21.Januar 2012 |
Unser Politikblog
Anlass dieses
Artikels ist ein sowohl verfassungs- als auch eu-primärrechtswidriger
Verordnungsentwurf der EU-Kommission im Namen des Datenschutzes, zu
welchem Prof. Dr. Johannes Masing, Richter des 1. Senats des
deutschen Bundesverfassungsgerichts, am 09.01.2012 in der
Süddeutschen Zeitung den Artikel „ein Abschied von den
Grundrechten“ veröffentlicht hat, um die Öffentlichkeit
wachzurütteln.
Nach unserer
Recherche geht es kam zum Vorschein, dass es um ganz andere Ziele als
den Datenschutz geht.
Es handelt sich
vor allem um einen Angriff auf die alternativen Internetmedien.
Solche Bestrebungen gab es bereits unter dem Deckmantel des Kinder-
und Jugendschutzes auf deutscher Ebene mit dem schließlich vom
nordrhein-westfälischen Landtag gestoppten Jugendmedienstaatsvertrag
(JMStV). Ein weiterer Versuch zur Zensur der alternativen
Internetmedien war das Engagement für Internetsperren im Namen des
Kinderschutzes durch Stefanie Freifrau zu Guttenberg – als ob man
Kinder gefährdende Seiten nicht einfach abschalten könnte.
Besonders pikant daran war, dass in 2011 gleichzeitig eine z. B. in
der Bild-Zeitung und im Spiegel lancierte Kampagne für die
Kanzlerschaft ihres Ehemanns Carl-Theodor zu Guttenberg lief, der
damals Bundesverteidigungsminister war und zugleich Lobbyist der
militaristischen Denkfabrik European Council on Foreign Relations
(www.ecfr.eu), deren Ansichten alles andere als deckungsgleich sind
mit dem Friedensgebot und dem Angriffskriegsverbot des Grundgesetzes,
und welcher daher ein Interesse an Zensurmöglichkeiten hat. Ein
weiterer Angriffsversuch auf die Internetpresse enthielt in 2010 ein
Diskussionspapier für die neue NATO-Strategie, wonach es auch
ermöglicht werden sollte, militärisch gegen Personen vorzugehen,
welche die NATO beleidigen. Das stieß in mehreren Ländern, u.a. in
Luxemburg, auf Empörung und wurde nicht in die neue NATO-Strategie
übernommen, ebenso wenig wie die ausdrücklich auf eine
Diskussionspapier gewollte Isolierung des Iran gerichteten Passagen,
die u. a. in der Türkei, aber auch weit überdie NATO hinaus, für
Bedenken sorgten. Leiterin der Arbeitsgruppe, welche das
Diskussionspapier erstellt hatte, war Madeleine Albright, ehemalige
US-Außenministerin und heutige Lobbyistin des Council on Foreign
Relations (www.cfr.org), des amerikanischen Vorbilds des ECFR.
Derzeit versucht man in den USA die Zensur über SOPA, einen
Gesetzentwurf im Namen des geistigen Eigentumsschutzes, wogegen
selbst Internetgrößen wie Wikipedia protestieren. Und in Europa
versuchen es die EU-Kommission und die hinter stehenden Kräfte mit
dem in diesem Artikel dargestellten Verordnungsentwurf.
Mögliche Motive
für die Zensurbestrebungen von gewissen Kräften beiderseits des
Atlantiks sehen wir vor allem in den derzeit laufenden Plünderungen
der Staatshaushalte und Sozialsysteme für die Absicherung von
Großbanken, die man für „too big zu fail“ hält, vor jedem noch
so kleinen Risiko – und im Lobbying bestimmter Denkfabriken,
darunter auch des CFR, für einen Angriffskrieg gegen den Iran unter
bewußter Inkaufnahme des Risikos eines Dritten Weltkriegs.
Geht es der Kommission und den
hinter dieser stehenden Kräften, vielleicht um das, was in diesem
Video mit dem Namen „Der
3. Weltkrieg - Das geophysikalische Ereignis - Das Erbe der Neuen
Welt - Finale Fassung“ erörtert wird ?
Hat
das vielleicht etwas mit dem Bilderberg-Treffen 2012 in Haifa
(Israel) zu tun? Das wäre allerdings der Gipfel an
Geschmacklosigkeit, ausgerechnet die Bevölkerung Israels, die schon
so unvorstellbar unter den Nazis gelitten hat, auch noch in so etwas
mit hinein zu ziehen.
Dass die
Bilderberger zu den Kräften gehören, deren Agenda die EU-Kommission
verfolgt, lässt sich angesichts des Timings und der Gästeliste
zwischen der Bilderberg-Konferenz im Juni 2011 und dem Gipfel der EU
im Juni 2011, dessen wichtigste Gäste zuvor auch bei der
Bilderberg-Konferenz waren, wohl kaum noch leugnen. Auch gerade
deshalb nicht, weil das Protokoll zum Gipfel im Juni 2011 erst im
September 2011 veröffentlicht worden ist, und weil auf dem
Euro-Gipfel am 26.10.2011 beschlossen worden ist, dass künftig die
Regierungschefs nicht mehr selbst über die Ergebnisse der
Euro-Gipfel berichten sollen, sondern nur noch das, was ihnen der
Präsident des Euro-Gipfels (derzeit der Bilderberger Herman van
Rompuy) und der Präsident der EU-Kommission (derzeit der
Bilderberger Jose Manuel Barroso) vorgeben.
Diese Kräfte,
von denen die in den letzten Jahren auffällig gewordenen
Bilderberger mit Sicherheit nur ein Teil sind, sollten sich bewusst
sein, dass das Internet nur die Erscheinungsform eines Prozesses ist,
der in der gesamten Menschheit stattfinden. Vor dem, was man in der
Psychologie das „kollektive Unbewußte und Bewußte“ nennt, können sie ihre
Absichten immer weniger verstecken. Und da hilft ihnen auch ihre
eigene Bewußtseinsverschiebung nichts.
Der
erste Schock, obwohl wir als Blogger schon vieles an
Einschüchterungsversuchen gewohnt sind, war, dass es gar nicht um
Datenschutz geht, sondern schon wieder um einen ökonomischen
Vernichtungsfeldzug gegen die freie Internetpresse, und das noch
perfider als gewohnt – unter mißbräuchlicher Instrumentalisierung
des EU-Grundrechts auf Datenschutz. Nur diesmal mit dem gewaltigen
Unterschied, dass die Kommission regelrecht um sich schlägt, auf
alles, was kritisch berichten könnte. Sie will gleich alle
kommerziellen Medien und alle, die im Internet etwas über andere
veröffentlichen, unter ihre mit drastischen Bußgeldern bewehrte
Überwachung und Zensur bekommen, auch alle Parteien und NGOs.
