikeln.
In Kanada hat sich das „Trade Justice Network“, ein Bündnis kanadischer Verbände gegen das geplante CETA-Abkommen, gebildet.
Unser Politikblog sprach mit Stewart Trew vom „Council of Canadians“, einem mit attac vergleichbaren Verband aus Kanada, über dessen Einschätzung zu CETA.
Text des CETA-Abkommensentwurfs
http://tradejustice.ca/en/section/3
offene Deklaration von Tradejustice gegen CETA
http://tradejustice.ca/en/section/22
Council of Canadians
www.canadians.org
Kritik der Arbeiterkammer Österreich am Reflexionspapier der Kommission
www.akeuropa/_includes/mods/akeu/docs/main_report_de_170.pdf
Reflexionspapier vom 28.02.2011 der EU-Kommission zur beabsichtigten Auswirkung bilateraler Handelsverträge auf öffentliche Dienstleistungen
www.sb2network.org/fileadmin/dateien/downloads/EUC_Reflection_Paper_Services_of_General_Interest.doc
Interview von Unser Politikblog mit Armin Paasch von Misereor zu Menschenrechtsverletzungen durch Handelsabkommen der EU
http://unser-politikblog.blogspot.com/2011/06/interview-mit-armin-paasch-von-misereor.html
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