So erschreckend und gemeingefährlich die Bestrebungen der Kommission
sind, so liegt in deren Sichtbarwerden in Gestalt dieses
Verordnungsentwurfs zugleich die Chance, eine breite Mehrheit in ganz
Europa von Medien, NGOs und Parteien dagegen zu mobilisieren, selbst
von Menschen, die bisher noch nicht aufgewacht sind.
Die Kommission zeigt mit diesem
Verordnungsentwurf ihr wahres Gesicht, nämlich die alte Fratze der
Diktatur. Nur diesmal nicht mit einem nationalistischen oder
stalinistischen, sondern mit einem Anstrich, als käme sie aus der
Mitte der Gesellschaft.
Wie
weise und vorausschauend waren doch die Mitglieder des
Parlamentarischen Rats, als sie in das Grundgesetz die
Ewigkeitsgarantie (Art. 79 Abs. 3 GG) einbauten. Dazu sagte in der
Hauptausschuss-Sitzung vom 12.01.1949 Dr. Thomas Dehler (FDP):
„Auf jeden Fall halte ich es für notwendig, daß wir eine Barriere errichten, nicht in dem Glauben, daß wir dadurch einer Revolution begegnen können, aber doch in dem Willen, einer Revolution die Maske der Legalität zu nehmen.“
(Zitat
gefunden in der Dissertation
von Hauke Möller „Die verfassungsgebende Gewalt un die Schranken
der Verfasgungsrevision: eine Untersuchung zu Art. 79 Abs. 3 GG und
zur verfassungsgebenden Gewalt nach dem Grundgesetz“ (Verlag im
Internet GmbH))
eu-primärrechtlicher Rahmen für
den Datenschutz
Hier zuerst
einmal ein Überblick, inwieweit die EU nach ihrem Primärrecht
überhaupt zum Datenschutz Recht setzen darf. Zum EU-Primärecht
gehören die grundlegenden Verträge, durch welche die EU rechtlich
existiert, und das diesem vom Rang her gleichgestellte Recht. Die
grundlegenden Verträge sind der Vertrag über die Europäische Union
(EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(AEUV). Ebenfalls zum EU-Primärrecht gehören gem. Art. 6 EUV die
EU-Grundrechtecharta und die Erläuterungen des EU-Konvents zu dieser
und gem. Art. 51 EUV alle Protokolle zu AEUV und EUV und alles, was
sich in den Anhängen dieser beiden Verträge befindet, darunter vor
allem auch die Erklärungen zu AEUV und EUV. Nach Art. 5 Abs. 2 AEUV
darf die EU nur insoweit Recht setzen, wie es ihr in ihren Verträgen
ausdrücklich erlaubt ist (Prinzip der begrenzten
Einzelermächtigung). Das hat den Sinn, dass die grundlegenden
Verträge einer internationalen Organisation und Änderungen dieser
Verträge für ihr Inkrafttreten immer der Zustimmung der nationalen
Parlamente bedürfen, damit nicht mehr Kompetenzen an internationale
Organisationen übertragen werden, als es die Verfassung des Staates
erlaubt. Nach Art. 16 AEUV ist die EU ermächtigt, gemeinsam
verbindliches Recht zu setzen zum Datenschutz, soweit es die
Tätigkeit sämtlicher Behörden und Organe der EU betrifft, und
soweit es die EU-Mitgliedsstaaten bei deren Umsetzung von EU-Recht
betrifft. Für datenschutzrechtliche Fragen innerhalb des
privatrechtlichen Raums sowie zwischen den Mitgliedsstaaten und deren
Einwohnern, soweit es dabei nicht um die Umsetzung von EU-Recht geht,
gibt Art. 16 AEUV keinerlei Ermächtigung. Im Rahmen der in Art. 16
AEUV festgelegten Kompetenzen zum Datenschutz darf die EU dabei
verbindliches Recht setzen im Rahmen des „ordentlichen
Gesetzgebungsverfahrens“ (Art. 16 AEUV, Art. 289 AEUV), was sie
dann in Form einer EU-Richtlinie oder einer EU-Verordnung machen
kann. Dabei erfolgt, wie in Art. 289 AEUV bestimmt, ein Vorschlag der
EU-Kommission, über welchen der Ministerrat und das Europaparlament
entscheiden. Nur zu Datenschutzfragen der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik der EU kann der Ministerrat allein Recht setzen
(Art. 39 EUV). In jedem Fall aber muss eine unabhängige
Datenschutzkontrollbehörde existieren.
Art. 8 der
EU-Grundrechtecharta enthält das EU-Grundrecht auf Datenschutz als
Recht auf den Schutz der eigenen persönlichen Daten. Dabei ist deren
Verarbeitung nur auf faire Weise im Rahmen klar festgelegter Zwecke
und auf Basis der Einwilligung der betroffenen Person, um deren Daten
es geht, zulässig. Dabei hat jeder ein Recht darauf, die über ihn
gespeicherten Daten zu erfahren, und fehlerhafte Daten korrigiert zu
bekommen. Schließlich beinhaltet dieses EU-Grundrecht noch das Recht
auf eine unabhängige Kontrollbehörde für den Datenschutz. Auch die
EU-Grundrechtecharta dehnt die Befugnisse der EU zur Rechtssetzung in
keiner Weise aus (Art. 51 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta); Art. 51 Abs.
1 EU-Grundrechtecharta stellt ausdrücklich klar, dass die
EU-Grundrechte ausschließlich Anwendung finden auf das Handeln und
die Rechtsakte der EU und der Mitgliedsstaaten, soweit diese das
EU-Recht umsetzen. Eine Ausdehnung der EU-Zuständigkeit zum
Datenschutz auch noch auf die Regelung der übrigen Datenschutzfragen
zwischen den Mitgliedsstaaten und ihren Einwohnern sowie zwischen
Privaten ist also auch unter Berufung auf Art. 8 EU-Grundrechtecharta
unzulässig.
Nach Art. 16
AEUV ist es zwar möglich, zwischen den Instrumenten der
EU-Richtlinie und der EU-Verordnung zu wählen, hier wäre es jedoch
unter Berücksichtigung der Struktursicherungsklausel (Art. 4 Abs. 2
EUV) geboten, das Instrument der EU-Richtlinie zu wählen. Die
Struktursicherungsklausel bestimmt, dass die EU die grundlegenden
verfassungsmäßigen Strukturen ihrer Mitgliedstaaten zu achten hat.
Dazu gehört nach Leitsatz 4 des Lissabon-Urteils des
Bundesverfassungsgerichts vom 30.06.2009 insbesondere auch die
Achtung vor der Verfassungsidentität, also vor den wichtigsten
verfassungsmäßigen Vorschriften der Mitgliedstaaten, was Prof. Dr.
Masing zurecht durch den Verordnungsweg bedroht sieht. Das polnische
Verfassungsgericht sieht in ständiger Rechtsprechung, wie es mit
Urteil vom 16.11.2011 erneut bestätigt hat, die polnische Verfassung
sogar komplett als das höchste Recht in Polen an, weil dies in der
polnischen Verfassung auch ausdrücklich so festgelegt ist.
Eine
EU-Richtlinie gibt nur aus Sicht des EU-Rechts zu erreichende
politische Ziele vor, ist aber nicht unmittelbar anwendbar, sondern
verpflichtet innerhalb einer bestimmten Frist zum Erlass eines dann
unmittelbar anwendbaren Umsetzungsgesetzes auf nationaler Ebene. Das
gibt jedem Mitgliedstaat auch formell die Möglichkeit, das
Umsetzungsgesetz jeweils so zu gestalten, dass es die Vorgaben der
Richtlinie genau insoweit umsetzt, wie dem auf nationaler Ebene nicht
durch noch höherrangigeres Recht (also vor allem durch die nationale
Verfassung bzw. durch deren Verfassungsidentität) Grenzen gesetzt
werden. Wie an den Beispielen Deutschlands und Polens gezeigt, lassen
die Verfassungen der Mitgliedstaaten dem EU-Recht unterschiedlich
viel Raum. Dem wird am besten das Instrument der EU-Richtlinie
gerecht.
Eine
EU-Verordnung hingegen ist unmittelbar anwendbar. Das verleitet zur
Mißachtung der Struktursicherungsklausel (Art. 4 Abs. 2 EUV) ebenso
wie zur Anmaßung von Kompetenzen auf EU-Ebene unter Mißachtung des
Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 2 EUV).
Es sollte daher
nur für sehr eingegrenzte Rechtsgebiete der EU-Zuständigkeit
angewandt werden, welche zugleich grundrechts- und
menschenrechtsmäßig weniger sensibel sind.
Auch wenn es auf
nationaler Ebene höherrangigeres Recht als das EU-Recht gibt,
stellen EU-Verordnungen wegen ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit die
Mitgliedstaaten vor das Problem, wie das dann formell sichergestellt
werden kann.
Zum Inhalt des
EU-Datenschutzverordnungsentwurfs
Bisher gibt es
eine EU-Datenschutzrichtlinie. Das ist formell auch richtig so. Denn
kaum geht die Kommission dazu über, stattdessen die Form der
EU-Verordnung zu wählen, nutzt sie es gleich, um, wie in den letzten
Jahren üblich, massiv ihre Kompetenzen zu überschreiten, und das
auch noch für völlig andere Zwecke, als es den Rechtsgrundlagen der
Verträge, auf die sie sich beruft, entspricht. In Nr. 3.1 ihres
explanatorischen Memorandums gibt sie vollkommen zutreffend an, dass
ihre Rechtsgrundlage dafür, überhaupt eine EU-Datenschutzverordnung
zu erlassen, Art. 16 AEUV ist.
Der räumliche
Geltungsbereich des Verordnungsentwurfs (Art. 2 Abs. 1 - 4) ist noch
normal. Es geht, grob gesagt, um die persönlichen Daten von Personen
mit Sitz innerhalb der EU und um von jemandem mit Sitz innerhalb der
EU ausgehende Verarbeitung persönlicher Daten.
Bereits die
Festlegung der Ausnahmen der rechtlichen Reichweite nach Art. 2 Abs.
5 des Verordnungsentwurfs zeigt jedoch, dass da etwas nicht stimmen
kann. Denn ausdrücklich von deren Anwendung ausgenommen sind nach
Art. 2 Abs. 5 lit. b sämtliche Institutionen der EU. Moment mal, die
sind doch nach Art. 16 AEUV und Art. 8 EU-Grundrechtecharta die,
welche hauptsächlich durch das EU-Grundrecht auf Datenschutz
gebunden werden sollen ! Ausgenommen sind natürliche Personen, also
einzelne Menschen, soweit sie persönliche Daten ohne Erwerbsabsicht
bearbeiten, und diese Daten dann auch nicht einer unbegrenzten Zahl
anderer Menschen zugänglich machen (Art. 2 Abs. 5 lit. d). Gerade
nicht ausgenommen sind also alle ehrenamtlichen Blogger, denn im
Internet verbreitete persönliche Daten stehen ja gerade einer
prinzipiell unbegrenzt großen Öffentlichkeit zur Verfügung.
Die
Begriffsbestimmungen zeigen noch klarer, worum es geht. Art. 3 Abs. 2
definiert „persönliche Daten“ als jegliche Information bzgl. des
„Datensubjekts“. „Datensubjekt“ wiederum ist gem. Art. 3 Abs.
1 jede natürliche Person, also jeder Mensch. Im Visier des
Verordnungsentwurfs sind die „Controllers“ und die „Processors“
(Art. 3 Abs. 5+6). Mit „Controller“ ist der gemeint, welcher die
Datenverarbeitung veranlasst, mit „Processor“ der, der dies für
ihn ausführt. Also ist mit „Controller“ auch jeder gemeint, der
kommerziell irgendetwas über irgendjemanden aussagt, und soweit das
im Internet geschieht, auch jeder nicht-kommerziell handelnde. Mit
„Processor“ sind dann z. B. auch der Bloganbieter und die
Programmmierfirma der eigenen Webseite gemeint. Ausgenommen wären
nicht-kommerziell handelnde Einzelpersonen bei Auftreten im Internet
nur, soweit sie dort ausschließlich über sich selbst informieren.
Wenn nicht-kommerziell handelnde Personen über andere Personen
informieren würden, müssten sie das außerhalb des Internets tun,
um dem Anwendungsbereich der Verordnung zu entgehen.
Ausgenommen von
der Verordnung wären auch die mitgliedsstatlichen
Strafverfolgungsbehörden (Art. 2 Abs. 5 lit. e), was nachvollziehbar
ist, aber auch das Handeln im Rahmen der Vorschriften von Art. 42 bis
46 EUV zur Außen- und Sicherheitspolitik der EU (Art. 2 Abs. 5 lit.
c). Letzteres bedeutet, dass die EU bzgl. der Daten, die bei Ausübung
der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik anfallen, nicht an
diese Verordnung gebunden wäre; das ist auch richtig, denn dafür
ist ja Art. 39 EUV maßgeblich, und nicht Art. 16 AEUV. Das heißt
aber leider gerade nicht, dass etwa die Berichterstattung über die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU von der Anwendung
dieser Verordnung ausgenommen wäre. Denn gerade dort hat die EU ja
auch einiges zu verbergen.
Erwägungsgrund
Nr. 103 des Verordnungsentwurfs empfiehlt den Mitgliedsstaaten, für
journalistische, künstlerische und literarische Zwecke, auf
nationaler Ebene Rechtsakte zu erlassen, welche deren Recht auf
Meinungs- und Informationsfreiheit, soweit dieses in Art. 11
EU-Grundrechtecharta reicht, zu schützen, soweit es um audiovisuelle
Medien, Nachrichtenarchive und Pressebibliotheken geht. Art. 80
bestimmt zu journalistischen Zwecken, dass dafür auf nationaler
Ebene Abweichungen von den Kapiteln II, III, V, und VI der Verordnung
zugelassen würden. Und alle Ausnahmen, welche die Mitgliedsstaaten
zum Schutz der journalistischen Arbeit festlegen würden, müssten
sie der Kommission mitteilen. Das bedeutet, dass diese und damit auch
die europäische Datenschutzbehörde und die nationalen
Überwachungsbehörden sich nur an die Ausnahmen halten würden,
welche ihnen auch mitgeteilt worden sind.
Und vor den
Kapiteln IV (Artikel 19 – 36, incl. der dortigen umfangreichen
Dokumentations- und Antragspflichten) sowie Kapitel VIII (mit den
Sanktionen) sieht die Verordnung keinen Schutz für die Presse bzw.
Blogger vor. Und selbst den geringen Schutz hätte die Kommission am
liebsten nur für audiovisuelle Medien.
Art. 5 der
Verordnung bestimmt, unter welchen Umständen „die Verarbeitung
persönlicher Daten“ (incl. der Berichterstattung über andere
Menschen) zulässig wäre. Das wäre im wesentlichen dann der Fall,
wenn die, über die berichtet wird, damit einverstanden sind (Art. 5
Abs. 1 lit. a), wenn die Berichterstattung erfolgt in Ausübung
einer Tätigkeit, welche im „öffentlichen Interesse“ ist (Art. 5
Abs. 1 lit. e), oder wenn sie erfolgt in Ausübung legitimer eigener
Interessen (Art. 5 Abs. 1 lit. f).
Wenn
beabsichtigt wäre, die journalistische Tätigkeit als solche für
die Zwecke der Verordnung als eine Tätigkeit im „öffentlichen
Interesse“ zu definieren, dann wäre dies in Art. 5 oder zumindest
in den Erwägungsgründen gesagt worden, und dann hätte der
Verordnungsentwurf nicht den Erwägungsgrund 103 und den Art. 80,
wonach die Mitgliedsstaaten journalistische Tätigkeiten von Teilen
der Verordnung ausnehmen könnten, aber nicht müssten. Das bedeutet
ja gerade im Umkehrschluss, dass man journalistische Tätigkeiten
gerade nicht grundsätzlich von der Verordnung ausnehmen will, und
dass man sie gerade nicht als Tätigkeit im „öffentlichen
Interesse“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. e der Verordnung
ansehen will.
Was ein
„öffentliches Interesse“ sein soll, wird in dem
Verordnungsentwurf nicht definiert. Lediglich in Art. 81 Abs. 1 lit.
b werden Gesundheitsschutz und soziale Sicherheit als Beispiele für
Gegenstände des „öffentlichen Interesses“ genannt – dort
allerdings bezogen auf den Datenschutz bzgl. gesundheitsbezogener
Daten etc., nicht bzgl. der Berichterstattung zu solchen Themen.
Art. 85 des
Verordnungsentwurfs schließlich gesteht den Mitgliedsstaaten ein
Recht zu, von bestimmten Vorschriften der Art. 9 bis 18 des
Verordnungsentwurfs aus Gründen des öffentlichen Interesses
abzuweichen. Von der Informierung der Datensubjekte (Art. 12 des
Verordnungsentwurfs) dürfte man dafür also abweichen. Die
Zensurvorschriften wie vor allem Art. 30 und 31 sind darin
ebensowenig enthalten wie die Beweislastumkehr (Art. 7) zu Lasten
jeglicher Berichterstattung im Internet und jeglicher kommerzieller
Berichterstattung.
Art. 12 der
Verordnung verpflichtet jeden, über den man im Anwendungsbereich der
Verordnung Informationen verbreitet, die Person, über welche man die
Informationen verbreitet, zu informieren, und sie dabei auch auf ihr
Klagerecht nach Art. 45 der Verordnung hinzweisen. Damit würden, bei
vollständiger Umsetzung der Verordnung, die von der
Berichterstattung betroffenen Personen einen kompletten Überblick
darüber erhalten, was über sie im Internet sowie in kommerziellen
nicht-audiovisuellen Medien verbreitet wird, und hätten so schnell
einen Überblick, gegen wen sie rechtlich vorgehen müssten, um die
unliebsame Berichterstattung zu unterbinden. Art. 14 des
Verordnungsentwurfs enthält das Recht auf Korrektur unzutreffender
bzw. Ergänzung unvollständiger Daten und wäre im Hinblick auf die
Berichterstattung dann angemessen, wenn es implizieren sollte, dass
es dabei dann aber noch, wie wir es in Deutschland aus dem Recht auf
Gegendarstellung kennen, möglich bleiben soll, unterschiedliche
Auffassungen zwischen Presseorgan bzw. Blogger und Datensubjekt
sichtbar zu machen. Das Recht auf Löschung von Daten (Art. 15 des
Verordnungsentwurfs) hingegen birgt bereits ein beträchtliches
Potential zur Zensur.
Die Beweislast
für die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung hat nach Art. 7 Abs.
1 der „Controller“, also die Person, welche Informationen
verbreitet. Das ist, soweit dieser EU-Verordnungsentwurf auch
Strafvorschriften fordert (Art. 78), eine Verletzung der
Unschuldsvermutung aus Art. 11 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte (AEMR), Art. 14 Abs. 2 Uno-Zivilpakt, Art. 6 Abs. 2
Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und Art. 48 Abs. 1
EU-Grundrechtecharta.
An die
Unschuldsvermutung aus der AEMR und aus dem Uno-Zivilpakt sind neben
der Uno die Staaten gebunden, nicht aber die EU. An die EMRK des
Europarats sind neben dem Europarat die Staaten gebunden, und
spätestens mit der in Art. 6 EUV versprochenen Ratifizierung der
EMRK durch die EU auch die Europäische Union selbst, wobei in den
Sternen steht, ob sie diese Ratifizierung unter dieser Kommission
jemals vornehmen wird. An die Unschuldsvermutung aus Art. 48
EU-Grundrechtecharta ist die EU aber zweifellos gebunden.
Außerdem dürfte
der Verordnungsentwurf, am drastischsten sichtbar an dessen Art. 7,
kollidieren mit Meinungs- und Pressefreiheit incl. Pressevielfalt
(Art. 11 EU-Grundrechtecharta), unternehmerische Freiheit (Art. 16
EU-Grundrechtecharta) und Eigentum (Art. 17 EU-Grundrechtecharta).
Art. 19 des
Verordnungsentwurfs bestimmt die Verpflichtungen der „Controller“
insbesondere auf Art. 25, 27, 30, 31 und 32 der Verordnung.Damit
dürfte ein Großteil der alternativen Internetmedien, aber auch
zahlreiche kleinere kommerzielle Medien, bereits überfordert werden.
Bereits die
Dokumentationspflichten (Art. 25) sind unverhältnismäßig. So
müsste aufgezeichnet werden, über wen man was verbreitet, ebenso
wer Adressatenkreis der Informationen ist, und welche Arten von
Informationen man üblicherweise nach welcher Zeit wieder löscht.
Darüber hinaus müssten die legitimen eigenen Interessen des
Datenverarbeiters (bzw. Mediums) dargelegt werden. Wer diese
Aufzeichnungen nicht führen würde, dürfte dann auch kaum die
Schuldvermutung des Art. 7 Abs. 1 der Verordnung widerlegen können.
In Art. 27 geht
es um die technische Datensicherheit.
Art. 30
bestimmt, dass vor jeder Veröffentlichung eine Untersuchung über
die möglichen Folgen der Datenverarbeitung (incl. natürlich
Berichterstattung) zu stehen hätte (Art. 30 Abs. 1), und das
Datensubjekt zu fragen hätte (Art. 30 Abs. 4), inwieweit es mit der
Datenverarbeitung (bzw. Berichterstattung) einverstanden wäre.
Nach Art. 31
Abs. 1 wäre vor jeder Datenverarbeitung (bzw. Berichterstattung) die
vorherige Genehmigung zu beantragen bei der zuständigen
Überwachungsbehörde mit Vorlage einer Folgenabschätzung, woraufhin
die Übewachungsbehörde die betreffende Datenverarbeitung (bzw.
Berichterstattung) dann gem. Art. 31 Abs. 3, wenn sie zur Überzeugung
gelangen würde, dass diese nicht konform sei mit der Verordnung,
insbesondere bei unzureichenden oder verharmlosenden Informationen
über die Risiken der Datenverarbeitung (bzw. Berichterstattung),
diese zu unterbinden und angemessene Mittel gegenüber einem solchen
Verstoß vorzuschlagen. Schon ein Antrag auf Datenverarbeitung (bzw.
Berichterstattung), welchen die zuständige Überwachungsbehörde
abzulehnen hätte, würde also zugleich als Verstoß gegen die
Verordnung gewertet.
Art. 32 enthält
die Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten, wovon gem.
Abs. 1 öffentliche Institutionen, Unternehmen mit mehr als 250
Beschäftigten und, soweit die Kernaktivität des Controllers oder
Processors in der Verarbeitung von Daten liegt, und dies die
regelmäßige Überwachung von Datensubjekten mit beinhaltet. Von
Art. 32 wären Blogger ausnahmsweise indirekt betroffen, nämlich
über ihren Processor (also in der Regel deren Bloganbieter).
Nach Art. 34
wäre der Datenschutzbeauftragte dann auch der Übewachungsbehörde
gegenüber verantwortlich. So könnte dann wiederum die
Überwachungsbehörde über den Datenschutzbeauftragen auf den
Bloganbieter Druck ausüben, die Vorschriften der Verordnung
einzuhalten.
Nach Art. 28
Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 9 der Verordnung wären der Controller
(also auch die Journalisten und die Blogger) verpflichtet, bei jedem
ihrer Verstöße gegen die Verordnung das betroffene Datensubjekt
innerhalb von 24 Stunden darüber zu unterrichten. Was das für den
investigativen Journalismus bedeutet, kann man sich ausmalen.
Die nationalen
Überwachungsbehörden sind vollkommen unabhängig vorgesehen von
jeglicher innerstaatlicher Dienstaufsicht (Art. 46 Abs. 1). Ihre
Zusammenarbeit ist vorgesehen im Rahmen einer europäischen
Datenschutzbehörde (Art. 63). Statt einer Verantwortlichkeit oder
Weisungsgebundenheit gegenüber dem jeweiligen Mitgliedsstaat ist die
Weisungsgebundenheit der nationalen Überwachungsbehörden bei
besonders grundlegenden Entscheidungen gegenüber der europäischen
Datenschutzbehörde (Art. 57) und gegenüber der EU-Kommission (Art.
58) vorgesehen.
Die Befugnisse
der nationalen Überwachungsbehörden bestimmt Art. 52 des
Verordnungsentwurfs, darunter das Verbot der Datenverarbeitung (bzw.
Berichterstattung) in Abs. 1 lit. g, die Anordnung der Korrektur oder
Löschung von Daten (bzw. Berichterstattung) nach Abs. 1 lit. f, die
Anordnung der Informierung des Datensubjekts (über die
Datenverarbeitung bzw. Berichterstattung) gem. Art. 52 Abs. 1 lit. c
i. V. m. Art. 28 des Verordnungsentwurfs.
Art.
73 des Verordnungsentwurfs sieht ein Beschwerderecht bei der
nationalen Überwachungsbehörde vor, Art. 74 ein Klagerecht gegen
die nationale Überwachungsbehörde, Art. 75 ein Klagerecht
gegen den Controller bzw. Processor. Art. 77 bestimmt die Haftung von
Controller und Processor, und zwar gesamtschuldnerisch, soweit
mehrere von ihnen daran beteiligt sind; genau diese
Gesamtschuldnerschaft würde vor allem die Berichterstattung über
Copyleft und die alternativen Internetnachrichtenagenturen mit dem
Ruin bedrohen. Nach Art. 78 würden die EU-Mitgliedsstaaten
verpflichtet, Strafvorschriften zur Durchsetzung der Verordnung zu
erlassen und der Kommission darüber zu berichten, wobei zumindest
solche Datenverarbeiter (bzw. Berichterstatter) von außerhalb der EU
betroffen wären, welche es versäumen würden, einen Vertreter im
Sinne von Art. 22 der Verordnung zu benennen, welcher bei ihnen im
wesentlichen die Pflichten des Controllers hätte.
Art. 79 enthält über zweieinhalb
Seiten eine lange Liste von Tatbeständen für drastische Bußgelder,
welche die nationalen Überwachungsbehörden zu verhängen hätten.
Darunter sind z. B. Bußgelder zwischen 500,- € und 600.000,- €
bei Privatpersonen bzw. von bis zu 3% des Weltumsatzes bei
Unternehmen, wenn auch nur die Aufzeichnungen nach Art. 25 oder die
Aufzeichnungen über eigene Verletzungen der Verordnung (Art. 28 Abs.
4) für unzureichend befunden werden (Art. 79 Abs. 3 lit. g der
Verordnung). Zwischen 100.000,- € und 1.000.000,- € bzw. bis zu
5% des Weltumsatzes würde betragen jede Datenverarbeitung (oder
Berichterstattung), bei welcher die Folgenabschätzung für das
Datensubjekt oder die vorherige Beantragung bei der
Überwachungsbehörde unterbleiben würde (Art. 79 Abs. 4 lit. g),
oder die betroffenen Datensubjekte nicht fristgerecht innerhalb von
24 Stunden vom Controller über dessen Verstöße gegen die
Verordnung informiert werden (Art. 79 Abs. 4 lit. h).
Selbst unzureichende Informierung des
Controllers gegenüber dem Datensubjekt über die erfolgte
Datenverarbeitung (bzw. Berichterstattung) (Art. 12) würde bereits
mit Bußgeld zwischen 100,- € und 100.000,- € bzw. bis zu 1% des
Weltumsatzes geahndet (Art. 79 Abs. 2).
auch Parteien und NGOs betroffen
Nach
Erwägungsgrund 38 soll die Verordnung ausdrücklich auch die
Datenverarbeitung (bzw. Berichterstattung und
Informationsverbreitung) von Parteien , welche im Zuge von
Wahlkampfaktivitäten geschieht, mit umfassen. Da Parteien
nicht-kommerziell sind, würde die Verordnung auf sie Anwendung
finden bzgl. der Verarbeitung von bei Wahlkämpfen anfallenden Daten
über politische Meinungen von Personen. Datenschutz bzgl. der Daten
von Unterstützungsunterschriften bei Wahlkämpfen ist eine
Selbstverständlichkeit und auch in deutschen Gesetzen längst
verankert, aber die Veröffentlichung im Internet der eigenen Meinung
über politische Meinungen der politischen Konkurrenz der Genehmigung
einer der EU-Kommission verantwortlichen Überwachungsbehörde vorab
vorlegen zu müssen incl. Beifügung einer umfangreichen
Folgenabschätzung für den jeweiligen politischen Konkurrenten (Art.
30 und 31 des Verordnungsentwurfs) und bereits im Falle aus Sicht
der Überwachungsbehörde unzureichender Informationen ein Bußgeld
auferlegt zu bekommen, welches kleinere Parteien bereits ruinieren
kann, geht doch offensichtlich zu weit. Selbst größere Parteien wie
CDU oder SPD könnte man dadurch mit einer verhältnismäßig
geringen Zahl von Beanstandungen in den Ruin treiben.
Wesentlich
stärker betroffen wären die Magazine von Parteien und NGOs, welche
ständig, wenngleich journalistisch, im Internet Meinungen über
andere Personen verbreiten. Auch sie müssten die Personen, über die
berichtet wird, informieren, und müssten jeden ihrer im Internet
veröffentlichten Artikel der Überwachungsbehörde vorlegen, wobei
auch bei ihnen jede Anfrage mit dem Risiko der Ablehnung und
Auferlegung eines drakonischen Bußgelds bedroht wäre.
Auf diese Weise
würden der EU-Kommission von ihrer Ausrichtung her nicht genehme
Parteien und NGOs europaweit in kürzester Zeit in den Ruin getrieben
bzw. dazu gebracht, im Internet nur noch Informationen wie ihr
Programm und ihre Satzung zu verbreiten, aber keine
Pressemitteilungen mehr, die Meinungen über konkrete Personen
enthalten.
Auch die
beliebten Live-Streams und Videos über Veranstaltungen und
Kundgebunden von Parteien und NGOs würden damit aus dem Internet
verdrängt.
Die politische
Zensur, die in diesem Verordnungsentwurf liegt, bis hin zur Macht der
Kommission, die politischen Aussagen der Parteien im Internet
vollständig unter Androhung eines ruinösen Bußgelds zu
koordinieren, könnte auch eine Reaktion sein auf den Fall der
Fünf-Prozent-Hürde für die Europawahl in Deutschland mit Wirkung
ab der nächsten Europawahl durch ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 09.11.2011. Hätte es bereits bei der
Europawahl 2009 keine Fünf-Prozent-Hürde in Deutschland mehr
gegeben, wären heute die Vertreter von sieben weiteren Parteien
sowie eine Parteilose zusätzlich aus Deutschland im Europaparlament
vertreten, und dafür von den „etablierten“ Parteien acht
Abgeordnete weniger, unter den Neulingen zahlreiche, die den
Lissabon-Vertrag abgelehnt bzw. eine Volksabstimmung über diesen
gefordert haben und damit der EU-Kommission und den Kräften dahinter
ein Dorn im Auge sind.
Besonders
drastisch wäre die Zensur für Menschenrechtsverbände. Die
Sektionen von Amnesty International in den Staaten der Europäischen
Union müssten sich von der Kommission vorab genehmigen lassen, für
welche politischen Gefangenen sie sich auch im Internet einsetzen
dürften.
FIAN müsste
sich vorab genehmigen lassen, über welche Vertreibungen bäuerlicher
Landwirte man auch im Internet berichten dürfte; das wäre dann
wahrscheinlich nur bzgl. Land Grabbing durch Konzerne von außerhalb
der EU der Fall, nicht aber mehr über Land Grabbing durch Konzern
von innerhalb der EU, dgl. bzgl. Nahrungsmittelspekulationen etc.
Während der
Verordnungsentwurf in Art. 8 Abs. 1 + Abs. 2 lit. d ausdrücklich
datenschutzmäßig sicherstellen will, dass aus einer
Gewerkschaftsmitgliedschaft keine Nachteile erwachsen, wären
natürlich Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, wenn sie einander
im Internet auch noch so konstruktiv kritisieren, ebenfalls
verpflichtet bei jeder Veröffentlichtung übereinander vorab eine
bußgeldbewehrte Genehmigung mit umfangreicher Begründung zu
beantragen, welche möglichen Folgen die betreffende Meinungsäußerung
im Internet für den gegenüberstehenden Tarifpartner haben könnte.
Grenzziehung im europäischen
Rechtsraum
Es handelt sich
bisher um einen EU-Verordnungsentwurf, der durch Ablehnung im
Europarlament bzw. im Ministerrat gestoppt werden kann. Dazu ist die
schnellstmögliche Informierung über diesen Verordnungsentwurf
entscheidend. Der Stopp dieses Verordnungsentwurfs dürfte zumindest
im Interesse der meisten Abgeordneten des Europaparlaments liegen,
denn sie werden von Parteien aufgestellt, von denen die meisten auf
Wahlwerbung im Internet nicht verzichten wollen. Welche Partei will
sich schon vollständig von Großspendern und der Aufmerksamkeit
großer audiovisueller Medien abhängig machen ?
Die
EU-Kommission, welcher im EU-Primärrecht neben dem EUGH die Rolle
als Hüterin der Verträge der EU zugedacht ist, ist heute durch ihre
wiederholten und drastischen Kompetenzüberschreitungen die größte
Gefahr für die europäische Integration.
Eine Kommission,
die vorsätzlich die Demokratie europaweit gefährdet, muss vom
Europaparlament noch in diesem Jahr abgewählt werden. Man hat es
hier mit einer Kommission zu tun, deren Vorsitzender in Zusammenhang
mit der Durchsetzung des Euro-Stabilisierungsmechanismus bereits im
Juni 2010 laut über Diktatur für Griechenland, Spanien und sein
Heimatland Portugal nachgedacht hat.
Grenzziehung im deutschen Rechtsraum
So verdienstvoll
der Weckruf durch Herrn BVR Prof. Dr. Masing ist, so gibt es doch
noch ein paar Möglichkeiten mehr als in seinem Artikel in der
Süddeutschen Zeitung dargestellt, dieser EU-Verordnung, falls sie
nicht bereits vom Europaparlament oder vom Ministerrat gestoppt wird,
Grenzen zu setzen.
Die Aussage in
seinem Artikel, die Grundrechte des Grundgesetzes seien bei dieser
Verordnung nicht anwendbar, ist übertrieben. Tatsächlich hat das
Bundesverfassungsgericht schon in Rn. 106 des Maastricht-Urteils
(BVerfG 89,155) entschieden, dass man vor dem
Bundesverfassungsgericht zwar formal nicht gegen
eu-sekundärrechtliche Akte selbst mit der Verfassungsbeschwerde
vorgehen kann, dass man aber gleichwohl, sobald im deutschen
Rechtsraum darauf aufbauende Rechtsakte erfolgen, sich gegen diese
wenden und in dem Zuge dann auch mit Wirkung für Deutschland
überprüfen lassen kann, ob und inwieweit die EU dabei ihre
Kompetenzen überschreitet. Dieser Rechtsprechung ist das
Bundesverfassungsgericht auch weiterhin treu geblieben. Außerdem hat
es in Leitsatz 4 des Lissabonurteils vom 30.06.2009 klargestellt,
dass die Verfassungsidentität des Grundgesetzes der Anwendung des
EU-Rechts für Deutschland Grenzen setzt, und dass es sowohl über
den Schutz der Verfassungsidentität als auch über das
ultra-vires-Verbot letztinstanzlich wacht. Und zur
Verfassungsidentität gehören nach dem Lissabonurteil die
Strukturprinzipien, die Menschenwürde und der Wesensgehalt der
übrigen Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte des Grundgesetzes
(Rn. 216 Lissabonurteil). An zweiter Stelle der Rangfolge kommen nach
dem Lissabonurteil, noch vor dem EU-Primärrecht die beiden
Staatsaufträge Friedensgebot (Art. 1 Abs. 2 GG) und europäische
Integration (Art. 23 GG). Die deutschen Grundrechte würden dieser
EU-Verordnung für Deutschland also sehr wohl Grenzen setzen. Der
Staatsauftrag europäische Integration hat hier die Bedeutung, dass
er Deutschland nicht nur darauf festlegt, EU-Mitglied zu sein,
solange das mit Grundrechten, grundrechtsgleichen Rechten,
Strukturprinzipien und Friedensgebot noch vereinbar ist, sondern auch
darauf, dass die Vertreter Deutschlands gegenüber der EU danach zu
streben haben, dass diese sich demokratisch, rechtsstaatlich, sozial
und subsidiär entwickelt, und dass sie einen dem Grundgesetz
zumindest vergleichbaren Grundrechtsschutz haben soll (incl. der
Pressefreiheit); letzteres ist auch nicht etwa mit der Existenz eines
Art. 11 EU-Grundrechtecharta erledigt, sondern ist ebenso im
EU-Sekundärrecht, also auch in allen EU-Richtlinien, EU-Verordnungen
etc. zu wahren. Ein Einzelner dürfte sich auf den Staatsauftrag
europäische Integration aber nur wirksam berufen können, soweit
gleichzeitig eines seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte
betroffen ist.
Das Problem ist
allerdings formeller Art dergestalt, dass auf Grund der Verordnung
schon sehr viel Zensur in ganz Europa geschehen würde, bis erst
einmal das erste Verfahren gegen einen auf Grund der Verordnung
innerhalb des nationalen Rechtsraums eines Mitgliedsstaats erlassenen
Rechtsakt durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht
gelangen würde. Die spannende Frage wäre auch, ab wo bei der
Anwendung dieser EU-Verordnung der innerstaatliche Rechtsraum
betreten würde. Wir meinen, dass dies durch die ausdrückliche
Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedsstaaten für die Klagen
gegen Controller und Processor und gegen die nationalen
Überwachungsbehörden der Fall wäre (siehe Art. 74, 75 und 76 des
Verordnungsentwurfs); das bedürfte aber noch einer genaueren
rechtlichen Überprüfung, ob man das an einer formell-rechtlichen
Zuständigkeitszuordnung festmachen kann, oder ob es ausschließlich
daran gemessen werden kann, inwieweit über materielles Recht des
jeweiligen Staates entschieden wird. Für das Betreten des deutschen
Rechtsraums durch die formell-rechtliche Zuständigkeitszuordnung zu
den deutschen Gerichten spricht, dass die deutschen Gerichte als Teil
der Organe des Staates Adressat der deutschen Grundrechte und
grundrechtsgleichen Rechte sind.
Eine weitere
Möglichkeit könnte sein ein Organstreitverfahren eines Abgeordneten
oder einer Partei gegen diese faktische Zensur im Namen des
Datenschutzes, weil dadurch die Erfüllung der verfassungsmäßigen
Aufgaben der Parteien incl. deren Beitrag zur politischen
Meinungsbildung unzumutbar behindert bis unmöglich gemacht würde.
Interessant wäre dabei auch die Frage, ob die restriktive
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass in Deutschland
formal nicht direkt gegen internationale Rechtsakte mit dem
Instrument der Verfassungsbeschwerde vorgegangen werden kann, beim
Organstreitverfahren überhaupt gleichermaßen streng zu sehen ist
wie bei der Verfassungsbeschwerde. Im Organstreitverfahren geht es um
die besonderen Rechte von Parteien und Abgeordneten. So hat das
Bundesverfassungsgericht am 22.11.2001 über eine Organklage der
PDS-Fraktion (Az. 2 BvE 6/99) dagegen, dass das strategische Konzept
der NATO von 1999 dem Bundestag nicht zur Zustimmung vorgelegt wurde,
inhaltlich entschieden. Das wäre bei Unzulässigkeit der damaligen
Organklage formal nicht möglich gewesen. Und ein strategisches
Konzept der NATO ist NATO-Sekundärrecht, ebenso wie eine
EU-Verordnung EU-Sekundärrecht ist. Und auch damals ging es darum,
ob die NATO mit ihrem 1999er strategischen Konzept sich innerhalb
ihrer primärrechtlichen Befugnisse nach dem Nordatlantikvertrag
gehalten, oder ob und inwieweit sie ultra-vires gehandelt hatte. Das
Bundesverfassungsgericht hatte damals, deutlich in den Rn. 157 und
162 zu erkennen, das strategische Konzept nur im Wege verfassungs-
und völkerrechtskonform einschränkenden Auslegung für rechtmäßig
erklärt in dem Sinne, dass die neuen Vorschriften des Konzepts zur
Krisenbewältigung nicht für Angriffskriege benutzt werden dürfen.
Eine weitere
Möglichkeit zur Eingrenzung von EU-Verordnungen auf der nationalen
Ebene sehen wir darin, jede EU-Verordnung in Deutschland einer
Volksabstimmung zu unterwerfen. Das beruht auf der Sichtweise, dass
das deutsche Volk gem. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG auf drei Weisen
herrscht:
über Wahlen,
über Volksabstimmungen und über seine staatlichen Organe
(Legislative, Exekutive, Judikative). Diese staatlichen Organe haben
einige ihrer Befugnisse der EU zur gemeinschaftlichen Ausübung
überlassen, nicht aber die Befugnisse des Volkes selbst, nämlich
Wahlen und Abstimmungen, denn vom Volk geht ja gerade die
Staatsgewalt aus (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). Nach dem Lissabonurteil
ist das ganze Strukturprinzip Demokratie wie die übrigen
Strukturprinzipien, die Menschenwürde und die Wesensgehalte der
Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte des Grundgesetzes
unantastbar. Also sind auch die Volksabstimmungen als Teil des
Strukturprinzips Demokratie unantastbar. Das bedeutet, dass das
Grundgesetz weitaus mehr Volksabstimmungen verlangt, als es in Art.
29 GG (Bundesländerneugliederung) und Art. 146 GG (Abstimmung über
eine neue Verfassung) ausdrücklich verlangt wird. Das
Bundesverfassungsgericht könnte nach unserer Rechtsauffassung auch
anordnen, dass in Deutschland zu allen EU-Verordnungen zusätzlich
zur Zustimmung des EU-Ministerrats und des Europaparlaments auch ein
Referendum des deutschen Volkes erfolgen muss. Dafür bräuchte es
den Nachweis, dass zum Schutz der Verfassungsidentität des
Grundgesetzes notwendig ist, diese nach dem Grundgesetz mögliche
zusätzliche Gewaltenverschränkung anzuordnen.
Dafür müsste
natürlich erst einmal jemand formal zum deutschen
Bundesverfassungsgericht gelangen. Auch hier käme es formal wieder
auf die Frage an, wo der deutsche Rechtsraum betreten wird.
Wenn es hier um
eine dem Grunde nach rechtmäßige EU-Verordnung ginge, und nicht um
etwas völlig ultra-vires-mäßiges, welches bereits keine Grundlage
in Art. 16 AEUV hat, dann wären die deutschen Gerichte auch
gehalten, bei Anwendung des EU-Sekundärrechts dieses auch an den
EU-Grundrechten zu messen (Art. 51 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta),
welche zwar unter den Verträgen der EU (Art. 52 Abs. 2
EU-Grundrechtecharta), aber immer noch über sämtlichem
EU-Sekundärrecht stehen. Aber darauf kommt es bei einer Verordnung,
die nur als Ganzes verworfen werden kann, schon nicht mehr an.
Links:
der umstrittene
EU-Datenschutzverordnungsentwurf
http://statewatch.org/news/2011/dec/eu-com-draft-dp-reg-inter-service-consultation.pdfhttp://statewatch.org/news/2011/dec/eu-com-draft-dp-reg-inter-service-consultation.pdf
Artikel von
Prof. Dr. Masing in der Süddeutschen Zeitung
(siehe
Printausgabe vom 09.01.2012, Feuilleton, Ausgabe Bayern, Deutschland,
S. 10)
Überlegungen
des EU-Kommissionspräsidenten aus Juni 2010 bzgl. Diktatur für
Griechenland, Spanien und Portugal in Zusammenhang mit einer
denkbaren Ablehnung des Euro-Stabilisierungsmachanismus
JMStV
SOPA
der Zusammenhang
zwischen den zu Guttenbergs, den Internetsperren und dem ECFR
das
Diskussionspapier zur NATO-Strategie 2010
die bzgl.
Pressefreiheit und bzgl. Iran im Vergleich zum Diskussionspapier
deutlich abgemilderte NATO-Strategie 2010
CFR empfiehlt
Angriffskrieg gegen Iran
Artikel von
Unser Politikblog zu Bilderberg
Die Datenschutzproblematik ist für die Bürger ganz schwer zu fassen, vor allem durch die Möglichkeiten des Internet ist eine Überforderung eingetreten!
AntwortenLöschenSorry, Leute. Ihr habt euch wahnsinnig viel Mühe gegeben und die Sache stinkt offensichtlich zum Himmel. Aber wer soll das Lesen? Schwarz auf Grün ist schon optisch problematisch und dann noch einen Text von epischer Länge, mit permanenten Klammern und Paragrapheneinstreuungen. Nach gut 2/3 habe ich aufgegeben, obwohl mich die Sache interessiert. Wie wäre es, an den Anfang mal eine 10 Satz-Zusammenfassung zu stellen, deren Aussage ihr dann im Artikel belegt? Damit dürftet ihr weitaus mehr Leute erreichen und die Problematik schneller und stärker verbreiten.
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